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S-Link-Tunnelbau: Welche Risiken der Seeton in Salzburg birgt

Vor dem Untergrund in der Stadt Salzburg wird seit jeher gewarnt. Für den S-Link-Bau sind sich Kritiker wie Projektplaner einig: Es wird nicht einfach.

Probebohrungen für den S-Link am Ufer der Salzach. Im Gebiet der Stadt Salzburg befindet sich ein sandiger, weicher Untergrund.
Probebohrungen für den S-Link am Ufer der Salzach. Im Gebiet der Stadt Salzburg befindet sich ein sandiger, weicher Untergrund.

"Seeton verteuerte die Gründungskosten", stand am 8. Juni 2002 zum neuen Kongresshaus in den "Salzburger Nachrichten". "Bauen wie in einem Pudding", hieß es 1996 nach der Fertigstellung des unterirdischen Lokalbahnhofs in Salzburg. Bei beiden Projekten hatten sich auch aufgrund des schwierigen Untergrundes die Kosten um ein Vielfaches gesteigert.

Der sogenannte Salzburger Seeton gilt aufgrund seiner sandigen, tonartigen Masse als herausfordernd. Aktuell wird der Untergrund im Diskurs um den S-Link, der teils unterirdischen Lokalbahnverlängerung von Salzburg bis Hallein, von Projektgegnern gern als Totschlagargument herangezogen: Der Tunnelbau gefährde das Welterbe. Und erst kürzlich sprach der ehemalige Baudirektor der Stadt, Walter Hebsacker, davon, dass ein sensibles, denkmalgeschütztes Altstadthaus drohe durch den Tunnelbau im Untergrund "wie ein Kartenhaus" in sich zusammenzufallen.

Weicher Boden als Herausforderung

Wie gefährlich ist der Seeton in Salzburg nun tatsächlich? "Weicher Boden ist für Tunnelbauer herausfordernd, etwas anderes zu behaupten wäre unseriös", sagt Manfred Eder, Bauingenieur bei dem Salzburger Tunnelbauunternehmen Laabmayr & Partner ZT. Er zählt mit Geoconsult ZT und IGT Geotechnik und Tunnelbau zu den Generalplanern für den S-Link. Die Koralmbahn zwischen Graz und Klagenfurt sowie die Erweiterung der Wiener U-Bahn sind gemeinsame Referenzprojekte. Eder ist seit den 1980er-Jahren mit den Planungen für eine teils unterirdische Stadtbahn in Salzburg betraut. "Nur immer wieder unter neuem Namen." Sorgen etwa von Hausbesitzern könne er aufgrund historischer Beispiele nachvollziehen: "Aber die Technik hat sich weiterentwickelt. Und wir haben auch aus den Problemen von früher gelernt. Wir haben die Baustellen wie den Lokalbahnhof analysiert und unsere Lehren gezogen." Der S-Link-Tunnel im ersten Abschnitt vom Hauptbahnhof bis zum Mirabellplatz verlaufe zur Gänze im Seeton - in etwa 13 Metern Tiefe.

Im Jahr 1996 wurde der Lokalbahnhof Salzburg im Untergrund eröffnet – mit Verspätung und einer Baukostensteigerung von 300 auf mehr als 600 Millionen Schilling.
Im Jahr 1996 wurde der Lokalbahnhof Salzburg im Untergrund eröffnet – mit Verspätung und einer Baukostensteigerung von 300 auf mehr als 600 Millionen Schilling.

Verfestigungsmethode für Seeton

Eder schildert, wie man dem schwierigen Untergrund dort Herr werden will: "Mit einer Verfestigungsmethode. Dabei wird von oben ein Loch mit hohem Druck in den Untergrund gebohrt. Der Seeton wird sozusagen anbetoniert und verfestigt, sodass er besser beherrschbar ist." Für den ersten Abschnitt beträgt der Seeton-Aushub 240.000 Kubikmeter. Zum Vergleich: Für den Ausbau der Festspielhäuser in den Mönchsberg sind es 100.000 Kubikmeter. Eine andere Methode wäre, den Seeton zu entwässern, indem das Wasser abgesaugt wird.

Verglichen mit Wien sei der Untergrund in Salzburg noch fordernder, weil weicher, beschreibt Eder. Aber der Seeton sei kein Unikum in Salzburg. "Es gibt auch genügend Beispiele, wo es problemlos funktioniert hat: Das Kieselgebäude, das Perron, der Lieferinger Tunnel stehen komplett im Seeton. Weltweit werden Tunnel in schwierigem Untergrund gebaut. Wieso soll das in Salzburg nicht gehen?"

 Beim Bau des neuen Kongresshauses gab es große Probleme mit dem Untergrund. Kostenpunkt nach Fertigstellung im Jahr 2001: 700 Millionen Schilling.
Beim Bau des neuen Kongresshauses gab es große Probleme mit dem Untergrund. Kostenpunkt nach Fertigstellung im Jahr 2001: 700 Millionen Schilling.

Seeton brachte Bauverzögerungen

Das neue Landesdienstleistungszentrum beim Hauptbahnhof wird derzeit im Seeton errichtet. Das Gebäude muss an Betonschlitzwänden und auf 218 Betonpfählen gebaut werden, die die Baugrube im festen Flysch sichern. Der instabile Untergrund reicht nach Angaben des Landes bis in etwa 40 Meter Tiefe. Geplante Fertigstellung: Ende 2026, Kosten: etwa 200 Millionen Euro.

