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Veggie-Kochlehre in Österreich: steigendes Interesse an pflanzlicher Ernährung

Am 1. Juli startet die Ausbildung zur Fachkraft für vegetarische Kulinarik - noch ist das Interesse verhalten.

Ausbildungsplätze wird es im Tian in Wien geben: Paul Ivić, einziger Veggie-Sternekoch der Nation, erhält dort bereits Anfragen.
Ausbildungsplätze wird es im Tian in Wien geben: Paul Ivić, einziger Veggie-Sternekoch der Nation, erhält dort bereits Anfragen.

Koch oder Köchin werden - laut AMS rangiert dieser Beruf unter den am häufigsten erlernten Lehrberufen. Dennoch ist die absolute Zahl der Lehrlinge stark zurückgegangen. Waren es 2015 in ganz Österreich noch 4800 Lehrlinge pro Jahr, so sind es aktuell nur mehr etwa 3800. Ungewöhnliche Arbeitszeiten und schwierige Arbeitsbedingungen, aber auch die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten spielen eine Rolle. So zum Beispiel die zunehmende Entwicklung hin zu pflanzenbasierter Ernährung.

Veggie-Betriebe dürfen erstmals Lehrlinge ausbilden

Die Zahl der Österreicher und Österreicherinnen, die sich vegan oder vegetarisch ernähren, steigt, der Fleischverbrauch pro Kopf ist in den vergangenen Jahren um rund 11 Kilo gesunken. Köche und Köchinnen werden in der heimischen Gastronomie händeringend gesucht - doch wer sich rein pflanzlich ernährt, möchte in der Küche nicht unbedingt Fleisch zubereiten oder es gar kosten müssen. Die vegetarisch-vegane Kochlehre soll als Rezept gegen den Fachkräftemangel in den heimischen Küchen helfen. Veggie-Betriebe dürfen nun ab Sommer 2025 erstmals Lehrlinge ausbilden. Vor zehn Jahren musste Julia Ulrich in ihrem Green Garden in der Alten Nonntaler Hauptstraße noch dafür kämpfen. Erst in Kooperation mit dem Restaurant und Hotelbetrieb Gmachl wurde es möglich. Der Deal: 42 Wochen lang sollte die Auszubildende im Gmachl mit Fleisch und Fisch kochen, die restliche Zeit kann im vegetarischen Lokal verbracht werden. Rückblickend sagt Ulrich, dass sie sich viel mehr Zeit mit ihrem Lehrling in ihrem Betrieb gewünscht hätte, um gut arbeiten zu können. Deshalb freue sie sich, dass die vegetarisch-vegane Kochlehre jetzt für Lokale möglich ist, die rein pflanzlich kochen. Doch auch für Gastronomen, die alle Geschmäcker bedienen, kann eine vegan-vegetarische Ausbildung eine Bereicherung sein, ist Ulrich überzeugt. Die Zeiten, in denen man mit gebackenen Champignons oder Käsespätzle als fleischloser Alternative begeistern konnte, sind längst vorbei.

"Die Gastronomie sollte ein bisschen offener und flexibler werden.""
Anna Buchsteiner,
Seitenalm

Anna Buchsteiner, die das Familienhotel Seitenalm in Radstadt führt, sieht das genauso: "Ich mag selber kein Fleisch angreifen und kann das deshalb gut nachvollziehen. In den Küchen wird es generell ein Umdenken geben müssen, die Gastronomie sollte ein bisschen offener und flexibler werden." Zwölf Mitarbeitende beschäftigt Buchsteiner in ihrer Küche. Wenn das Hotel voll ist, werden bis zu 220 Gäste kulinarisch versorgt. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir bald eine Lehrstelle für die vegetarische Fachkraft ausschreiben."

Chefkoch diskutiert pflanzliche Ausbildungsmöglichkeiten

Obwohl er die pflanzliche Küche liebt, sieht das Chefkoch Günther Grahammer vom Goldenen Hirsch in der Salzburger Getreidegasse anders: "Wir haben viele vegetarische und vegane Gerichte auf der Karte, aber ich fürchte, wir können keine drei Jahre Lehrzeit mit rein pflanzlichen Themen füllen." Zudem fände er es schade, wenn das viele Wissen, das es im Goldenen Hirsch gibt, gar nicht weitervermittelt werden könne, weil Fleisch im Spiel sei: "Ich glaube, dass diese Ausbildung eher etwas für die Erwachsenenlehre ist und als Ausbildungsplatz ein rein vegetarischer oder veganer Betrieb am besten geeignet wäre."

Veggie-Sternekoch Paul Ivić bietet im Tian Veggie-Ausbildungsplätze an

Ein solcher Ausbildungsplatz ist das Tian in Wien. Paul Ivić, der erste und einzige Veggie-Sternekoch der Nation, erhält dort bereits Anfragen. Bald wird er vier bis fünf Kandidaten und Kandidatinnen zum Probearbeiten einladen. Eine Lehrstelle pro Jahr vergibt Ivić im Tian, dem einzigen vegetarischen Restaurant in Österreich mit einem Michelin-Stern, einem Grünen Stern sowie vier Hauben von "Gault-Millau": "Solange wir nur an Gulasch und Schnitzel denken, wird sich nichts verändern. In jeder Branche gibt es Experten, warum nicht auch in der veganen und vegetarischen Küche?" Die Interessenten sind zwischen 18 und 24 Jahre alt, ein Alter, das der Tiroler mit kroatischen Wurzeln am allerbesten findet: "Mit 15 weiß man noch gar nicht so genau, was man will. Für ältere Lehrlinge ist ein vegetarisch-veganer Lebensstil bereits zur Überzeugung geworden."

So gut wie keine Lehrstellenangebote für vegetarische Kulinarik in Salzburg

Auch Grahammer empfiehlt ganz jungen Berufsanwärtern und -anwärterinnen, sich zunächst auszuprobieren und ruhig mit der ganzen Palette der Kulinarik in Berührung zu kommen: "Sie sollen wissen, wie Fleisch schmeckt, auch wenn sie es nachher ausspucken, das macht ja nichts." Sinnvoll fände Grahammer eine Art Austauschjahr unter Lehrlingen, um über den eigenen Tellerrand zu schauen: "Für eine begrenzte Zeit würde ich gern einen Lehrling von einem vegetarischen oder veganen Lokal zu mir holen und umgekehrt meinen Auszubildenden dorthin schicken."

Laut einer aktuellen Untersuchung von Holidu soll es in Österreich etwa 141 vegetarische und vegane Gastronomiebetriebe geben; 112 davon allein in Wien, 11 Betriebe befinden sich in Salzburg.

Dass Lehrstellenangebote für vegetarische Kulinarik in Salzburg bisher so gut wie noch nicht vorhanden sind, wundert Wirtschaftskammer-Kommerzialrat und Gastronom Ernst Pühringer nicht: "Es ist noch zu früh, die Details zur Beschulung sind nicht fertig ausgearbeitet. Ich hoffe auf ein entsprechendes Bildungsangebot nicht nur in Wien, sondern auch in Westösterreich."

Tourismusschule Klessheim bietet vegan-vegetarische Zusatzausbildung

Wer statt einer Lehre die Tourismusschule Klessheim besucht, kann sich dort ein vegan-vegetarisches Zertifikat holen: im Rahmen einer Zusatzausbildung. Klessheim nimmt damit österreichweit eine Vorreiterrolle ein.