Beim Image hat man kein Problem. Der großen Mehrheit der Österreicher ist der Friseurbesuch so wichtig, dass man nicht darauf verzichten möchte. Mehr als 74 Prozent sehen das Image des Berufs laut einer jüngsten Umfrage positiv. Selbst auf die Frage, ob sie sich selbst den Job vorstellen könnten, antworten noch vergleichsweise viele - nämlich 16 Prozent - mit Ja.
Die Realität aber, sagt Gottfried Kraft, Geschäftsführer von Österreichs größter Friseurkette Klipp, sei deutlich düsterer. Die Zahl der Lehrlinge hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als halbiert. Bildete die Branche 2010 noch über 4800 Lehrlinge aus, waren es im Vorjahr nicht einmal mehr 2000. Das liege nicht nur daran, dass angesichts eines vergleichsweise niedrigen Gehalts immer weniger Jugendliche für den Friseurberuf zu begeistern seien. Auch immer weniger Betriebe würden Lehrlinge ausbilden. Denn stark im Steigen sei zuletzt nicht nur die Zahl der Einfrauunternehmen, sondern auch jene der Barbershops, Herrenfriseure meist mit Migrationshintergrund. Und die bildeten meist keine Lehrlinge aus. Anders als die Zahl der Lehrlinge ist die Zahl der Betriebe gestiegen. Waren es laut Daten der Wirtschaftskammer 2010 noch 7084 aktive Mitglieder, zählte man im Vorjahr 9625. "Das bedeutet aber auch, dass wir uns - wenn es so weitergeht - selbst abschaffen", sagt Kraft. Denn nur wer eine Lehre macht, kann Friseurin oder Friseur werden.
Gehälter deutlich erhöht
Bei Klipp habe man die Konsequenzen gezogen - und zahlt seit heuer deutlich mehr. Statt der KV-Erhöhung von 9 Prozent habe man die Gehälter der 1300 Klipp-Mitarbeiterinnen um etwa 18 Prozent erhöht, sagt Kraft. All jene, die länger als sechs Jahre im Betrieb sind, lägen damit bereits deutlich über 2000 Euro brutto im Monat, dazu kämen Prämien und Trinkgeld. Auch den Lehrlingen zahle man mehr. Statt 700 sind es im ersten Lehrjahr 800 Euro, 1300 Euro statt 1080 im dritten Lehrjahr. Die Zahl der Lehrlinge habe man heuer auf 168 steigern können, 200 sollen es in den kommenden Jahren sein.
Das Umfeld in der Branche sei zuletzt rauer geworden. Zwar habe das Welser Familienunternehmen Klipp im Vorjahr wieder die Umsätze der Vorcoronazeit erreicht. In den österreichweit 164 Filialen setzte man rund 50 Mill. Euro um. Höhere Preise durchzusetzen werde aber schwieriger. Der Anteil der Schwarzarbeit in der Branche wird seit Langem auf etwa 40 Prozent geschätzt. Dazu kämen zuletzt Dumpingpreise der neuen Konkurrenten. "Wenn Barbershops den Herren-Haarschnitt um 10 bis 15 Euro anbieten, stimmt irgendetwas nicht. Wenn man alle Steuern und Sozialabgaben zahlt, geht sich das nicht aus", sagt Kraft. Angesichts der Kleinheit der Betriebe werde seitens der Finanzpolizei hier wohl wenig hingeschaut.
54 Prozent sprechen von "schwierigen Kunden"
60 bis 70 Prozent des Umsatzes flössen bei einem Friseur in die Lohnkosten. Um die erhöhen zu können, habe man bei Klipp im Jänner die Preise dennoch um zehn Prozent erhöht. Denn das vergleichsweise geringe Gehalt sei immer noch der Hauptgrund, der bei Umfragen als Argument gegen den Friseurberuf angegeben wird (79 Prozent). Gefolgt im Übrigen vom Thema "schwierige Kunden" mit 54 Prozent. Die Aggressivität sei in der Coronazeit höher geworden, sagt Kraft. "Beim Kontrollieren des Grünen Passes wurden unsere Mitarbeiterinnen teils tätlich angegriffen und bespuckt." