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Der Wald als Jungbrunnen

Fichtennadeln als Bieraroma, Harz als Heilöl - der Wald ist Quelle für eine Vielzahl von Produkten.

Braumeister Axel Kiesbye sammelt Zutaten für das Waldbier.
Braumeister Axel Kiesbye sammelt Zutaten für das Waldbier.

Der Wald aus wirtschaftlicher Sicht - da denkt man an Holz zum Bauen oder zum Heizen sowie an Nahrungsmittel wie Beeren, Schwammerl oder Kräuter. Es gibt aber noch viel mehr Produkte aus dem Ökosystem Wald. Dank der Vielfalt an Pflanzen und Tieren und vor allem dank seiner Eigenschaft, Kohlendioxid (CO₂) zu binden und in Sauerstoff zu verwandeln, ist der Wald ein Sammelbecken für die Entstehung von Leben, Jungbrunnen für Regeneration und Inbegriff für Artenvielfalt und laufende Erneuerung der Natur.

Es ist kein Zufall, dass Märchenfiguren wie Hexe oder Zauberin - so wie ihr männliches Gegenstück - oft im Wald leben. Ihre magischen Kräfte beruhen meist auf den dort wachsenden Früchten und Kräutern. Jeder Zaubertrank hat Zutaten aus dem Wald, die mitunter genau von dort stammen müssen, "wo der Wald am dunkelsten ist".

Wald bietet wertvolle Düfte und Substanzen

Keine Zaubertränke, aber ätherische Baumöle gewinnen gesundheitsbewusste Menschen heute aus dem Wald. Nicht weniger als 108 Rezepturen aus 15 unterschiedlichen Baumölen nennen die Autorinnen Anusati Thumm und Maria Kettenring in ihrem Buch "Waldmedizin", von A wie Atlaszeder bis Z wie Zypresse.

Die wohltuende und heilsame Wirkung von Waldluft ist wissenschaftlich erwiesen. Sie ist ein Resultat der Mischung aus sauerstoffreicher Luft, ätherischen Ölen aus dem Harz von Bäumen, den Düften von Gräsern und Blüten, angereichert mit einer hohen Anzahl von Ionen. 2000 bis 4000 negative Ionen pro Kubikzentimeter Luft gelten als Minimum für gesunde Luft, an Wasserfällen, am Meer oder in hoch gelegenen Wäldern kann der Wert auf bis zu 100.000 Ionen steigen. Japanische Forscher stellten 1982 fest, dass mehrstündige Ausflüge im Wald nicht nur Stresshormone senken, sondern auch Herz, Kreislauf und Immunsystem nachhaltig stärken. Daraus entwickelten die Japaner die beliebte Therapieform "shinrin yoku", auf Deutsch "Waldbaden".

Öl ist eine Form, die wertvollen Düfte und Substanzen des Walds einzufangen und für den Menschen nutzbar zu machen, Medikamente sind eine andere. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Salicylsäure. Aus diesem Produkt der Weidenrinde wird Aspirin gewonnen.

Das Wissen um den Wald ist sehr alt

Das Wissen um die heilsame Wirkung von Pflanzen und Kräutern aus dem Wald ist alt. Schon die Steinzeitmumie Ötzi führte wertvolle Heilkräuter mit sich. Und Wald gab es früher fast überall. Bis ins Mittelalter war der Großteil Mitteleuropas von dichten Wäldern überzogen. Schon die Römer beschwerten sich darüber. "Sie bedecken das ganze übrige Germanien und fügen zur Kälte noch das Dunkel der Schatten", klagt Plinius.

Eine andere Art, Aromen und Wirkstoffe aus dem Wald kulinarisch nutzbar zu machen, besteht darin, sie etwa Bier beizumengen. Das ist die Grundlage für das "Waldbier", das Braumeister Axel Kiesbye seit 2011 jährlich in Zusammenarbeit mit den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf) herstellt.

Die Initialzündung dazu sei ihm bei einer Bierverkostung in Schottland gekommen, erzählt er. "Da gab es ein Bier mit Fichtennadeln zur Aromatisierung, weil der Hopfen so weit im Norden nicht mehr wächst." Daher hätten sich schon die Wikinger mit diversen Zutaten aus dem Wald beholfen, um ihrem Bier Geschmack zu verleihen. Früher war das nichts Ungewöhnliches. "Was wir unter Bier verstehen, mit den Hauptbestandteilen Malz, Wasser, Hefe und Hopfen, ist nur eine moderne Interpretation des Bierbrauens", früher habe man verwendet, was gerade zur Hand gewesen sei.

Holz im Bier und in Kleidung

So begeistert habe ihn diese Möglichkeit, dass er selbst begonnen habe, Bier mit Waldzutaten zu brauen. Seit 13 Jahren gibt es jährlich ein "Waldbier", mit ausgefallenen Zutaten wie Elsbeere (2019), Holzbirne (2018) oder Alpenwacholder aus Salzburg (2016). "Es geht auch darum, ungewöhnliche Bestandteile zu verwenden, um Aufklärungsarbeit zu leisten, was im Wald alles wächst", sagt Kiesbye. Sorge, dass ihm eines Tages die Zutaten ausgehen könnten, hat er nicht. "In Österreich gibt es 64 heimische Baumarten, außerdem könnte man unterschiedliche Bereiche davon verwenden wie Blätter, Harz, das Holz oder die Wurzeln", man könnte die Zutaten etwa auch räuchern oder in Holzfässern einlagern.

Holz eignet sich auch perfekt zur äußeren Anwendung. So lässt sich aus in Wasser eingeweichten Holzschnipseln Zellstoff gewinnen, der anschließend zu Kleidungsstücken wie dem "Woodshirt" verarbeitet werden kann. Holz hat gegenüber Baumwolle den Vorteil, dass es nicht importiert werden muss, das Material kühlt bei Wärme und wärmt bei Kälte. Zu den Technologieführern zählt das oberösterreichische Unternehmen Lenzing, das für seine Spezialfasern wie Tencel zu mehr als 99 Prozent zertifiziertes und kontrolliertes Holz aus der EU nutzt.

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