Der Einzelhandel tritt auf der Stelle, der Hauptkonkurrent sitzt online. Da ist es ein schwacher Trost, dass das Bundesland Salzburg verglichen mit anderen Regionen in Österreich immer noch über ein hohes Kaufkraftniveau verfügt.
Murauer erklärt Kaufkraft-Studie Salzburg
Alle Zahlen zum Thema Kaufkraft und Einzelhandelsstruktur im Bundesland Salzburg präsentierte Roland Murauer in der Vorwoche. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsagentur CIMA aus Ried im Innkreis und Autor der mittlerweile dritten SABE-V-Studie zur Erhebung der Kaufkraft und Verkaufsflächen im Bundesland Salzburg. Diese Erhebung wird alle zehn Jahre von der Salzburger Wirtschaftskammer in Auftrag gegeben. Im Interview mit der Salzburger Woche erläutert Murauer die Hintergründe.
Wirtschaftskammer: Verkaufsflächen begrenzen
Die neue SABE-V-Studie zur Untersuchung der Kaufkraft zeigt auf, dass 200 Millionen Euro mehr ins Bundesland reinfließen als raus. Also alles in Ordnung?Murauer: Nur wenn man es isoliert betrachtet. Tatsache ist, dass neben den Salzburgern auch die Menschen aus den Grenzräumen zusehends online einkaufen und vor allem die Zuflüsse aus Oberösterreich seit 2014 mit vier Prozent nur klein gewachsen sind. Salzburg hat verhältnismäßig viel Handelsfläche, die will ausgelastet werden. Vor allem die Bayern sind da eine unheimlich wichtige Gruppe, ohne die würde die Salzburger Handelslandschaft längst ganz anders aussehen.
Jetzt ist es ja Fakt, dass in Salzburg gerade Orte mit diesen großen Verkaufsflächen profitieren. Auf der anderen Seite fordert die Wirtschaftskammer: keine neuen Verkaufsflächen mehr. Ist das nicht irgendwo eine Diskrepanz?Nein, man kann die Zahl der Verkaufsflächen steigern bis zu einem gewissen Punkt. Dann geht die Kurve wieder nach unten, egal ob noch mehr Flächen dazu kommen. Das zeigt sich jetzt schon bei der Dynamik der Kaufkraftströme. Die Zuflüsse von außen beschränken sich auf wenige Orte im Zentralraum . Man muss aber auch berücksichtigen, dass diese auch Kaufkraft aus dem Flachgau selbst oder dem Innergebirg' absaugen. Das ist dann mit der regionalpolitischen Brille auf der Nase wieder nicht so optimal. Die Politik hat mit dem Salzburger Raumordnungsgesetz die Versorgung der lokalen Bevölkerung sicher zu stellen. Wenn sie das in Gegenden wie Abtenau, Golling oder Seekirchen nicht mehr erfüllen kann, ist das aus dieser Warte ein Negativum.
Wirtschaftskammer fördert Masterplan-Entwicklung
Im Flachgau werden 80 Prozent des Umsatzes in sechs Orten erwirtschaftet. Wie bewerten Sie diese Konzentration?Ja, das sind die Orte rund um die Stadt Salzburg, der so genannte Speckgürtel. Kommt dazu, dass viele andere Orte wie Straßwalchen oder Obertrum ihre größeren Handelsbetriebe an die Peripherie verlegt haben, was die Ortskerne ausdünnt. Der Speckgürtel ist flach, wir haben außer zur Stoßzeit in der Regel eine gute Verkehrsanbindung und es gilt halt auch hier: Wo Tauben sind, da fliegen Tauben zu. Die kleineren Orte halten mit Ortsmarketing-Initiativen dagegen, können aber auch nicht gegen den Wind spucken und können - was die Massenkonsum-Kaufkraft angeht - nicht wirklich reüssieren.
Wenn wir lösungsorientiert denken - Wie realistisch ist der von der Wirtschaftskammer angedachte Masterplan zur künftigen Entwicklung der Einzelhandelsstruktur im Bundesland?Salzburg ist da schon weiter wie Oberösterreich. Diese Gemeindeplanungsverbände für eine abgestimmte Entwicklung würden wir uns in Oberösterreich wünschen. Klar stellen muss man: So ein Masterplan ist natürlich nicht als Einzelwaffe zu sehen und es geht dabei nicht um Rückbauten. Da wären wir in der tiefsten Planwirtschaft, das könnte man höchstens noch in Nordkorea so umsetzen.
