Hintergrund des Sparpakets ist eine Vereinbarung mit dem Medienministerium von Susanne Raab (ÖVP): Spare der ORF, setze sie sich für eine geräteunabhängige Haushaltsabgabe als Nachfolgeregelung für die GIS ein. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs muss ein neues Gebührenmodell für den ORF bis Ende dieses Jahres stehen. Eine Haushaltsabgabe würde die Finanzierung des ORF langfristig sichern. Ferner stellte Raab in Aussicht, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Digitalen zusätzliche Möglichkeiten einzuräumen. Im Gespräch ist etwa, Inhalte zuerst online oder rein digital anbieten und auch länger als sieben Tage bereitstellen zu können.
Zu Details dieser Pläne und zu der geplanten Haushaltsabgabe wollte Weißmann nichts sagen. Er gehe aber davon aus, dass künftig mehr Haushalte für den ORF zahlen müssten ("Irgendwo zwischen den kolportierten 100.000 und 400.000"), dafür werde der Betrag pro Haushalt sinken. Der GIS-Apparat selbst werde indessen "deutlich redimensioniert", könne nach seiner Vorstellung aber auch die Haushaltsabgabe einheben.
Stiftungsrat Zach: "Einer der wichtigsten Meilensteine"
Die Stiftungsräte aus dem sogenannten ÖVP-Freundeskreis begrüßten erwartungsgemäß das Weißmann-Paket. Thomas Zach, Freundeskreis-Leiter und auch Vorsitzender des Finanzausschusses, sprach nach Sitzungsende davon, dass die Haushaltsabgabe in Kombination mit einer Digitalnovelle "einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Meilenstein" der vergangenen zehn Jahre sei. Es gebe gute Aussichten, diesen Meilenstein zu erreichen - was auch Weißmann bestätigte. Dafür müsse man entsprechende Maßnahmen setzen, ergänzte Zach.
Weit kritischer war Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-Freundeskreises, im SN-Gespräch: "Mir kommt es vor wie die Operation eines Patienten, der unverschuldet mit offenem Herzen auf dem OP-Tisch liegt. Hoffentlich narkotisiert. Aber die Ärzte warten mal ab, was sie tun sollen." Mit "unverschuldet" meint Lederer, dass der ORF nichts für die Inflation oder die Teuerung könne - und deshalb keine Schuld an dem rund 300-Millionen-Euro-Loch habe, das sich laut Prognosen bis 2026 auftun und nun eben eingespart werden soll.
Lederer glaubt auch nicht, dass die angekündigten Maßnahmen reichen, um die grob 300 Millionen zu sparen. Er nimmt vielmehr an, dass es zu "massiven programmlichen und personellen Veränderungen" kommen werde. Lederer stört zudem, dass die Diskussionsgrundlage eine volatile sei. Weder könne man mit Sicherheit sagen, dass das Loch so kommen werde, noch könne man eine mögliche Haushaltsabgabe gegenrechnen, solange die ausschlaggebenden Details wie exakte Höhe, Umgang mit bislang befreiten, da sozial schwächeren Haushalten etc. nicht feststünden. Deshalb werde Lederer "dagegen Stimmung machen. Wir lassen Generaldirektor Weißmann sicher nicht mit einer Carte blanche (uneingeschränkte Vollmacht, Anm.) weiterverhandeln." Auch Haftungen seien ein Thema: Wie schaffe man es, aus Verträgen zu Sportrechten oder Veranstaltungen ("Das RSO ist jahrelang ausgebucht") auszusteigen. Und der SPÖ-nahe Stiftungsrat nimmt auch die Grünen in die Pflicht: "Das hat für mich schon was von Pontius Pilatus - immer schön die Hände in Unschuld waschen." Es könne etwa nicht sein, dass die Grünen um Werner Kogler, der als Sportminister "eigentlich der Schutzpatron des österreichischen Sportstandorts" sein sollte, es zulassen, dass ORF Sport + abgedreht werden könnte.
Lothar Lockl, grüner Stiftungsratsvorsitzender, steht weniger stark hinter dem vermeintlichen Regierungskurs in Sachen ORF, als man meinen könnte. Zumindest nicht, was den Sparzwang anbelangt: "Irgendwann ist beim Sparen ein Ende erreicht. Dann geht es nicht mehr um kostengünstige Strukturen, sondern um die Substanz - dann ist das Programm gefährdet und das Publikum betroffen", sagt Lockl. Und er ergänzt: "Ich hoffe sehr, dass die Politik dem jüngsten VfGH-Urteil Rechnung trägt und tatsächlich eine nachhaltige Finanzierung des ORF sicherstellen wird. Und dass der ORF die rechtliche Möglichkeit erhält, im Digitalbereich das jüngere Publikum mit öffentlich-rechtlichen Inhalten zu erreichen."
Medienökonom Krone: "Nicht an sichtbaren Elementen sparen"
Und was sagen neutrale Experten zu all dem? Jan Krone, Medienökonom an der FH St. Pölten, stört zuvorderst der Ablauf selbst. Als er gehört habe, dass Susanne Raab und Roland Weißmann die ORF-Zukunft ausverhandelten, sei sein erster Gedanke gewesen, "dass sich da zwei Akteure miteinander unterhalten, die sich in der Arena nicht miteinander unterhalten sollten". Vielmehr hätte Raab das Gespräch direkt mit dem Stiftungsrat suchen können, zum Beispiel in einer offenen Diskussion im Nationalrat.
Dass der ORF sparen müsse, höre Krone seit dem ersten Tag, als er vor 17 Jahren an der FH St. Pölten angefangen habe zu arbeiten. Der ORF sei in der Tat finanziell gut aufgestellt. Er liefere aber auch ein "exzellentes Programm". Ob und, wenn ja, wo der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch sparen könne, wolle Krone von außen nicht beurteilen. "Der ORF würde sich aber mit Sicherheit keinen Gefallen tun, wenn er an den direkt für das Publikum sichtbaren Elementen spart."
Bis final entschieden ist, wie es um die Finanzierung des ORF und auch sein Sparpaket bestellt ist, dürften Wochen, wenn nicht Monate vergehen. ORF-intern wird nun über das Sparpaket diskutiert, auf Regierungsebene wird das Finanzierungsmodell mündend in ein neues ORF-Gesetz ausverhandelt. ORF-Stiftungsrat Zach macht jedoch Druck: Im Vorfeld der kommenden Plenarsitzung des Stiftungsrats am 23. März werde es eine weitere Sondersitzung geben. Eine Entscheidung zu all den offenen Fragen solle schließlich "bis Ende März" gefällt werden. Denn: "Wir haben keine Zeit mehr."