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Von Kichererbsen bis Linsen: Neue Stars in Sachen Eiweiß

Weniger Fleisch zu essen rettet das Klima. Schon 20 Prozent Reduktion würden den Import von Gensoja erübrigen. Eiweiß-Alternativen gibt es. Kichererbsen, Linsen und Hirse wachsen heute auf heimischen Feldern.

Biobauer Erwin Hotzy in seinem Linsenfeld in Niederösterreich.
Biobauer Erwin Hotzy in seinem Linsenfeld in Niederösterreich.

Der eisige Mai und die dann folgende extreme Hitze haben auch Biobauer Erwin Hotzy getroffen. "Die heurige Ernte ist ernüchternd", sagt der Landwirt aus Tribuswinkel bei Baden. Bis zu 75 Prozent weniger Ertrag erwartet er auf seinen Linsenfeldern in Niederösterreich. Mit der Ernte hat er gerade begonnen. Die Entscheidung, neben Weizen, Wintergerste und Hirse auch auf Linsen zu setzen, hält er weiter für richtig. "Für meinen Betrieb ist das die Zukunft." Mittlerweile hat er 30 weitere Biolandwirte überzeugt, in Niederösterreich und dem Burgenland gemeinsam Linsen anzubauen. "Möglichst weit über das Gebiet gestreut, um Schäden durch Hagel oder Trockenheit gering zu halten", erklärt Hotzy. Einen fixen Abnehmer für die Linsen hat man.

Vor fünf Jahren hat die Grödiger Bio-Nahrungsmittel GmbH - mit 240 Mitarbeitern und 85 Mill. Euro Umsatz einer der großen Player, wenn es um das Abfüllen von Bionüssen, Linsen oder Trockenfrüchten geht - beim Thema Linsen ganz auf österreichische Produktion umgestellt. Zwischen 250 und 300 Tonnen Linsen würden die 30 Vertragsbauern im Burgenland und Niederösterreich mittlerweile für den Salzburger Abfüller herstellen, sagt Vertriebsleiter Martin Gau. Die Nachfrage sei groß, vor allem bei den Bioeigenmarken des Handels, auch wenn die heimischen Biolinsen zumindest die Hälfte mehr kosten als die Konkurrenzprodukte aus der Türkei. Tellerlinsen, Berglinsen und braune Linsen - die beiden letzten auch geschält als gelbe und rote Linsen - bietet man mittlerweile an.

Schlüsselfaktor für die Zukunft

Auch mit dem Anbau von Kichererbsen wird auf Feldern im Burgenland bereits experimentiert. "Gesamt gesehen ist das derzeit freilich noch eine Nische", meint Helmut Feitzlmayr, Pflanzenbauexperte der Landwirtschaftskammer. Auf 170 Hektar wurden im Vorjahr in Österreich etwa Kichererbsen angebaut. "Wenn es einem Marchfelder Bauern Spaß macht, schafft er das allein", sagt Feitzlmayr. Gesamt gesehen sei die Entwicklung freilich alles andere als lächerlich, meint auch er. "Eiweiß ist einer der Schlüsselfaktoren, wenn es um die Ernährung in der Zukunft geht." Weltweit habe das längst Folgen. China etwa kaufe derzeit Soja und Mais wie nie zuvor. "Allein den Maisimport hat China verfünffacht. Die sichern sich das Eiweiß."

Hintergrund sei, dass nach der Schweinepest die Fleischproduktion in China massiv in die Höhe gefahren werde. Soja- und Maisschrot sind als Futtermittel gefragt. In Österreich hat Soja über das Futtermittel hinaus Bedeutung. Die Hälfte der hier angebauten Sojabohnen gehe in die Lebensmittelproduktion, sagt Feitzlmayr: "Ein extrem hoher Wert. Weltweit dient Soja zu 90 Prozent als Futter." 75.000 Hektar Soja werden heuer in Österreich angebaut, 7000 mehr als im Jahr davor. Grund ist auch der Preis. "Durch die massive Nachfrage nach Eiweiß bekommt man heuer schon 560 Euro pro Tonne Sojabohnen, im Vorjahr waren es noch 370 bis 380 Euro." Gefragt sei heimisches Soja vor allem, weil es gentechnikfrei sei. "Weltweit ist hier der Markt praktisch ausverkauft." Auch der Bioanteil ist in Österreich weit höher.

Fleischkonsum sinkt kaum

Der Fleischkonsum sei dennoch auch in Österreich zuletzt kaum gesunken, sagt Feitzlmayr. Ein Umdenken gebe es aber teils bereits. "Gerade die Jugend tickt hier zum Teil schon ganz anders."

Wie sehr weniger Fleischkonsum und stattdessen mehr pflanzliche Lebensmittel dem Klima helfen würden, errechnet Martin Schlatzer seit Jahren an der Universität für Bodenkultur (Boku) und neuerdings am Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL). "Schon 20 Prozent weniger Fleischkonsum in Österreich würden den Import von Gensoja aus Südamerika als Futtermittel überflüssig machen, für den massenhaft Tropenwald zerstört wird", sagt Schlatzer. Doch auch in der heimischen Landwirtschaft sieht er Bedarf, umzudenken. Zehn Prozent weniger Fleischkonsum würden auch in Österreich rein theoretisch die Fläche frei machen, um die komplette Landwirtschaft auf biologischen - und damit klimafreundlicheren - Anbau umstellen zu können. Wegen geringerer Erträge wird im Biolandbau mehr Fläche benötigt. Derzeit werde in Österreich mehr als die Hälfte der Ackerfläche für die Produktion von Kraftfuttermitteln wie Mais und Soja verwendet.

63 Kilo Fleisch esse der Österreicher pro Jahr, sagt Schlatzer, drei Mal so viel wie von Gesundheitsexperten empfohlen. Eine für eine gesunde Lebensweise empfehlenswerte Reduktion würde damit nicht nur Unabhängigkeit von Sojaimporten und mehr Biolandbau ermöglichen, sondern etwa auch den Anbau von mehr Ölsaaten wie Raps oder Leinöl. Dann könne man etwa auch für Fisch - der nur zu fünf Prozent aus dem Inland kommt - wertvolle Alternativen selbst herstellen.

Wenn Essen den Regenwald zerstört

Was der Österreicher isst, hat weltweit Folgen. Gerade im Ausland produzierte, aber in Österreich konsumierte Lebensmittel haben eine schlechte Klimabilanz, und das nicht nur durch weiten Transport, rechnete Greenpeace jüngst in einer Studie vor. Allein die Produkte Palmöl, Kakao, Zuckerrohr, Bananen, Kaffee und Futter-Soja bewirkten einen Landverbrauch von 455.600 Hektar - eine Fläche größer als das Burgenland. 285.000 Hektar seien es allein bei Soja für Futtermittel, so die Boku-Studie.

Der CO2-Ausstoß, der durch die Produktion dieser sechs Produkte für den heimischen Markt verursacht wird, liegt laut Studie bei mehr als vier Millionen Tonnen, das sei eineinhalb Mal so viel, wie der österreichische Luftverkehr 2018 verursacht habe.

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