Das belegt eine Gallup-Studie in Deutschland. Manuela Wenger ist die "Wertschätzerin" und weiß, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben darf.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass 81 Prozent der Führungskräfte denken, Mitarbeitende ausreichend wertzuschätzen. Doch 67 Prozent von ihnen empfinden das anders. Woher die unterschiedliche Wahrnehmung? Manuela Wenger: Wir Menschen reden viel aneinander vorbei. Während die Chefin, der Chef sagt: "Das hast du gut gemacht!", klagen Mitarbeitende: "Loben könntest du mich auch wieder einmal!" Jede und jeder versteht unter Wertschätzung etwas anderes. Darum braucht es ein gleiches Verständnis dazu.
Meine Erfahrung: Die, die Wertschätzung am lautesten einfordern, liefern sie selbst nicht ab. Ein Zufall? Wertschätzung muss im Kreislauf funktionieren und in alle Himmelsrichtungen. Ein Um und Auf ist, den Wunsch und das Bedürfnis nach Wertschätzung zu artikulieren, denn dem Gegenüber ist vielleicht gar nicht klar, was fehlt. Dazu gibt es hie und da echte "Wertschätzungsmimosen", die quasi jeden Tag Anerkennung brauchen, weil sie ein Thema mit ihrem Selbstwert haben. Sie zu heilen ist nicht Aufgabe von Führungskräften. Sehr wohl dürfen Leaderinnen und Leader gut auf die junge Generation achten, denn für sie sind Feedback, Wertschätzung und Anerkennung zentrale Werte in der Zusammenarbeit. Wer ihnen nach dem Motto "Nicht g'schimpft ist g'lobt genug" begegnet, setzt damit nicht auf die Bindung der Mitarbeitenden.
Was hat Wertschätzung mit Loyalität zu tun? Loyalität ist die Conclusio der Wertschätzung. Wenn ich meine Haltung Mitarbeitenden gegenüber authentisch und ehrlich lebe, habe ich ein loyales Team, das sich nicht bei der ersten Gelegenheit beim Nachbarunternehmen bewirbt. Leider werden manchmal Menschen in die Führung geschoben, die nicht das empathische Rüstzeug dafür mitbringen. Doch wer Wertschätzung lebt, bekommt Mitarbeitende, die mit der Führungskraft durchs Feuer gehen. Daher bin ich dafür, dass Wertschätzung eine Zeile in der Bilanz bekommt, denn sie kann Fluktuations- und andere Kosten senken.
Lässt sich Wertschätzung erlernen? Nun, in meinen Seminaren und Workshops sitzen oft die Menschen, die Wertschätzungswissen am wenigsten brauchen, da sie bereits sensibel auf das Thema sind. Für mich ist Wertschätzung ein Grundbedürfnis des Menschen, sie beginnt im Kinderwagen. So, wie ich sie von Kindesbeinen an mitbekomme, gebe ich sie weiter. Wertschätzung muss man erlebt und gefühlt haben. Ein hart erzogenes Kind wird später wohl hart führen. Ich habe mein Wertschätzungsticket von meinen Eltern mitbekommen. Sie hatten einen Greißlerladen in Schwanenstadt und ich war von klein auf im Geschäft mit dabei. Das A und O war zu grüßen, freundlich zu bedienen, Wünsche von den Augen abzulesen. Und wenn wir am Sonntag spazieren waren und meine Mama meine Hand gedrückt hat, war das mein Zeichen, die entgegenkommende Person höflich zu grüßen. Sie könnte ja die Kundschaft von morgen sein.
Schlägt die große Stunde der Wertschätzung, wenn es im Unternehmen einmal nicht gut läuft? Ja, gerade dann ist sie gefragt. Sie ist kein feuchter Händedruck, keine Flasche Wein und auch kein Kuschelkurs. Sie leitet uns durch einen guten Umgang mit Fehlern. Wir brauchen sie speziell dann, wenn wir in Kritiksituationen kommen.
Wie kritisieren wir wertschätzend? Ganz neutral festgestellt: Kritik ist in erster Linie einmal eine Rückmeldung. Sie gibt uns die Möglichkeit, zu wachsen, besser zu werden und zu erkennen, was wir gut machen. Fehler lassen sich wunderbar als Chancen begreifen. Denn nur wer Fehler machen darf, hat den Mut, Neues auszuprobieren. Genau da entsteht Wachstum.
Wertschätzung braucht Zeit. Die haben gestresste Führungskräfte prinzipiell nicht. Warum sollten genau sie sich diese Momente gönnen? Für mich geht Wertschätzung auch ohne allzu großes Zeitnehmen. Freundlich zu sein braucht genauso lang oder kurz, wie unfreundlich zu sein. Auseinandersetzung und Kennenlernen benötigen schon etwas mehr Zeit. Wer zuhören oder hinhören will, darf etwas Aufwand betreiben. Kleiner Tipp: Wer sich Namen merkt, ist im Vorteil. Nichts hören Menschen lieber als den eigenen Namen.
Wertschätzung möchte sich jedes Unternehmen auf die Fahnen heften, gerade im Kampf um junge Mitarbeitende. Wo beginnt man, wenn sie - noch - kein zentraler Wert ist? Alles startet bei der Führungskraft, sie legt das Fundament. Viele Unternehmen verwenden Wertschätzung als ihren zentralen Wert und schreiben diesen auch in ihre Stelleninserate. Doch nicht überall wird dies auch als gelebt wahrgenommen. Gerade die junge Generation ist sehr konsequent und wird das Unternehmen schnell verlassen, wenn sie den gewünschten Wert nicht vorfindet.