Die Frage taucht auf, warum mein Körper nicht so funktioniert, wie ich mir das vorstelle. Es wäre doch optimal, vieles zur selben Zeit erledigen zu können, um noch Zeit für anderes zu haben: im Fitnessstudio Freunde treffen und gleichzeitig trainieren; Social-Media-Kanäle checken, während wir am Laufbandbildschirm Nachrichten schauen. Gehetzt vom Gedanken über den nächsten Punkt auf der To-do-Liste legen wir einen Gang zu, um die geplanten 10 Kilometer am Laufband noch zu erreichen. Noch eine Stufe schneller, die Zeit läuft ... und dann ist es geschehen, ein Schmerz im unteren Rücken zwingt uns zum Aufhören. Das war es vorerst mit unserer Planung. Was bleibt? Das Durcheinander im Zeitmanagement, Stress und die Angst, dass die Bandscheiben geschädigt sein könnten.
Vorschnelle Rückkehr zu alten Gewohnheiten
Die Untersuchungen im Krankenhaus haben zum Glück keinen Schaden an der Wirbelsäule, den Bandscheiben und der Muskulatur ergeben - große Erleichterung und die Frage: Wie mit dem Training weitermachen? Um Zeit zu sparen und schnell wieder fit zu werden, investieren wir in diverse Hilfsmittel, die uns schnelle Heilung versprechen. Zwei Wochen nach dem Tag im Fitnessstudio sind wir wieder da, wo wir meinen, sein zu sollen, das Abo im Studio läuft ja schließlich weiter. Statt Laufen nun Kniebeugen mit schön großen Gewichtsscheiben auf der Hantelstange, damit sich wieder schnell Erfolge einstellen. Orientiert am Profisport haben wir zusätzlich bereits in diverse Nahrungsergänzungsmittel, Massagepistolen, Rollen, Matten, Schleifen, Bänder und Pflaster investiert. Und viel zu schnell sind wir wieder bei dem Punkt, an dem der Rücken Nein schreit.
Dem Rücken Zeit geben
Nun der Blick hinter die Kulissen. Drei Dinge sind mir als Physiotherapeut besonders wichtig: Die Zeit ist unsere wertvollste und die einzig endliche Ressource. Wir wissen das, deshalb versuchen wir, sie so effizient wie möglich einzusetzen und das Training zu optimieren. In der Tat sind viele Vorhaben möglich, wenn ich nur die entsprechende Ressource Zeit zur Verfügung stelle. Allerdings muss ich auch wirklich so viel Zeit wie nötig in mein Vorhaben investieren.
Schnelle Erfolge haben ein hohes Risiko
Nehmen wir das Beispiel Marathonlauf: Natürlich kann es realistisch und auch erfüllend sein, einen Marathon mit einer bestimmten Zielzeit zu laufen, allerdings nur mit dem entsprechenden Investment. Investiere ich nicht ausreichend Zeit, werde ich mit Beschwerden, etwa an der Wirbelsäule, rechnen müssen. Auch hier gilt die Regel: Schnelle Erfolge gehen mit einem hohen Risiko einher. Investiere ich mehr Zeit, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, mein langfristiges Ziel verletzungsfrei zu erreichen. Aber wenn es so einfach ist, warum machen wir es dann nicht? Zeit zu investieren ist nun einmal eine teure Währung. Es muss es mir demnach wert sein, Abstriche zu machen und Prioritäten zu setzen.
Prioritäten setzen
Was mich zu Punkt zwei bringt: Wir sind in unserem Leben gefordert, viele Dinge gleichzeitig in einer Lebensphase zu erledigen. Im besten Alter sollen wir Karriere machen, eine Familie gründen, sportliche Erfolge feiern, weltpolitisch informiert sein, in die Zukunft investieren und am sozialen Leben sollen wir auch noch teilnehmen. Geht sich das aus? Nicht alles zur selben Zeit und nicht alles mit 150 Prozent. Diskussionen rund um Work-Life-Balance, Vereinbarkeit und Prioritäten weisen zu Recht darauf hin, dass diese Erkenntnis langsam sickert. Ist es leicht, Prioritäten zu setzen? Nein. Ist es notwendig? Ja!
Laufen für einen gesunden Rücken
Nun zum dritten und letzten Aspekt, unserem Rücken. Nein: Laufen ist nicht schlecht für unseren Rücken, ganz im Gegenteil! Dass der Laufsport und die Wirbelsäule eng miteinander verbunden sind, zeigt ein Blick auf die Anatomie. Schließlich ist die Wirbelsäule gleichzeitig die bewegliche, aber auch statische Achse des Körpers und das Verbindungsstück zwischen Kopf und Becken. Sie ist der zentrale Part des Laufapparats. Die Bandscheiben, die zwischen den einzelnen Wirbeln liegen, werden gern als Stoßdämpfer des Menschen beschrieben, da sie Erschütterungen und Stöße dämpfen. Vergleichbar mit einem Schwamm werden beim Zusammendrücken Schlackstoffe abgegeben und bei Wiederausdehnung Sauerstoff, Flüssigkeit und Nährstoffe aufgenommen. Der Stoffwechsel der Bandscheiben braucht also Aktivität, um in Form zu bleiben. Das betrifft im Übrigen auch unsere Muskulatur, Gelenke, Gefäße und das Organsystem. Die Wirbelsäule mag es also, wenn wir laufen. Allerdings gibt es auch beim Laufen ein Zuviel oder besser gesagt ein Zuwenig: zu wenig Zeit, um den Körper auf die Anforderungen, die dieser Sport mit sich bringt, vorzubereiten. Setzen wir also Prioritäten, damit wir gemeinsam mit unserem Rücken laufen, und investieren wir in Zeit und in professionelle Begleitung. Ihr Rücken wird Sie dafür mögen!