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Mädchen erobern technische Berufe: Wachsende Trends in der Lehrlingsausbildung

Mädchen gehen zunehmend in traditionelle Männerberufe. Die Lehre hat sich enorm professionalisiert, sagt WKS-Strategieexpertin Martina Plaschke.

Martina Plaschke (WKS) ist strategisch verantwortlich für den Bereich Lehre.
Martina Plaschke (WKS) ist strategisch verantwortlich für den Bereich Lehre.

Stress bei der Berufswahl, die Wiederbelebung alter Berufsbilder, Mädchen, die in die Technik gehen, die Top-10-Lehrlingsberufe und gute Verdienstmöglichkeiten in klassischen Lehrberufen - was tut sich aktuell in Sachen Lehre in Salzburg?

Frau Plaschke, Sie sind in der Wirtschaftskammer strategisch verantwortlich für Lehre. Was macht den Wert einer Lehrausbildung im Jahr 2024 aus? Martina Plaschke: Mit einer Lehrausbildung gelingt ein Berufseinstieg am raschesten. Die Lehre ist mit 41 Prozent der häufigste Bildungsabschluss - nach einer erfolgreichen Lehrabschlussprüfung hat man im Schnitt einen Monat später einen Job.

Mit einer berufsbildenden Schule dauert es drei Monate, AHS-Absolventen suchen bis zu sieben Monate. Lehrlinge verdienen ab ihrem
15. Lebensjahr Geld und sind pensionsversichert. Tatsache ist, dass unsere Lehrlinge bei Berufsweltmeisterschaften regelmäßig auf Spitzenplätzen landen. Österreich spielt da in einer eigenen Liga.

In Wien kann das AMS 18-Jährige mit Matura nur noch schwer vermitteln. Diese jungen Menschen haben viel Allgemeinbildung, aber eben keine berufliche Vorbildung. Es gibt Arbeitgeber, die sie anstellen und einlernen, weil der Fachkräftemangel so groß ist. Aber sie bleiben de facto Hilfskräfte. Fast ein Viertel aller AHS-Absolventen macht innerhalb von sieben Jahren keine weitere Berufsausbildung und kein Studium.

Wie können junge Menschen den richtigen Beruf für sich finden? Das ist in der Tat eine Herausforderung
und für viele Jugendliche mit großem Druck verbunden. Es gibt 210 Lehrberufe in Österreich - wir als Wirtschaftskammer und die Betriebe bemühen sich sehr, das passende Match zu finden. Wir unterstützen Jugendliche individuell mit dem Talente-Check und Karriere-Check noch während der Schulzeit bei der Berufsorientierung. Man kann Schnuppertage in Firmen machen oder die Lehrberufsliste durchstöbern (Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, ibw.at).

Die zehn beliebtesten Lehrberufe sind seit Jahren fast immer gleich. Burschen gehen in die Elektrotechnik, Metalltechnik, Kfz-Technik und IT. Bei den Mädchen führen Einzelhandel, Bürokauffrau, Friseurin und als neuer Trend Zuckerbäckerin und Konditorin. Warum hält sich dieses Ranking so hartnäckig? Die Top 10 bedeuten ja weniger, dass das die beliebtesten Berufe sind, sondern dass in diesen Berufen die meisten Menschen in Beschäftigung sind. Das sind die Branchen, die viele Mitarbeiter brauchen und wo die meisten Menschen ausgebildet werden. Wir haben einfach nicht so viele Silberschmiede wie Beschäftigte im Handel oder in der Kfz-Technik.

Warum sind die Mädchen so festgefahren auf Verkäuferin und Friseurin, wo man wenig verdient und die Berufszufriedenheit oft schlecht ist? Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man seinen Beruf nach seinen Fähigkeiten und Interessen auswählen soll. Wenn man den richtigen Beruf für sich entdeckt und Freude am Tun hat, steht das Gehalt nicht im Vordergrund. Man kann in jedem Berufsbereich erfolgreich werden.

