Schule und KI: "Kritisches Denken bleibt unerlässlich"
Warum Schule künftig mehr auf Kompetenzentwicklung setzen sollte und was künstliche Intelligenz mit alldem zu tun hat.


Radomir Dinić ist Lehrender am Department Creative Technologies an der Fachhochschule Salzburg und seines Zeichens Experte, wenn es um sämtliche Themen rund um künstliche Intelligenz (KI) geht. Von Alltagsanwendungen über Text- und Bildanfertigungen bis hin zur Musikproduktion mittels KI - er weiß Bescheid.
Das vorliegende Magazin dreht sich rund um ausgezeichnete Matura-Abschlussarbeiten: Inwiefern kann künstliche Intelligenz bei einer solchen Arbeit behilflich sein? Radomir Dinić: Künstliche Intelligenz kann dabei helfen, den Schreibprozess effizienter zu gestalten. Etwa durch Gliederungsvorschläge, Textentwürfe oder beim sprachlichen Feinschliff. Sie eignet sich gut als Werkzeug zur Ideenfindung oder um die eigene Argumentation zu überprüfen und um schnelles Feedback zu bekommen.
Und inwiefern sollte KI behilflich sein? Stichwort: Faktencheck. KI kann beim Faktencheck unterstützen, etwa durch Vorschläge für Quellen oder durch das Aufdecken von Widersprüchen. Dennoch gilt: Sie ist kein verlässliches Nachschlagewerk, sondern "nur" ein Sprachmodell. Ihre Aussagen müssen immer eigenhändig durch unabhängige, geprüfte Quellen verifiziert werden.
Die zentrale inhaltliche Leistung muss weiterhin von den Schülerinnen und Schülern selbst kommen. KI kann Fähigkeiten verstärken, aber nicht ersetzen. Kritisches Denken und Hinterfragen bleiben unerlässlich.
Was würden Sie angehenden Maturantinnen und Maturanten raten,die die Idee beschleicht, ob des Stresses die vorwissenschaftliche Arbeit (oder Teile davon) vonder KI verfassen zu lassen? Ich kann nur abraten, die eigene Arbeit vollständig an eine KI auszulagern. Einerseits besteht die Gefahr eines Täuschungsversuchs, da die Eigenleistung nicht mehr klar erkennbar ist. Andererseits wird damit auch die zentrale Lernerfahrung verpasst: selbst zu recherchieren, zu formulieren und sich mit einem Thema kritisch auseinanderzusetzen. Wer KI nutzt, sollte sie als Co-Pilot verstehen, nicht als Ghostwriter.
Welchen Stellenwert nimmt das Thema Plagiat ein, wenn man mithilfe von KI an einer (Seminar-)Arbeit schreibt? KI-generierte Texte sind im klassischen Sinn kein Plagiat, da sie keine Werke anderer kopieren. Problematisch wird es aber dann, wenn die Eigenleistung nicht mehr erkennbar ist. In diesem Fall spricht man von einem Täuschungsversuch. Wichtig ist deshalb Transparenz: Wer KI nutzt, sollte klar angeben, in welchem Umfang und wofür. Das schafft Vertrauen und ermöglicht eine faire Bewertung.
Bei einem Blick auf das Schuljahr: Welche KI-Alltagsanwendungen gibt es, die im Leben einer Schülerin, eines Schülers Sinn ergeben, das Dasein erleichtern - und auch wirklich angewendet werden dürfen? Zahlreiche KI-gestützte Tools können den Schulalltag sinnvoll unterstützen, vorausgesetzt, sie werden gezielt eingesetzt. Rechtschreibhilfen wie Grammarly, Übersetzer wie DeepL oder Lernplattformen mit adaptiven Übungen sind inzwischen weitverbreitet. Auch Tools wie NotebookLM helfen dabei, längere Texte zu strukturieren, effizient zu verstehen und zu lernen. Für mündliche Prüfungen kann ChatGPT mit Voice-Funktion wertvoll sein, um Gesprächssituationen zu simulieren und Prüfungsangst abzubauen. Wer sich mit wissenschaftlicher Literatur beschäftigt, findet in SciSpace ein hilfreiches Werkzeug, um Studien schneller zu verstehen und Quellen gezielt zu analysieren.
Wichtig ist: Nicht alles ist automatisch erlaubt, deshalb sollte im Zweifelsfall immer bei der Lehrperson nachgefragt werden, welche Tools im jeweiligen Kontext zulässig sind.
Wenn es um die Defizite angehender Schulabgängerinnen und Schulabgänger geht, heißt es immer wieder, dass sie sprachlich hinsichtlich Grammatik und Rechtschreibung oft nicht ausreichend gut aufgestellt sind. Lenkt ein Schreiben mit KI oder "Schreiben-lassen" von KI hier nicht in die falsche Richtung? Das hängt stark davon ab, wie KI eingesetzt wird. Wenn sie lediglich dazu dient, Grammatikfehler auszubügeln, ohne dass die Nutzerinnen und Nutzer verstehen, warum etwas falsch ist, kann sie tatsächlich Defizite verursachen. Aber richtig verwendet - etwa indem man sich Korrekturvorschläge erklären lässt oder Übungsaufgaben generiert - kann sie das Lernen sinnvoll unterstützen. Sprachkompetenz muss zuerst aktiv aufgebaut werden, bevor man sich auf KI-Korrekturen verlässt. Sonst wird aus der Hilfe schnell eine Abhängigkeit.
Wie sehen Sie im Allgemeinen die Zukunft von Schule und Lernen, wenn es um die Einbindung von künstlicher Intelligenz geht? Wir stehen am Anfang eines strukturellen Wandels: KI wird nicht einfach "ein weiteres Tool", sondern verändert, wie, was und wozu wir lernen. Reines Faktenwissen verliert an Gewicht, stattdessen gewinnen kreative Problemlösung, kritisches Denken und der reflektierte Umgang mit digitalen Systemen an Bedeutung. Schule sollte künftig weniger auf Kontrolle, sondern stärker auf Kompetenzentwicklung und Prozessbewertung setzen.
Wie lautet Ihre Schlussfolgerung? Künstliche Intelligenz ist ein mächtiges Werkzeug. Aber nur, wenn man weiß, wie man es verantwortungsvoll einsetzt. Die wichtigste Kompetenz für Schülerinnen und Schüler wird sein, kritisch mit KI umzugehen: ihre Möglichkeiten zu nutzen, aber auch ihre Grenzen zu erkennen. Schule sollte genau diese Fähigkeit fördern.