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Neues Wohnkonzept in Altenmarkt: Tourismus fördert nachhaltige Architektur

LP architektur baut viel in Altenmarkt. Wie verändert der Tourismus das Wohnen für die Einheimischen in Ferienregionen?Gernot Stadler

Zwei Objekte sind in den Obergeschoßen durch Brücken und Laubengänge verbunden.
Zwei Objekte sind in den Obergeschoßen durch Brücken und Laubengänge verbunden.

Mit 155 Millionen Nächtigungen konnte der österreichische Tourismus 2024 erstmals das Vorcoronaniveau überflügeln. 39 Prozent der Gesamtinvestitionen im Tourismus fließen laut Wirtschaftskammer in Baumeisterarbeiten für Hotels, Apartments und Chalets. LP architektur richtet seine Projekte an ortsprägenden Formen aus und plante viel beachtete öffentliche Bauwerke und Hotelbauten wie etwa für das Hirschengrün in Salzburg oder das Großarler Moar Gut sowie einige Wohnbauten in den Gebirgsgauen.

Tourismus steigert Lebensqualität und Infrastruktur

Der Tourismus bringt Tourismusgemeinden wie Altenmarkt mehr Infrastruktur und Lebensqualität und sorgt für einen großen Zuzug. So wird der geförderte Wohnbau auch hier immer stärker zu einem Thema für die Architektur.

Die Wohnanlage Wiesenweg liegt auf einem 4000 Quadratmeter großen Grundstück neben dem Lohbach am östlichen Ortsrand Altenmarkts. Die vier Baukörper der Wohnanlage beherbergen 40 Wohneinheiten, 29 davon in Miete. Der Rest der Wiese auf dieser Straßenseite ist bislang unbebaut. Hier könnten noch weitere Mehrparteienhäuser folgen.

"Das private Häuschen wird auch in Zukunft der Traum für die Menschen auf dem Land bleiben", sagt Tom Lechner, Geschäftsführer LP architektur, mit Blick auf die gegenüberliegende Straßenseite, die ausschließlich Einfamilienhäuser säumen. "Das ist wahrscheinlich in unserer DNA implementiert. Aber mittlerweile wurden auch schon viele frühere Einfamilienhäuser in Mehrgenerationen- oder Mehrparteienhäuser umgebaut. Und durch die hohen Grundstücks- und Baukosten gewinnt natürlich der verdichtete Wohnbau auch bei uns in Altenmarkt immer mehr an Bedeutung."

Wohnanlage Wiesenweg in Altenmarkt: Ortstypische Satteldächer und vertikal verschalte Holzfassaden

Die Wohnanlage Wiesenweg wurde 2022 als Ziegelbau mit integrierter Dämmung und hinterlüfteten Holzfassaden fertiggestellt. Auf diese Art konnte der sonst übliche Vollwärmeschutz zur Gänze entfallen, erzählt Tom Lechner: "Gerne hätten wir auch bei diesem Projekt einen konstruktiven Holzbau errichtet. Aufgrund der vielen normierten Vorgaben bei einem geförderten Wohnbau ist dieser leider den Kosten zum Opfer gefallen." Durch das Erscheinungsbild mit ortstypischen Satteldächern und die durchgängig vertikal verschalten Holzfassaden fügen sich die Wohnbauten trotzdem gut in die ländliche Umgebung ein.

Wohnbauprojekte, deren oberstes Ziel die Gewinnmaximierung ist, übernimmt Tom Lechner mit seinem Architekturbüro nicht: "Uns allen ist klar, dass ein Projekt wirtschaftlich sinnvoll darstellbar sein muss. Wenn unser Gegenüber aber mit uns nicht in einen Diskurs gehen will, sondern uns nur als reine Dienstleister sieht, haben wir wenig Verständnis. Wir als Architekten können für jedes Projekt einen Mehrwert erzielen."

