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Veraltetes Schulsystem? Schüler fordern Veränderung und KI im Unterricht

Es braucht neue Fächer, neue Fähigkeiten, überarbeitete Prüfungsmodalitäten und eine aktualisierte Lehrkräfteausbildung. Das besagt der aktuelle GoStudent-Bericht zur Zukunft der Bildung.

Lehrkräfte, Schülerinnen, Schüler und künstliche Intelligenz (Englisch: AI): „Dream-Team“ in heimischen Klassenzimmern?
Lehrkräfte, Schülerinnen, Schüler und künstliche Intelligenz (Englisch: AI): „Dream-Team“ in heimischen Klassenzimmern?

Künstliche Intelligenz hat unsere Welt völlig verändert. Dennoch funktioniert Schule wie vor über einem Jahrhundert", sagt Felix Ohswald, CEO von GoStudent. Das österreichische Edtech-Unternehmen hörte sich für seinen jüngst veröffentlichten Bericht unter 12.000 Befragten in sechs europäischen Ländern um - eruiert wurde die Meinung von Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften zum Status quo in Bezug auf die Schule und zur Zukunft der Bildung. Auch wenn die Meinungen in bestimmten Bereichen von Land zu Land differieren - eine Botschaft bleibt dennoch zentral: "Es ist höchste Zeit für Veränderung in Sachen Schule und Bildung."

Was heißt das nun in der Praxis? "Wollen wir Schülerinnen und Schüler erfolgreich auf die Zukunft vorbereiten, brauchen wir ein KI-Ära-Upgrade für unser Bildungssystem", ist Ohswald überzeugt. Quer durch alle Altersgruppen herrschte Einigkeit, wenn es um die Zukunft der Bildung geht, wie der GoStudent-CEO ausführt: "Kommunikation und kritisches Denken statt reinen Faktenwissens, realitätsnahe Prüfungsszenarien und weitreichende digitale Kompetenz sollen die Weichen stellen für die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt der Zukunft."

Österreichisches Schulsystem ist nicht mehr zeitgemäß

Dass das heute noch vorherrschende Schulsystem in seinem Ablauf nicht mehr zeitgemäß ist, die Einteilung in Stunden samt Pausen aus der Zeit Maria Theresias und der damals praktizierten Militärpädagogik stammt, ist keine bahnbrechende Neuigkeit mehr. Daher verwundert es den einen oder die andere vermutlich nicht, dass die Befragten der Meinung waren, dass auch die Prüfungen in der heutigen Form nicht mehr zeitgemäß sind. Es wird zudem dafür plädiert, dass Cybersicherheit und künstliche Intelligenz (KI) zentrale Unterrichtsthemen werden sollen.

In den Einsatz von KI wird allgemein große Hoffnung gesetzt, wenn es um die Zukunft des Schulunterrichts geht: Lehrkräfte sollen dabei aber nicht ersetzt werden, sondern gemeinsam mit künstlicher Intelligenz ein "Dream-Team" im Klassenzimmer bilden - so die (Wunsch-)Vorstellungen der Befragten. Soziale Fähigkeiten gewinnen überdies ebenso an Bedeutung.

Schule bereitet nicht auf das Leben vor

Schenkt man der Umfrage Glauben, ist es mit dem viel zitierten "Ernst des Lebens" in der Schule doch nicht so weit hergeholt wie vielleicht gemeint - zumindest aus Sicht des Nachwuchses. Denn: 64 Prozent der österreichischen Schülerinnen und Schüler finden, dass die Schule sie nicht auf das Leben vorbereitet. 46 Prozent hätten gerne mehr Unterstützung auf dem Weg zum passenden Beruf. Dabei glaubt mehr als die Hälfte der europäischen Lernenden, dass ihnen die Fähigkeiten, die sie für ihren künftigen Traumjob brauchen, in der Schule nicht vermittelt werden. Fest steht dabei für viele der Befragten, dass ihr zukünftiges Berufsleben direkten Bezug zur Technologie haben wird.

KI hilft beim Schummeln

Ja, Europas Schülerinnen und Schüler haben künstliche Intelligenz schon länger für sich entdeckt und bedienen sich gerne an den (kurzfristigen) Vorteilen, die diese bieten kann. Knapp ein Viertel der österreichischen Lernenden verwendet KI zum Schummeln bei Prüfungen, weitere 22 Prozent lassen ChatGPT und Co. Aufsätze für sich schreiben - neue Spitzenwerte in Europa.

