Christian Struber ist Altbürgermeister von St. Koloman (1992- 2008), seit 2001 Geschäftsführer der Salzburg Wohnbau und seit Gründung der S-Link-Gesellschaft 2019 deren Aufsichtsratsvorsitzender.
Hat Sie der starke Widerstand gegen den S-Link überrascht oder war das erwartbar bei einem Projekt dieser Größenordnung ?Struber: Ich würde es anders formulieren: Wir haben in der Politik grundsätzlich alle an Bord, die KPÖ, die Grünen, die ÖVP, die FPÖ und die Neos sind alle für das Projekt. Lediglich Teile der SPÖ, weil es gibt auch dort ausreichend Befürworter, sehen den S-Link kritisch, aus welchen Gründen auch immer. In der Demokratie ist das erlaubt.
Aber mein Appell geht an die Menschen, die dieses Projekt als richtig und notwendig erachten, zur Bürgerabstimmung zu gehen und viele mit der gleichen Meinung auch zu motivieren, hinzugehen. Weil wir bei solchen Abstimmungen hat man ja oft das Gegenteil: Die Gegner gehen hin, und die Befürworter nicht. Das müssen wir einfach umdrehen, um dieses Jahrhundertprojekt für den Großraum Salzburg umsetzen zu können.
Was halten Sie von der kommenden Bürgerabstimmung? Natürlich gibt es viele in der Bevölkerung viele, die sagen, die Politik solle solche Fragen entscheiden. Und ich kann mich an keine Bürgerbefragung der letzten 30 Jahre in Wien erinnern, wo die Bürger befragt wurden, ob die U-Bahn ausgebaut werden soll.
Aber es ist nun mal so, und deshalb sollte man die Chance auch nutzen, das Projekt noch mehr zu erklären, um die Menschen zu mobilisieren, hinzugehen und dafür zu stimmen.
"Wer meint, man solle statt dem S-Link einfach die Buslinien stärken, der soll sich tagsüber einmal auf die Staatsbrücke stellen"
Verspricht die Abstimmung nicht ein Chaos aus Informationen und Gegeninformationen zu werden, nachdem die Stadt offenbar ein eigenes Abstimmungsbüchlein machen will?Wir sollten halt von Experten gleicher Qualität reden. Wir haben als Dienstleister zum Beispiel GeoConsult, die auf der ganzen Welt solche Projekte realisiert. Und denen über die Medien auszurichten, das seien keine Fachleute, die hätten nichts Gescheites geplant, ist schon eine Unverfrorenheit, da überschätzt man sich schon in der Argumentation. Aber ich bin nach wie vor der Meinung, man muss mit der Stadt im Gespräch bleiben.
Verkehrslandesrat Stefan Schnöll ÖVP hat gesagt, ohne die Stadt geht's nicht. Aber was, wenn die Abstimmung insgesamt für das Projekt ausgeht, in der Stadt aber dagegen?Erstens glaube ich nicht, dass die Abstimmung in der Stadt negativ ausgeht, weil auch in der Stadt Salzburg, das belegen viele Umfragen, eine Mehrheit für den S-Link ist. Nur müssen wir diese Mehrheit dazu motivieren, zur Abstimmung zu gehen.
"Allein mit den Kommunalsteuern der Pendler die Stadt Salzburg ihren Beitrag in ein paar Jahren bezahlen"
Viele sind prinzipiell für den Ausbau von Öffis, bezweifeln aber, dass ein milliardenschweres Projekt wie dieses sich "auszahlt", während anderen Bereichen das Geld immer knapper wird. Wer meint, man solle stattdessen einfach die Buslinien verstärken, soll sich einmal während des Tages für eine Stunde auf die Staatsbrücke stellen. Er wird unschwer feststellen, dass jetzt schon die Busse dort im Stau stehen.
Der schienengebundene Verkehr hat einfach eine andere Kapazität und Schnelligkeit und wir werden leistungsfähige öffentliche Verkehrsnetze brauchen, mit einem schienengebundenen Rückgrat. Und die stärksten Profiteure sind Hallein, Rehhof, Auf, Rif, Niederalm, Anif, Grödig, weil die eine extrem leistungsfähige und schnelle Verkehrsanbindung bekommen.
Aber zurück zu den Kosten: Wir gehen von 2,6 bis 2,8 Mrd Euro aus, je nach Trasse. Die Stadt Wien baut derzeit die Linien U2 und U6 um sechs Mrd. Euro aus, also das Doppelte dessen, was in Salzburg investiert wird. Da zahlt auch der Bund die Hälfte.
