60.000 Kinder im Alter von 4 bis 14 Jahren leben in Salzburg, davon sind 20.000 übergewichtig. Auch österreichweit wird Übergewicht bei jedem dritten Kind festgestellt. Bei zehn Prozent sprechen Ärztinnen und Ärzte nicht nur von mehr Kilos: Adipositas lautet die Diagnose, das zeigt eine Studie der Österreichischen Gesundheitskasse. Die gute Nachricht: Es gibt Behandlungsmethoden - doch damit diese gar nicht notwendig werden, raten Medizinerinnen und Mediziner zu präventiven Maßnahmen. Als Ursachen werden zu wenig Bewegung gekoppelt mit zu hoher Kalorienaufnahme, psychologische Gründe und organische Probleme genannt.
Anzeichen für Übergewicht schon zu Beginn der Schwangerschaft
"Anzeichen für Übergewicht gibt es schon zu Beginn der Schwangerschaft beziehungsweise im Säuglingsalter", sagt Daniel Weghuber, Vorstand der Uniklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in den SALK. Pubertierende, bei denen Adipositas (hohes Körpergewicht, das durch übermäßig hohen Fettanteil verursacht ist, Anm.) diagnostiziert werde, seien zum Großteil schon im Vorschulalter übergewichtig gewesen. Weghuber betont: "Übergewicht und Adipositas wachsen sich nicht mehr aus." Daher sei es wichtig, Therapie von Prävention zu trennen und die Krankheit endlich als chronisch und wiederkehrend anzusehen. Grundsätzlich gelte: "Je früher die Vorbeugung bei Kleinkindern erfolgt, desto besser." Die Therapie sei vor dem sechsten Lebensjahr sieben Mal so effektiv wie nach dem zwölften Lebensjahr, sagt der Mediziner. Corona und die viele Bildschirmzeit hätten die Situation verschlechtert, da viele Kinder überhaupt keinen Anreiz zur Bewegung gesehen hätten.
Familie muss Übergewicht als Problem anerkennen
Das Erkennen von Übergewicht sei zwar im Rahmen der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen möglich, jedoch stelle die Kommunikation danach die Kinderärzte vor Herausforderungen. "Es braucht den Willen der Familie", sagt Weghuber. Nur wenn der familiäre Verbund Übergewicht als Problem anerkenne, seien Behandlungsschritte möglich.
Die Ursprünge lägen wie bei so vielen Körpermerkmalen in der Familie: Sei ein Elternteil mit Adipositas konfrontiert, sei mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent auch das Kind betroffen. "Sind beide Elternteile betroffen, liegt die Wahrscheinlichkeit schon bei 70 Prozent", sagt Weghuber. In den vergangenen Jahren hätten sich die Behandlungsmethoden verbessert, sagt der Mediziner. "Wir können inzwischen auch mit Medikamenten therapieren und gegensteuern."
30 Kinder hat der Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde Holger Förster an diesem Donnerstagvormittag schon in seiner Ordination untersucht. "Grippe und das RS-Virus fordern uns im Moment sehr."
Übergewicht wächst sich nicht aus
Auch Förster sieht übergewichtige Kleinkinder nahezu täglich und versucht, alle Eltern zur Prävention zu leiten. "Viele Eltern glauben, das wächst sich wieder aus, und handeln nicht", sagt der Mediziner und bezieht sich dabei auf viele Übergewichtige bei den unter Vierjährigen. Das sei jedoch ein Irrglaube. "Alles, was einen im Alter beeinträchtigt, fängt im Kindesalter an", sagt der Kinderarzt.
Doch wie können Eltern vorbeugen und ihr Kind trotz familiärer Veranlagung schützen? "Die Kinder orientieren sich am Lebensstil der Eltern", sagt Förster. Daher sei es wichtig, als Familie gemeinsam zu essen und die Einnahme von Mahlzeiten als geselliges Ereignis zu zelebrieren. Nicht die Einzelmahlzeit dürfe in den Fokus gestellt werden: "Ein Wiener Schnitzel ist durchaus einmal in Ordnung." Die ganzheitliche Betrachtung der Ernährung sei jedoch notwendig. Empfohlen sei die Mischkost: Obst, Gemüse, Fleisch, Reis, Nudeln und Kartoffeln müssen in gesundem Verhältnis zueinander stehen.
Süßigkeiten sollen nicht als Belohnungs- oder Trostmittel verwendet werden
Thema Süßigkeiten: "Diese sollten nicht als Belohnungs- oder Trostmittel verwendet werden", sagt Förster. Wie viel ein Kind essen darf, müsse individuell geklärt werden, da auch der Energieverbrauch und der Körperbau unterschiedlich seien.
Zum Zucker: Als problematisch wird von Experten vor allem der raffinierte Zucker angesehen. Dieser ist in Limonaden und Backwaren enthalten. Neun Stück Würfelzucker stecken beispielsweise in einem Glas Cola (250 ml), zehn Gummibärli enthalten acht Stück Zucker. Als größte Ernährungssünden werden zu viele Mahlzeiten, eine zu fette, zu süße und zu salzige Ernährung bezeichnet.
Förster, der auch Sportmediziner ist, nennt zu wenig Bewegung als Hauptursache für Übergewicht und Adipositas. Es sei die organisierte Bewegung, die als beste Präventionsmaßnahme anzusehen sei.
Mindestens eine Stunde pro Tag Bewegung
Eine Stunde Bewegung pro Tag sei notwendig, merkt Förster an. Nur 60 Prozent der Kinder unter zehn Jahren würden diese sportliche Stunde absolvieren. Problematisch sei der Sportanteil auch bei Mädchen im Alter von 17 Jahren. "Nur 30 Prozent investieren eine Stunde", sagt der Mediziner und Präsident des gemeinnützigen Vereins AVOS. Dieser unterstützt mit dem Programm easykids Kinder mit Übergewicht dabei, einen gesünderen Lebensstil zu finden. Über mehrere Monate werden Betroffene von Medizinerinnen und Medizinern begleitet und von Ernährungsexpertinnen und -experten geschult. Finanziert wird das Programm von der Österreichischen Gesundheitskasse und vom Land. Die Zuweisung in das Programm übernimmt die Ärztin oder der Arzt. "Der überwiegende Anteil der Kinder im Programm ist im fortgeschrittenen Schulalter", sagt Förster und auch er betont: Wichtig sei die Prävention jedoch schon im Kleinkindalter.