Vorträge, Interviews und der erfolgreiche Batterie-Podcast "Geladen": "Akku-Papst" Maximilian Fichtner versucht das Thema Energiewende einem größeren Publikum verständlich zu erklären. Auch im SN-Gespräch nimmt sich der Professor an der Universität Ulm kein Blatt vor den Mund.
Herr Professor Fichtner, die E-Mobilität steht aktuell ziemlich unter Beschuss. Wie beurteilen Sie die Lage? Maximilian Fichtner: Es gibt international kein einheitliches Bild. Denn die aktuelle Talsohle bei den Zulassungen ist überwiegend ein deutsches Phänomen, das sich auch auf Österreich auswirkt. In vielen Ländern, etwa in Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Belgien usw., gibt es nach wie vor starke Zuwächse bei E-Autos. Im Leitmarkt China sind 55 Prozent der Neuzulassungen elektrifiziert. Wenn man das weiter extrapoliert, steht man dort 2028 bei 95 Prozent elektrischer Neuzulassungen.
Soll das heißen, das schlechte Image der E-Autos ist im Grunde ein hausgemachtes Problem? Es wird in der Öffentlichkeit oft so dargestellt, als habe sich die Politik da irgendwas Verrücktes ausgedacht, um den Menschen ihre Heizungen und ihre Autos wegzunehmen. Tatsächlich war es so, dass die Autohersteller schon vorher ihre Roadmaps gemacht hatten, wann sie aus dem Verbrennermotor ausgestiegen sein wollten, die meisten eben bis 2035. Und das aus gutem Grund. Denn was die Unternehmen am meisten brauchen, ist Planungssicherheit. Doch dann kam eine neue Koalition in Deutschland, wo vor allem ein Partner diese klare Regelung wieder infrage gestellt hat. Und auch die Opposition versucht seither die Menschen mit Trump-Methoden zu verunsichern. Und plötzlich wurde das Wort Verbrennerverbot ein politisierter Kampfbegriff. Der Schaden für die Hersteller und die Volkswirtschaft ist also nicht durch die geplante Regelung entstanden, sondern durch den Versuch, die Entscheidung mit Gewalt zurückzudrehen.
Was denken Sie über den grassierenden Begriff der Technologieoffenheit? Der Begriff Technologieoffenheit ist zuletzt vor allem von jenen instrumentalisiert worden, denen der technologische Fortschritt zu schnell geht. Natürlich kann man nun sagen, wer heute noch unbedingt am Verbrenner festhalten möchte, der kann das gerne tun. Es ist bis zu einem gewissen Grad ja sogar verständlich, weil man damit aktuell noch mehr Geld verdient. Ich finde nur: In Zeiten eines radikalen Wandels, dessen Richtung noch dazu offensichtlich und unumkehrbar ist, weiterhin auf mehrere Pferde zu setzen ist keine Technologieoffenheit, sondern ein klarer Managementfehler. Investitionen werden dann größtenteils zu "Stranded Assets", also verlorenem Kapital. In China hat man diese Erkenntnis schon lange gehabt und die Politik der Technologieoffenheit durch Technologiesicherheit ersetzt. Dort hat man rund 100 Unternehmen massiv gefördert, von denen mittlerweile 90 kaputtgegangen sind. Aber die verbleibenden zehn Firmen sind heute die Weltmarktführer.
Könnten E-Fuels langfristig eine Alternative zur E-Mobilität werden? Die Internationale Energieagentur hat kürzlich eine Studie herausgebracht, die alle geplanten Projekte weltweit zu synthetischen Treibstoffen zusammengetragen hat, die bis 2035 geplant sind. Unterm Strich kam man dabei auf die Zahl von 45 Terawattstunden an Energie. Im Vergleich zur gegenwärtigen Erdölproduktion ist das gerade einmal ein Tausendstel. Dazu kommt, dass der Studie zufolge bisher nur rund zwei Prozent dieser Vorhaben durch Investments finanziell gedeckt sind. Im Umkehrschluss sind 98 Prozent bis dato nicht finanziert. Grob gerechnet könnte nach aktuellem Stand bis 2035 gerade einmal ein Hunderttausendstel der aktuellen Ölförderung durch E-Fuels ersetzt werden. Auf Deutschland umgelegt könnte man damit lediglich acht Prozent des Pkw-Spritverbrauchs ersetzen - aber nur, wenn 100 Prozent der globalen E-Fuel-Produktion ausschließlich den deutschen Autofahrern zugutekommen würden.