Graz, Innsbruck, Linz, alle bauen ihre Straßenbahnen aus, nur wir in Salzburg brauchen das nicht, weil wir wollen Stauhauptstadt bleiben? Das kann es ja wohl nicht sein. Wir sind eh 30 Jahre zu spät dran, aber jetzt ist einmal Salzburg dran, dass es eine Investition in die Zukunft gibt.
Jedes Mal beim Tanken zahlst du Mineralölsteuer, und die fließt in die U-Bahn-Projekte in Wien. Wir sind überproportionale Lieferanten dieser Steuer, weil bei uns viele Touristen tanken, aber das Geld ist dann letztlich in Wien verbaut worden, in Graz, in Linz, in Innsbruck, nicht bei uns. Jetzt wird's einmal Zeit, dass das Geld, das wir zahlen, auch bei uns eingesetzt wird.
Die horrenden Kosten, an denen sich die Stadt Salzburg beteiligen muss, sind ja auch immer ein Argument des Salzburger Bürgermeisters gegen das Projekt.Allein mit den Kommunalsteuern durch die täglich 53.700 Pendler nimmt die Stadt Salzburg genug ein, um ihren Beitrag, je nach Verhandlung vielleicht 300 bis 350 Millionen Euro, in ein paar Jahren zu bezahlen, unabhängig davon, dass diese Pendler ja auch weitere Wertschöpfung in der Stadt liefern, einkaufen etc.
Oder ein anderes Argument: Das Land Salzburg hat 550.000 Einwohner, 150.000 davon in der Stadt Salzburg. Die restlichen 400.000 zahlen mit ihren Steuern Infrastruktur wie das Landestheater, das Mozarteum, Festspiele etc., die aber überproportional stark von den 150.000 Stadt-Salzburgern genutzt werden.
In Hallein und Oberalm beklagen die Anrainer, dass immer wieder andere Trassen kommuniziert wurden. War es ein Fehler, in so einem frühen Planungsstadium in den Bürgerdialog zu gehen?Ich glaube, dass es richtig war, weil aus diesen Bürgerdialogen Ideen eingebracht wurden, die jetzt in der tatsächlichen Trassenauswahl berücksichtigt wurden. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, die Bevölkerung so viel wie möglich mit dem Thema zu beschäftigen.
Jetzt haben sie die Trasse gesehen, dann haben sie Anregungen gemacht, die Trasse wird verändert, jetzt kommt der nächste Schritt, wo sie sehen werden, dass ihre Einwände Früchte getragen haben. In weiterer Folge gibt's dann wieder detaillierte Bürgerdialoge, wenn die Baustelle anfängt etc.
Das wird ein Prozess sein über einen längeren Zeitraum. Man kann immer sagen, das ist zu früh oder zu spät oder zu wenig konkret. Den richtigen Zeitpunkt zu erwischen ist immer schwierig.
"Es gibt mittlerweile extrem viel Erfahrung mit dem Salzburger Untergrund, da kann eigentlich nichts passieren beim Bauen"
Manche Trassenanrainer fürchten Enteignungen. Könnte das wirklich drohen?Es ist immer das oberste Ziel, mit den betroffenen Personen eine einvernehmliche Lösung zustande zu bringen.
Bei allen, die bisher davon betroffen sind - in erster Linie natürlich am ersten Abschnitt, wo wir eine Bewilligung haben, da können wir konkret mit den Anrainern verhandeln - sind bis dato keine Sachverhalte entstanden, die zu einer Enteignung führen. Wir sind mit allen Hausbesitzern soweit im Einvernehmen, dass es eine Lösung gibt.
Viele befürchten auch Probleme mit dem schwierigen Salzburger Untergrund, aktuell vor allem in Bezug auf die historische Altstadt.Was in dem Zusammenhang extrem wichtig ist und der Bevölkerung immer wieder gesagt werden muss: In der Stadt Salzburg gibt es die Erfahrungen mit dem Kongresshaus, mit der ersten unterirdischen Verlängerung der Lokalbahn und mit weiteren Bauprojekten, die neue Erkenntnisse über den Untergrund gebracht haben.
Das ist alles eingeflossen, und deshalb kann man nicht jetzt sagen, damals vor 40 Jahren wäre das nicht gegangen. Ja, mag eh stimmen, aber vor 40 Jahren hat man vieles nicht gewusst, was man heute weiß. Durch diese ganzen Probebohrungen hat man eine sehr gute Grundlage geschaffen, dass eigentlich nichts passieren kann beim Bauen.