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Der etwas andere Grill(en)-Teller: Was man zu Insekten als Lebensmittel wissen sollte

Insekten als Nahrungsmittel haben hierzulande wenig Tradition. Das könnte sich mit einem neuen EU-Gesetz bald ändern. Grillen und Larven seien ein mächtiger Hebel für die Zukunft der Ernährung, sagt Food-Trendforscherin Hanni Rützler.

Seit Jahrtausenden werden Insekten von Menschen gegessen. Hierzulande begegnet man den Gliederfüßern jedoch noch vorsichtig.
Seit Jahrtausenden werden Insekten von Menschen gegessen. Hierzulande begegnet man den Gliederfüßern jedoch noch vorsichtig.

Am Dienstag trat ein neues EU-Gesetz in Kraft, wonach Hausgrillen nun offiziell auf dem Teller landen dürfen. Ab Donnerstag gilt das auch für Larven des Getreideschimmelkäfers. Aber was heißt das in der Praxis?

1. Welche Kriterien gelten für die Zulassung?


Neuartige Lebensmittel, auch "Novel Foods" genannt, müssen einer einheitlichen Sicherheitsbewertung unterworfen werden, bevor sie in der EU in Verkehr gebracht werden können. "Neuartige Lebensmittel dürfen keine Gefahr für die Verbraucherin und den Verbraucher darstellen und nicht irreführend sein. Weiters dürfen sie sich von herkömmlichen Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten, die sie ersetzen sollen, nicht so unterscheiden, dass ihr Verzehr Ernährungsmängel für die Verbraucherin und den Verbraucher zur Folge hätte", heißt es dazu von der AGES, der Agentur für Gesundheit und Ernährung, die in Österreich zuständig ist.

2. Welche Insekten sind schon jetzt als Nahrungsmittel zugelassen?


Mit dieser Woche sind es in der EU vier: Erstens die Hausgrille (auch Heimchen genannt bzw. lateinisch Acheta domesticus) - gefroren, getrocknet und pulverförmig sowie teilweise entfettetes Pulver davon. Zweitens die Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) - gefroren, getrocknet und in Pulverform. Drittens gefrorene, getrocknete und pulverförmige Mehlwürmer (Larven von Tenebrio molitor). Und viertens ab Donnerstag die Larven des Getreideschimmelkäfers (Alphitobius diaperinus) - gefroren, als Paste, getrocknet und ebenfalls in Pulverform.

3. In welchen Lebensmitteln kann die Hausgrille ab sofort vorkommen?


In allen möglichen. Ihr Pulver darf nun unter anderem in Brot und Brötchen, Keksen und Crackern, Backmischungen und Teigwaren, Soßen und Suppen, Fleisch- und Milchersatz, Kartoffelerzeugnissen oder Schokolade vorkommen. Die Produkte dürfen dann aber nicht als vegan oder vegetarisch ausgezeichnet werden.

4. Könnten Insekten gesundheitsschädlich sein?


Gesundheitsschäden durch Insektenkonsum sind nicht bekannt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stellte bei manchen Insekten jedoch höhere Anteile an Schwermetallen fest. Deshalb wird empfohlen, ausschließlich Zuchttiere zu verzehren und keine Wildtiere.

5. Wie nahrhaft sind Insekten tatsächlich?


Weltweit werden mehr als 1900 Arten verzehrt. In verschiedenen Studien hat die Welternährungsorganisation (FAO) festgestellt, dass sie eine sehr nahrhafte und gesunde Nahrungsquelle mit einem hohen Gehalt an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien sind. "Insekten haben ein sehr hochwertiges Eiweiß und können eine gute Alternative zu anderen Eiweißquellen sein", sagt auch Karin Spiesz, leitende Diätologin am Uniklinikum Salzburg.

6. Was müssen Allergikerinnen und Allergiker beachten?


Es gibt Menschen, die auf Schalen- und Krustentiere allergisch reagieren. "Auch bei Hausstaubmilbenallergikern können Kreuzreaktionen entstehen", sagt Spiesz. Deshalb sei eine einwandfreie Deklaration so wichtig.

7. Wie sieht die Kennzeichnung aus?


Es muss klar ersichtlich sein, dass ein Lebensmittel ein Insekt enthält (mit lateinischen und deutschen Namen) und auch, in welcher Form (also zum Beispiel als Pulver). Entsprechende Allergiehinweise sind ebenfalls Pflicht.

8. Sind Insekten der Schlüssel zu Nachhaltigkeit?


Der Umweltorganisation WWF zufolge ist ihre Ökobilanz deutlich besser als die von Rind, Schwein und Huhn, denn: "Im Vergleich zu Fleisch wird bei der Erzeugung von Insekten wesentlich weniger landwirtschaftliche Fläche benötigt", heißt es; im Vergleich zum Huhn seien es etwa um 50 Prozent weniger. Nach FAO-Angaben benötigen Grillen nur etwa ein Zwölftel des Futters verglichen mit Rindern, um die gleiche Menge an Eiweiß zu produzieren.

Hanni Rützler ist Autorin des jährlichen Food-Reports und betreibt das Futurefoodstudio in Wien. "Um nachhaltiger zu werden, brauchen wir viele Lösungen", sagt sie. Eine davon seien auch Insekten. "Sie müssten Teil unserer Kreislaufwirtschaft werden." Dazu kommt: "80 Prozent der Landfläche der Welt werden - inklusive Futtermittel - für die Produktion von tierischen Nahrungsmitteln eingesetzt", sagt Rützler. Insekten könnten als nachhaltigere Futterquellen zum Teil Getreide ersetzen.

9. Welchen Beitrag zur globalen Ernährungssituation können die Insekten leisten?


Insekten seien für die weltweite Ernährung eine noch wenig genutzte Eiweißquelle, sagt Hanni Rützler. "Sie wachsen schnell und haben eine kürzere Lebensspanne." Auch in der Verwertung von Lebensmittelabfällen können Insekten einen wichtigen Beitrag leisten. Für die Zukunft der Ernährung und die Etablierung einer effizienten Kreislaufwirtschaft seien Insekten ein mächtiger Hebel, findet Rützler.

10. Sind Insekten nicht schon längst ein Trend?


In unserem Kulturraum hätten Insekten keine Tradition, sagt Rützler. "Es gibt junge, urbane und nachhaltig denkende Menschen, die bereits jetzt schon offen für alternative Lebensmittelquellen sind", sagt die Food-Trendforscherin. Aber in der Masse gebe es noch Aufholbedarf.