Die Lehre ist das Sprungbrett für viele Karrieremöglichkeiten und bietet viele Aufstiegschancen. Ob das eine Abteilungs- oder Marktleitung im Handel ist oder eine Selbstständigkeit als Friseurin. Warum die Burschen zur Technik tendieren und die Mädchen zur Dienstleistung, ist ein schwieriges Thema. Es sind sicher nicht nur Rollenbilder. Die Burschen werden öfter Koch als Mädchen, obwohl in den Familien meistens die Frauen kochen, die Mädchen also die Mutter als Vorbild hätten.

In den Werkshallen bei Palfinger oder den innovativen Industriebetrieben in Oberösterreich sieht man allerdings immer mehr Mädchen in technischen Berufen. Ja, das ist spannend, auch wir merken, dass sich da was öffnet und dreht. Die Mädchen lernen Elektrotechnik, Mechatronik, Landmaschinentechnik.

Unser Lehrling des Monats Februar war ein Mädchen, das lernt bei Bacher Skidoo in Bramberg, die bauen Motorschlitten. Die junge Frau ist auf dem Bauernhof aufgewachsen; der Papa hat die Geräte auf dem Hof selbst gewartet, dabei ging sie ihm tatkräftig zur Hand. Wenn man hinterfragt, wie der Zugang zur Technik war, kommt oft die Antwort: Das war der Vater, der hat unterstützt, gezeigt, die Tochter mitgenommen.

Stimmt es, dass junge Menschen alte Berufe wiederbeleben? Traditionelle Lehrberufe erfreuen sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. Als Beispiel fällt mir unser Lehrling des Monats September, eine Blechblasinstrumentenerzeugerin vom Lehrbetrieb Tobias Falkner in Scheffau, ein oder eine Taschnerin in der Getreidegasse, die sich nach Studium und erfolgreicher akademischer Karriere inzwischen auf die Reparatur von hochwertigen Taschen spezialisiert hat.

Zum Thema Geld: Wie hoch ist aktuell die Lehrlingsentschädigung? Das heißt jetzt Lehrlingseinkommen, weil eine Lehre ja kein Schaden ist (lacht). Das Einkommen ist in den letzten Jahren überproportional, um bis zu 48 Prozent, gestiegen. Je nach Branche und Kollektivvertrag verdient man in den ersten drei Lehrjahren 900 bis 1500 Euro, im Hochbau bekommt man im vierten Lehrjahr sogar 2866 Euro. Das ist in Ordnung, da wird man fürs Lernen bezahlt.

Mit 19 kommt man dann ins Verdienen. Die Kfz-Innung hat unlängst vorgerechnet, dass ein Kfz-Techniker mit 24 Jahren die unglaubliche Summe von 267.000 Euro verdient hat. Das ergibt sich aus dem Lehrlingseinkommen für dreieinhalb Jahre und fünf Jahren Facharbeitergehalt von mindestens 39.000 Euro im Jahr. Ein Akademiker steigt in dem Alter erst ins Berufsleben ein. Gut ausgebildete Fachkräfte und Handwerker können heute sensationell gut verdienen.

Früher stand der Lehrling ganz unten in der Hierarchie - Stichwort: Wurstsemmeln holen, Werkstatt aufkehren, Anpfiff vom Meister. Heute gibt es Persönlichkeitsbildung und Psychologie auch für die Lehrherren und jede Menge Zuckerl und Gratifikationen für die Jugendlichen. Zugespitzt gefragt: Ist der alte autoritäre Ausbildungsstil heute ins Streicheln gekippt? Nein, das sehe ich nicht so. Die Lehrausbildung wurde in den letzten Jahrzehnten einfach enorm professionalisiert. Man hat dazugelernt, so wie in allen Bereichen Weiterbildung erfolgt ist. Der Wandel ist groß und herausfordernd. Auch die Berufsbilder selbst haben heute andere, viel höhere Ansprüche und Anforderungen. Ich traue mich zu behaupten, dass weit über 95 Prozent unserer Lehrbetriebe für diesen Wandel offen sind.