Laut Bezirkshauptmannschaft Zell am See wurden Dienstagabend bereits zehn der 50 von der Außenwelt abgeschnittenen Personen aus dem Raurisertal ausgeflogen. Es handelte sich bei den meisten um Gäste des Hotels Ammererhof. Es gehe allen gut, die Stimmung sei trotz der Unannehmlichkeiten durchwegs positiv, hieß es aus dem Beherbergungsbetrieb.
Der Ammererhof selbst liegt sicher und ungefährdet, sagt Hotelier Helmut Tomasek-Mühlthaler, aber: "Die Straße, die 150 Meter unterhalb verläuft, ist ein einziger Bach. Bei einem Neubau wird man sie höher legen müssen." Auch die erst vorigen Herbst neu gebaute Wasserleitung sowie die Festnetztelefonleitungen seien zerstört. Die Naturgewalten seien extrem: "Häusergroße Steine sind da heruntergekommen."
Der Rest der eingeschlossenen Personen könne jederzeit zu Fuß oder in Begleitung der Bergrettung auch mit einem Quad abreisen. Eine Notfahrbahn ist in Vorbereitung und soll bis zum Abend fertiggestellt sein.
"Alle sind versorgt und wohlauf"
Ein Großteil der im Bereich Kolm-Saigurn von der Außenwelt abgeschnittenen Personen will laut dem Rauriser Bürgermeister Peter Loitfellner mit den dort geparkten Autos abreisen. "Das ist aufgrund der komplett zerstörten Straße aber nicht so schnell möglich. Daher versuchen wir, als Erstes eine Notfahrbahn für diese Ausfahrten zu errichten", so Loitfellner. Das Wichtigste sei aber: "Alle sind gut versorgt und wohlauf, Nachschubprobleme gibt es auch keine und es besteht durchgehender Kontakt."
Ausfahrt ab dem Abend
"Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck an der Errichtung dieser Notfahrbahn. Heute am Abend wird es dann möglich sein, dass die Pkw vom Parkplatz in Kolm-Saigurn wieder rausfahren können", so Gebhard Neumayr, Gebietsbauleiter der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV). Gleichzeitig arbeitet die WLV daran, die Rauriser Ache wieder in ihr Bachbett zurückzubringen. "Die Zerstörung im Raurisertal ist unvorstellbar, sowas habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen", fasst Neumayr zusammen.
- Die Notfahrbahn ist eine Notmaßnahme, die Zufahrt nach Kolm-Saigurn ist bis auf Weiteres gesperrt, eine Zufahrt nicht möglich. Die Einsatzkräfte und der Bürgermeister sowie der Katastrophenschutzreferent des Pinzgaus appellieren eindringlich, sich daran zu halten.
130 Liter Wasser - in 15 Stunden
Neumayr hatte nach einem Lokalaugenschein (Befliegung und Begehung) am Dienstag gesagt: "Es gibt teilweise massive Verwerfungen der Rauriser Ache, es sieht aus wie eine Mondlandschaft. Hunderte Meter an Straßen wurden weggerissen. Die Straße bei Kolm Saigurn muss neu komplett neu gemacht werden, dort ist alles zerstört." Grund für das Ausmaß der Vermurung war die extreme Niederschlagsmenge von 130 Litern Wasser, die binnen 15 Stunden in Saigurn niedergingen. Dadurch konnte der untere Teil eines großen Kartrichters bis zu 100 Meter tief erodieren, wodurch sich das Gestein in Bewegung setzte. Der Almboden in Kolm-Saigurn ist großteils verschüttet und wohl verloren.
In Niedernsill hat das Hochwasser auch die Pinzgauer Lokalbahn wieder getroffen und hinterließ Schäden. Diese Nahverkehrsstrecke, die über viele Kilometer auch auf der Dammkrone der Salzach verläuft, wird derzeit wieder einmal mit enormem Aufwand saniert. Die Trasse war zuletzt am 14. Juli 2021 von Überflutungen und Vermurungen heimgesucht worden. Dramatisch waren die Bilder aus dem Bahnhof Vorderkrimml (Wald), die eine tief im Schlamm und Geröll versunkene Triebwagengarnitur zeigten.
Bis Herbst 2023 sollte eigentlich der Streckenabschnitt zwischen Niedernsill und Mittersill wieder befahrbar sein. Die Sanierung dieses Abschnitts allein kostet rund zwölf Millionen Euro. Manfred Höger, Katastrophenschutzreferent der BH Zell am See: "Der derzeit neu gebaute Bahndamm zwischen den Gemeinden Uttendorf und Niedernsill wurde unterspült. Dort sind massive Schäden aufgetreten, die begutachtet werden."
Wasserfall donnerte als braune Sturzflut in Bad Gastein hinunter
Der Wasserfall im Zentrum von Bad Gastein war schon das Motiv vieler Maler und Dichter. Doch jene Wassermassen, die am Montag die 340 Meter hinunterdonnerten, dürften zumindest in jüngster Zeit von niemandem so festgehalten worden sein.
"In den vergangenen 30 Jahren kann ich mich bei Weitem nicht daran erinnern, dass der Wasserstand schon einmal so hoch war", sagte der Gasteiner Bürgermeister Gerhard Steinbauer am Montagvormittag. Der Ortschef behielt recht: Am Nachmittag klassifizierte der Hydrographische Dienst des Landes das Hochwasser im Gasteiner Tal als HQ30 - ein Ereignis, das statistisch gerade einmal alle 30 Jahre auftritt.
Überflutungen auch in St. Johann und Bischofshofen
In den Pongauer Gemeinden St. Johann und Bischofshofen waren die Feuerwehrleute die ganze Nacht im Hochwassereinsatz. Die Salzach trat in den beiden Stadtgemeinden über die Ufer. Zahlreiche Keller mussten ausgepumpt werden. Allein in St. Johann und Bischofshofen kämpften mehr als 200 Einsatzkräfte gegen die Wassermassen. Besonders stark betroffen war der St. Johanner Ortsteil Urreiting, wie der Salzburger Landesfeuerwehrkommandant Günter Trinker gegenüber dem ORF sagte. Auch ein Gewerbegebiet war in St. Johann von den Überflutungen betroffen. Feuerwehrleute und Mitarbeiter eines Entsorgungsbetriebs konnten verhindern, dass Wasser eindrang und Schadstoffe in die Salzach gelangen.