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Chef, ich bin dann mal weg! - Gen Z im Job: Zeit für einen Kulturwandel in der Arbeitswelt?

Unternehmen klagen über überstürzte Kündigungen, viele Krankenstände und die Arbeitsmoral junger Leute. Doch steckt hinter dem Verhalten nicht vielmehr der Ruf nach einem Kulturwandel?

Gerade die jungen Menschen der Gen Z neigen dazu, sich zu entziehen, wenn am Arbeitsplatz die Anerkennung fehlt: durch Kündigung, Krankenstand.
Gerade die jungen Menschen der Gen Z neigen dazu, sich zu entziehen, wenn am Arbeitsplatz die Anerkennung fehlt: durch Kündigung, Krankenstand.

Die junge Generation sei so anders, schwierig, nehme sich viel heraus, so der Tenor der Gespräche, die Wirtschaftsmediatorin Susanne Nickel zur Recherche für ihr aktuelles Buch führte. Wie man die Gen Z, also die unter 30-Jährigen, heute im Arbeitsalltag abholt, erklärt die Tegernseerin im Gespräch mit den SN.

Die Zahl der Krankenstandstage ist hierzulande deutlich höher als im europäischen Schnitt. Was können wir von anderen Nationen lernen? Susanne Nickel: Gerade Kurzzeitkrankenstände haben viel mit Motivation zu tun: Wenn ich einen Job habe, in dem ich nicht wirklich happy bin, mich nicht wertgeschätzt fühle, dann kommt mir kleines Kratzen im Hals gerade recht. Da ist der Leistungsgedanke in anderen Ländern ausgeprägter. Um bei uns einen Kulturwandel anzuzetteln, brauche ich flexible Arbeitsmodelle, einen Chef, der mich auch einmal im Homeoffice arbeiten lässt, wenn ich ein wenig angeschlagen bin. Dafür müssen beide Seiten ehrlich in den Austausch gehen.

Sinkende Motivation, zunehmender Krankenstand: Was heißt das für die Wirtschaft? Arbeitgeber sind daran interessiert, den Krankenstand niedrig zu halten, da sonst Probleme auftreten können, etwa wenn es darum geht, die gesetzten Ziele zu erreichen. Wichtig ist herauszufinden, warum Menschen der Arbeit fernbleiben. Wir wissen aus vielen Studien, dass die Motivation geringer ausfällt, wenn Menschen sich nicht wertgeschätzt fühlen. Das kann sich auch negativ auf den Krankenstand auswirken. Gerade die Gen Z neigt dazu, sich zu entziehen, wenn die Anerkennung fehlt. Babyboomer sind oftmals der Führungskraft wie die Lemminge gefolgt, die Jungen wollen mitreden und agil und kokreativ arbeiten.

Woher kommt dieses Anspruchsdenken? Kinder sind zuallererst einmal das Produkt ihrer Eltern: Die Gen X ist eher eine angepasste Generation und auch die Boomer sind oft über ihre Grenzen gegangen, ohne die erhoffte Wertschätzung zu erhalten. All dies haben junge Menschen genau beobachtet und sagen jetzt: So will ich nicht arbeiten. Außerdem sind viele Angehörige der Gen Z weitgehend im Wohlstand aufgewachsen, vielfach wird sie auch als "gesättigte" Generation bezeichnet. Gleichzeitig ist es heute viel schwerer, Eigentum zu erwerben, daneben stellt sich für viele junge Menschen die Frage, ob sie überhaupt noch eine Rente erhalten. Aufgrund des Fachkräftemangels ist die Gen Z Mangelware und hat häufig die Möglichkeit, sich den Job auszusuchen. Angebot und Nachfrage führen zu einem gewissen Anspruchsdenken. Man kann sich auch fragen, ob es sich um eine Retourkutsche handelt, wenn junge Menschen Jobghosting betreiben. Viele Unternehmen haben das jahrelang praktiziert. Mein Fazit: Die Gen Z hält uns hier einfach den Spiegel vor.

"Führung, die emotional abholt, gibt es zu selten."
Susanne Nickel
Unternehmensberaterin und Autorin

Wie viel Verantwortung tragen Betriebe, wenn Mitarbeiter schnell überfordert oder demotiviert sind? Immer schneller, immer weiter - das hat uns dazu gebracht, viele Ziele zu erreichen. Aber seit der Coronapandemie fühlen sich viele Mitarbeiter permanent überfordert. Ein Führen allein nach Zahlen, Daten, Fakten hat heute ausgedient. Nur wenn das Unternehmen zukunftsfähig ist, Menschen auch emotional abgeholt werden, gehen die Leute die Extrameile. Dafür braucht es eine neue, inspirierende Führung - ich nenne das EmotionalLeadership.

Wie sieht ein Führungsstil aus, der sowohl Leistung als auch Bedürfnisse der Mitarbeiter im Blick hat? Wenn Führung in einem Mitarbeitergespräch pro Jahr besteht, kann man es gleich sein lassen. In der heutigen Zeit ist es wichtig, dass Mitarbeiter Feedback bekommen, und zwar engmaschig. Da gibt es keine Lösung, die auf jeden passt: Man muss seine Leute gut kennen, um das Bestmögliche aus ihnen herauszuholen - und im Sinne der Fürsorgepflicht auch im Blick haben, wo jemand über seine Grenzen geht. Was dagegen leider noch weitverbreitet, aber sehr ungünstig ist: dass Führungskräfte nicht delegieren und alles selbst erledigen. Das A und O ist zu wissen, wie man seine Leute stärkt und fördert - und wo man loslassen kann.

Was müsste sich konkret ändern, damit Arbeit wieder als sinnvoll und erfüllend wahrgenommen wird? Auf der einen Seite kann man sich beklagen, wo das Anspruchsdenken der Gen Z noch hinführen soll. Auf der anderen Seite stoßen die Forderungen der Jungen im besten Falle einen Kulturwandel an: hin zu mehr Wertschätzung - nicht nur der Leistung, sondern des Menschen -, hin zu mehr Selbstfürsorge, hin zu den Fragen: Was macht mich aus, was sind meine Stärken, welchen Beitrag kann ich leisten? Der Leistungsgedanke und das Miteinander dürfen dabei nicht auf der Strecke bleiben. Dann können alle Generationen von der Gen Z profitieren.

<Schriftwechsel14>Buchtipp: „Verzogen, verweichlicht, verletzt. Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt“. Susanne Nickel. FBV.</Schriftwechsel14>
<Schriftwechsel14>Buchtipp: „Verzogen, verweichlicht, verletzt. Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt“. Susanne Nickel. FBV.</Schriftwechsel14>