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Lkw-Fahrer dringend gesucht

Die Zukunft in Mangelberufen könnten Menschen mit Migrationshintergrund sichern, ist ein Personalberater überzeugt.

Österreichweit fehlen 8000 Lkw-Fahrer
Österreichweit fehlen 8000 Lkw-Fahrer

Wenn der Transportsektor steht, dann steht alles, warnt der Wiener Experte für Ethnopersonalmarketing Oguzhan Köse: "Das hat Auswirkungen auf fast alle Branchen: Wir stehen dann vor leeren Regalen, Tankstellen und so weiter." Besonders gravierend ist, dass ebenjene Branche laut Wirtschaftsbund aktuell diejenige mit dem größten Bedarf an Personal ist. Die Daten des AMS zeigen, dass zuletzt österreichweit 45.221 offene Stellen in Handel, Logistik und Verkehr nicht besetzt werden konnten; gesucht wurden unter anderem 8000 Lkw-Fahrer.

Mitarbeitergewinnung durch interkulturelles Recruiting

Die Transportbranche muss also aktuell - wie ein Großteil der übrigen Branchen auch - durch zwei große Herausforderungen manövrieren: Mitarbeiter zu finden und zu binden. Köse empfiehlt Unternehmen, gezielt eine im Recruiting oft übersehene Gruppe anzusprechen, nämlich Menschen mit Migrationshintergrund - immerhin mehr als zwei Millionen Personen in Österreich. "Wenn man sich die Geburtenraten und die Zuwanderungszahlen ansieht, wird diese Gruppe die Zukunft sein, gerade in systemrelevanten Berufen", so der Austrotürke, der als Gründer und Geschäftsführer der Ethnomarketing-Agentur Kösche Solution interkulturelle Beratung anbietet und für große Konzerne und öffentliche Institutionen auf die Suche nach potenziellen Beschäftigten geht - "gezielt und ohne Streuverlust".

Effektives Diversity-Marketing

Dazu nutzt Köse Vereinszeitungen, TV-Sender oder Facebook-Gruppen der einzelnen Communitys und geht Kooperationen mit Influencern ein, die genau diese Gruppen ansprechen. "Die klassischen Jobplattformen sind zwar wichtig, aber man muss sich fragen, ob ich damit meine Zielgruppe erreiche. Manche sprechen nicht ausreichend Deutsch, andere haben gerade erst ihr erstes Smartphone bekommen oder nicht einmal eine E-Mail-Adresse. Man kann nicht erwarten, dass sich diese Menschen durch Jobportale klicken und Daten hochladen", schildert Köse die Problematik. Er gibt jedoch zu bedenken: "Es ist Fingerspitzengefühl gefragt, wenn es darum geht, mit welchen Personen oder Vereinen ich Kooperationen eingehe." Einer der Vorteile des Diversity-Marketings: die Vernetzung innerhalb der Community. "Wenn etwa der Onkel einen Job sucht, werden passende Anzeigen sehr effektiv weitergegeben."

Spurwechsel beim Image der Lastkraftwagenfahrer

Was das Thema Personal in der Sparte Transport und Verkehr so herausfordernd macht? "Die Altersstruktur wird mittelfristig zu großen Problemen führen. 70 Prozent der Fahrer sind zwischen 45 und 60 Jahre alt", weiß Patrick Friedrich, Spartengeschäftsführer in der Wirtschaftskammer Salzburg. Als solcher versucht er dem mangelhaften Image der Branche gegenzusteuern: "Der Job bietet durchaus Vorteile: Er ist ordentlich bezahlt, man ist viel unterwegs, immer mehr Arbeitgeber bieten inzwischen die Viertagewoche an." Um den Einstieg in den Beruf zu erleichtern, gebe es jedoch nur vereinzelte Kampagnen, kritisiert Personalberater Köse, etwa vom AMS, das den Lkw-Führerschein finanziert, wenn die Einstellungszusage eines Unternehmens vorliegt. "Gefördert wird der Führerschein derzeit nur, wenn man arbeitslos gemeldet ist. Wir arbeiten daran, dass es auch Förderungen für Umschulungen im Betrieb gibt", verrät Friedrich. "Man muss auch die Mitarbeiterbenefits anpassen, das Arbeitsumfeld möglichst attraktiv gestalten", rät Köse.

Zielgruppenspezifische Jobanzeigen

Schon die Jobanzeige sollte man an die einzelnen Zielgruppen anpassen, dort "ganz plakativ" die Garantie formulieren, dass etwa im Sommer drei Wochen Urlaub am Stück genommen werden können, den Menschen mit Migrationshintergrund gern im Herkunftsland verbringen, oder dass man sich an den drei wichtigsten kulturellen oder religiösen Feiertagen im Jahr freinehmen kann. Der Tipp des Experten für Ethno-Recruiting, um ein wertschätzendes Betriebsklima für die einzelnen Communitys zu schaffen: "Es kommt auf die kleinen Dinge an. Nett ist es etwa, wenn Unternehmen Glückwünsche zu Festen und Feiertagen aussprechen. Oder wenn es Menschen in der Personalabteilung gibt, die die Sprache und Kultur der Mitarbeiter kennen, diese bei Aktivitäten auch außerhalb der Arbeit unterstützen, zum Beispiel beim Steuerausgleich in der Muttersprache. Ein anderer Benefit: eine firmeninterne Deutschlern-App."

Unentbehrlich und besser als der Ruf

Lastwagen sind mittlerweile viel sauberer, sicherer und klimafreundlicher als ihr Ruf, ließ unlängst die Brancheninitiative "Lkw Friends on the Road" verlauten: Seit 1995 ist der CO₂-Ausstoß von Lkw um 32 Prozent gesunken. Bei Autos sind es im Vergleich dazu nur fünf Prozent. Auch in Sachen Automatisierung hat sich in der Güterbeförderungsbranche in den vergangenen Jahrzehnten viel getan. Der Mensch steht aber als unersetzlicher Akteur weiter im Mittelpunkt der modernen Logistik. Welche Wege es gibt, um Menschen für den Beruf des Lkw-Fahrers zu begeistern, welche weiteren Berufsbilder es in der Transportbranche gibt und wie sich Mobilität im eigenen Unternehmen nachhaltig und motivierend leben lässt, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des JobExtra. Viel Vergnügen beim Mehr-Wissen! - Sandra Bernhofer, SN-Sonderthemenredaktion

Diversität: Es bleibt viel zu tun

Was Diversität und Inklusion angeht, gibt es in Österreich durchaus noch Luft nach oben. Eine Stepstone-Umfrage von 2020 zeigt, dass Diversity-Management in 60 Prozent der Unternehmen keine große Rolle spielt. Nur in jedem dritten Unternehmen sei im Recruiting tatsächlich Chancengleichheit gegeben. Dabei legen die Ergebnisse einer McKinsey-Studie aus dem Jahr 2018 nahe, dass Unternehmen mit einer diverseren Belegschaft eine 33 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen. Fühlen sich Mitarbeiter unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit oder anderen Faktoren wertgeschätzt und respektiert, führt dies nämlich zu einer höheren Arbeitszufriedenheit und einem stärkeren Engagement.