Schließungen treffen auch große Einzelhändler
Was gilt es stattdessen konkret zu tun?Wir beobachten, dass auch großflächige Anbieter unter Druck geraten. Man sieht das am Beispiel der Schließung der Möbelkette Kika/Leiner. Auch große Filialisten, die früher in Einkaufs- und Fachmarktzentren eingemietet waren, haben heute mit Leerständen zu kämpfen. Sie haben ihren Online-Verkauf ausgebaut, wenn ein Standort jetzt nicht performt, gehen sie dazu über zu schließen oder die Verkaufsfläche zu verkleinern. Dadurch geraten die Centermanager ins Schwitzen, fahren eventuell die Miete zurück. Das setzt eine Abwärtsspirale in Gang.
Einzelhandel entdeckt neue Nutzungsmöglichkeiten
Was passiert in der Folge?Mit der Gastro können sie diese Leerstände oft gar nicht mehr auffüllen, denn die kämpft ja mit den selben Problemen: hohe Mietkosten, strenge Vorschriften, viel Bürokratie, es findet sich kein Personal, das Erwirtschaften der Umsätze wird zunehmend schwieriger... ...also macht man, was sich in Salzburg am Beispiel der leeren Baumärkte in Wals-Himmelreich zeigt. Man setzt auf multi-use.
Multi-Use-Konzepte verändern Städte
Multi-use?Ein Trend aus dem angloamerikanischen Raum. Multi-use hat sich auch bei uns in den vergangenen zwei Jahren zu einem geflügelten Wort entwickelt. Die Immobilienentwickler bauen ein Einkaufscenter wie eine Innenstadt: bestehend aus nur mehr 25 bis 30 Prozent Handel, erweitert um Gastronomie, aber auch Freiberufler, Gesundheitsdiensten, Sozialeinrichtungen, einer Bibliothek, Kindergärten und Schulen - was eben Frequenz bringt.
Legislative hinkt Marktdynamik hinterher
Klingt nach keiner guten Entwicklung für die Ortskerne.Nein, ist es auch nicht. Das Hauptproblem ist, dass die Raumordnungsgesetzgebung darauf noch nicht reagieren kann, weil die Legislative der realen marktpolitischen Situation hinterher hinkt. Beispiel Kika Saalfelden: Wenn die jetzt ein Gesundheitszentrum oder einen Indoorspielplatz dort ansiedeln, ist das für die Innenstädte ein doppelt und dreifacher Nackenschlag. Warum? Draußen ist die Verkehrsanbindung oft besser, die Mieten vielleicht günstiger. Die Angestellten, wenn sie in der Stadt arbeiten, trinken ja auch ihren Kaffee dort. Fallen sie weg, wer soll sich dann noch in den Innenstadt-Lagen ansiedeln?
Politik soll Innenstadtrevival stärken
Wie lautet Ihre Antwort darauf?Die Politik muss die Rahmenbedingungen für die Innenstädte verbessern und wieder stärker in ihre Wettbewerbsfähigkeit investieren, um Waffengleichheit herzustellen. Schulen, Kindergärten oder Kultureinrichtungen an den Rand abzusiedeln, nur weil es auf der grünen Wiese vermeintlich leichter geht, ist kontraproduktiv. Dieses Signal gilt es auch an die private Seite zu senden: Investiert in die Ortskerne!
Gemeinden sind in der Pflicht
Wen sehen Sie in der Pflicht?Die Landes- wie Gemeindepolitik. Auch letztere darf da keine Vogelstrauß-Politik betreiben oder übergeordnete Bestrebungen wieder konterkarieren. Nehmen wir Eugendorf. Das war 2002 eine Gemeinde der Kategorie D. Da hätte niemals ein 500 Quadratmeter Supermarkt auf der grünen Wiese entstehen dürfen. Ich verstehe den Druck, unter dem auch Bürgermeister und Gemeinderat im Angesicht potenzieller Investoren stehen, aber sie sind nun einmal die Baubehörde erster Instanz und haben es in der Hand. Dass es auch gemeinsam geht, zeigt Vorarlberg. Dort gibt es seit 2015 einen gemeindeübergreifenden Einzelhandelsmasterplan mit fokussierter Ansiedelungspolitik, wie ihn die Wirtschaftskammer jetzt auch fürs Bundesland Salzburg bis 2035 fordert.