Blickt man in die Baugeschichte in der Stadt Salzburg, reihen sich prominente Beispiele mit Bauverzögerungen, Komplikationen und davongaloppierenden Kosten aneinander: Das bereits erwähnte Kongresshaus Salzburg kostete am Ende mehr als 700 Millionen Schilling (statt eingangs 400 Millionen). Allein eine Grubenaussteifung aufgrund des schwierigen Untergrunds brachte mindestens 20 Millionen Schilling Mehrkosten.

Wenig Aufsehen hat der Bau der Tiefgarage im Kaiviertel erregt – ebenfalls im Seeton. Die Garage beim Krankenhaus der Barmherzigen Brüder ist im Jahr 2010 eröffnet worden. Kosten: 10 Millionen Euro. Es gilt als positives Beispiel für einen Bau im Seeton
Wenig Aufsehen hat der Bau der Tiefgarage im Kaiviertel erregt – ebenfalls im Seeton. Die Garage beim Krankenhaus der Barmherzigen Brüder ist im Jahr 2010 eröffnet worden. Kosten: 10 Millionen Euro. Es gilt als positives Beispiel für einen Bau im Seeton

Bahnhofsgarage kostete das Dreifache

Die Bahnhofsgarage, die in den 1990er-Jahren gebaut wurde, hat das Dreifache einer üblichen Tiefgarage gekostet, wie Alfred Denk, ehemaliger Landesbaudirektor und Geschäftsführer der Parkgaragengesellschaft, ausführt. 150 Millionen Schilling für 150 Stellplätze: "Das sind auch heute noch teure Parkplätze." Für ihn sei klar: "Der Seeton ist einer der schwierigsten Untergründe. Schäden entstehen auch in gewisser Entfernung. " Beim Lokalbahnhof hätten sich die Kosten verdoppelt. Und es habe Sprünge und Setzungen an umliegenden Gebäuden gegeben.

Alfred Denk (Ex-Landesbaudirektor): „Der Seeton ist der schwierigste Untergrund. Die Kosten sind unberechenbar.“
Alfred Denk (Ex-Landesbaudirektor): „Der Seeton ist der schwierigste Untergrund. Die Kosten sind unberechenbar.“


Was den S-Link betrifft, sagt Denk: "Ich bin überzeugt, dass man ihn bauen kann, aber es wird teuer." Und er ist überzeugt: "Die Kosten sind unberechenbar." Probebohrungen allein würden nicht reichen, Probleme würden sich erst während des Baus ergeben. Ob er nicht glaubt, dass sich in den vergangenen Jahren einiges getan hat im Bau, sodass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat? "Natürlich, bei den S-Link-Planern sind absolute Profis am Werk, einige kenne ich lange. Aber es kann niemand garantieren, dass nichts passiert."

Manfred Eder, Bauingenieur bei Laabmayr & Partner ZT zum S-Link: „Es ist aufwendig und teuer, aber absolut machbar.“
Manfred Eder, Bauingenieur bei Laabmayr & Partner ZT zum S-Link: „Es ist aufwendig und teuer, aber absolut machbar.“

Kosten für S-Link-Gesellschaft "kalkulierbar"

Die Projektgesellschaft teilt auf Anfrage mit, dass die Kosten aufgrund von früheren Projekten gut kalkulierbar seien. Bis Hallein soll der S-Link 2,2 Milliarden Euro für die empfohlene Trassenvariante kosten. Für "Unberücksichtigtes" sei ein Zuschlag von 5 bis 15 Prozent angesetzt, dazu Reserven mit 24 bis 30 Prozent Zuschlag auf die Baukosten.

Nach dem Landesgeologen Ludwig Fegerl gibt es beiderseits der Salzach viele Erfahrungen im Seeton, von Problemen wie Schiefstellungen und Nacharbeiten bis zu Bauwerken, die "völlig problemlos" errichtet worden seien. In den vergangenen Jahren habe sich durch den Einsatz neuer Erkundungsmethoden das Verständnis für den Baugrund in der Stadt maßgeblich verbessert. Zum geplanten S-Link sagt Fegerl: "Ein Tunnelbau ist eine besondere Herausforderung. Eine, die in vergleichbarer Geologie bereits in vielen anderen Städten erfolgreich bewältigt wurde." Durch angepasste Vorsicherungsmaßnahmen würden Auswirkungen reduziert werden. Aber er räumt ein: "Natürlich, wie bei jeder Baustelle, wird es Auswirkungen geben, die mittlerweile aber zuverlässig prognostizierbar sind. Wir sollten Respekt, aber keine Angst vor diesem Projekt haben."

Daten und Fakten: Was ist der "Salzburger Seeton"?

Vor mehr als 10.000 Jahren bildete sich ein See im heutigen Stadtgebiet von Salzburg. Das Salzburger Becken wurde in der letzten Eiszeit also vom Salzachgletscher geformt. Es kam daraufhin zu feinkörnigen Ablagerungen, die der Stadt den Untergrund bescherten, der noch heute vorzufinden ist.

Diese Schicht kann mehrere Hundert Meter dick sein und ist heute in weiten Teilen mit mehreren Metern an Schotter der Salzach und der Saalach oder auch von Torf überlagert.

Umgangssprachlich spricht man vom "Salzburger Seeton". Geologen bezeichnen ihn auch als "Feinsanddominierte Stillwasserablagerungen" oder "Schluff" = eine feinkörnige, wasserempfindliche Bodenart, die oft in Form von Lehm auftritt.

Landesgeologe Ludwig Fegerl: "Entgegen der Namensgebung ist der sogenannte Seeton in den oberen Horizonten eher ein feiner Sand und wird zur Tiefe hin ein Ton. Eine rund 200 Meter mächtige Ablagerung, die noch messbare natürliche Setzungen verursacht.

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