"Wir haben versucht, ein soziales Miteinander zu generieren."
Tom Lechner
LP architektur

Für Tom Lechner stellte sich auch bei der Wohnanlage Wiesenweg in Altenmarkt die Frage nach dem Mehrwert. "Hier haben wir deshalb versucht, ein soziales Miteinander zu generieren und anonyme Erschließungen aufzubrechen." Drei der vier lang gezogenen Baukörper wurden versetzt angeordnet, um den Bewohnern Sichtachsen in die Landschaft zu eröffnen. Der vierte Baukörper mit Eigentumswohnungen steht quer dazu. Wege zwischen den Häusern, Stiegenhäuser und Gänge wurden bewusst offen als Begegnungszonen angelegt. Dadurch entstand eine Art Dorfplatz, eine "soziale Mitte", auf der sich die Bewohner ungezwungen treffen können.

Wohnkonzept optimiert Privatsphäre und Licht

"Das Wesentliche ist, wie die Baukörper zueinander stehen und wie man sowohl ein Miteinander als auch die Privatsphäre der Bewohner gewährleisten kann", sagt Tom Lechner. Bei allen drei geförderten Wohnblöcken wurden die Wohnungen "durchgesteckt", sie erstrecken sich quer durch das gesamte Gebäude. Richtung Westen öffnen sich die Wohnbereiche zu großen Balkonen, was für viel Tageslicht und Privatsphäre sorgt. Die Zugänge liegen auf der Ostseite. Dadurch haben die Wohnungen Licht von zumindest zwei Seiten und können an heißen Tagen gut quer durchgelüftet werden.

Offene Stiegenhäuser zwischen den Wohnungen

Das offene und nur durch Holzverblendungen begrenzte Stiegenhaus.
Das offene und nur durch Holzverblendungen begrenzte Stiegenhaus.

Anstelle der geschlossenen, anonymen Gänge zwischen den Wohnungen wurden offene Lauben gewählt. Zwei der Gebäude haben ein gemeinsames offenes Stiegenhaus und sind über Brücken miteinander verbunden.

"Offene Bereiche provozieren oft Diskussionen bei den Auftraggebern, wegen Sicherheitsbedenken, etwa weil es auf den offenen Gang schneien und jemand stürzen könnte. Für mich als Architekt ist dagegen unverständlich, warum man mit dem Worst Case im Hinterkopf vorhandene Potenziale eines Neubaus einfach nicht nutzt. Wir haben das dann so gelöst, dass man den Bereich, wenn gewollt, auch nachträglich mit Glas verschließen könnte. Erfreulicherweise wurde der Wunsch bisher nicht geäußert."

Wohnbaukonzept stärkt soziales Miteinander

Mit dem Altenmarkter Wohnbaukonzept in erweiterter Form gewann Tom Lechner mit seinem Büro im Vorjahr einen Wettbewerb in Zell am See. Dort werden die Wohnungen wie in Altenmarkt "durchgesteckt", die Laubengänge noch breiter angelegt und die Küchen auf die Eingangsseite verlegt. "Die Küche ist ein halböffentlicher Bereich, davor kann es eine Sitzgelegenheit geben, um das soziale Miteinander zu verstärken. In den Städten funktioniert das schon sehr gut, auf dem Land muss es sich erst sukzessive entwickeln."

Holzbau setzt sich auch in Deutschland durch

Außerdem plant LP architektur zurzeit zwei große öffentliche Wohnbauprojekte an der Münchner Peripherie, in Fürstenfeldbruck und in Poing. Laut Lechner ist das Thema Holz im Wohnbau etwas zeitversetzt auch in Deutschland angekommen. "Technisch ist der Holzbau mittlerweile ja so ausgereift, dass man kein Versuchskaninchen mehr ist. Nur sind die Vorschriften in Deutschland noch wenig holzbaufreundlich. Vieles ist nur mit höheren Mehrkosten machbar."

Österreichische Architekten haben laut Tom Lechner eine gewisse Vorreiterrolle in Bayern. Er selbst ist in Poing seit eineinhalb Jahren in beratender Funktion in einer Expertenkommission tätig. "Wir als Holzbau-Experten aus der ländlichen Region sind hier sehr gerne gesehen. Und ich kann mit 25 Jahren Erfahrung schon einiges einbringen."