Die (quasi dazugehörigen) Eltern fragen sich daher, wie es um die Sinnhaftigkeit von Leistungsprüfungen in der vorherrschenden Form bestellt ist: Neue Bewertungsmethoden stellen für die Hälfte der Erziehungsberechtigten die Lösung des Problems dar. Simulationsbasierte Prüfungen stehen hier für Lehrerinnen und Lehrer als Alternative zu herkömmlichen Tests hoch im Kurs. "Dabei befinden sich Schülerinnen und Schüler in einem simulierten Szenario, in dem sie unter Berücksichtigung von Entscheidungsfindung und kritischem Denken bewertet werden", heißt es vonseiten der Bildungsplattform GoStudent.

Wunsch nach neuen Unterrichtsfächern: Cybersicherheit, KI und Soft Skills

Mathematik gilt als überholt, Informatik ebenso. Als nicht mehr zeitgemäß werden zudem alte Sprachen wie Latein angesehen. Das finden zumindest die befragten Eltern. 35 Prozent der österreichischen Erziehungsberechtigten würden lieber Cybersicherheit auf dem Stundenplan sehen. Dieser Bereich kristallisierte sich europaweit, bei Lehrpersonal wie Eltern, als Schlüsselthema heraus. Jeder dritte Jugendliche wünscht sich künstliche Intelligenz als Unterrichtsfach.

Neben den ganzen technologischen Entwicklungen, die Lehrkräfte, Lernende wie auch die Eltern beschäftigen, ist man dennoch auch davon überzeugt, dass psychosoziale Fähigkeiten weiter wichtig bleiben werden: Knapp zwei Drittel der europäischen wie auch österreichischen Eltern sind der Meinung, dass Soft Skills, wie Kommunikationsfähigkeit und kritisches Denken, in einer KI-zentrierten Arbeitswelt an Bedeutung zunehmen werden.

Schülerinnen und Schüler sehen "Probleme lösen" und "Teamworkfähig sein" an oberster Stelle, wenn es um die Top-Soft Skills der Zukunft geht. Stressbewältigung ist ebenso ein zentrales Thema.

Keine Zukunft ohne Personalisierung

Künstliche Intelligenz soll in Zukunft den lehrergeführten Unterricht komplementieren - vor allem, wenn es um Administrationsarbeiten und die Vorbereitung für den Unterricht geht. Dadurch hätten Lehrkräfte mehr Zeit für die Lernenden und diese wiederum könnten schneller Lernfortschritte erzielen. Ohswald: "Die vorliegenden Zahlen sind ein weiterer Beleg dafür, dass KI-unterstützte Lehrkräfte den Weg in eine gute Zukunft optimal ebnen."

Obwohl 95 Prozent der Eltern finden, dass KI künftig eine Rolle für eine bessere Personalisierung der Bildung spielen kann, wird auch davon ausgegangen, dass die Empathie des Lehrpersonals weiterhin als "das Um und Auf" gebraucht wird. Lediglich jeder zehnte Befragte denkt tatsächlich, dass künstliche Intelligenz in Zukunft Lehrerinnen und Lehrer ersetzen wird. "Die Hälfte der befragten Eltern meint hingegen, dass Lehrkraft und KI das perfekte Paar im Klassenzimmer abgeben", heißt es im Zukunftsbericht. "Wir sind überzeugt, dass Technologie eine wesentliche Rolle bei der Bewältigung des Lehrermangels spielt", sagt GoStudent-Mitbegründer Gregor Müller: "Die Bereitstellung von Technologie für Lehrkräfte hilft ihnen, effektiven, personalisierten Unterricht zu gestalten und große Klassen zu bewältigen."

Roboter im Unterricht

Die Meinungen darüber, ob KI als grundlegende Ressource im Klassenzimmer genutzt werden sollte, wie viele Lehrkräfte fordern, gehen europaweit auseinander. 70 Prozent des Lehrpersonals in Großbritannien stimmen dem zu, während daran in Österreich nur 38 Prozent glauben. Hierzulande haben Kinder im Europavergleich am wenigsten Zugang zu KI-Werkzeugen und die Lehrenden können am wenigsten Schulungen rund um künstliche Intelligenz vorweisen. Die Lernenden jedenfalls hätten gerne, dass ihre Lehrerinnen und Lehrer über mehr KI-Wissen verfügen.

Vier von zehn Schülerinnen und Schüler denken zudem, dass intelligente Roboter und KI in den nächsten fünf Jahren normale Bestandteile in den Klassenzimmern sein werden. Fest steht für alle Befragten: Die Schulen sind für die Wissensvermittlung in Bezug auf KI und Co. zuständig.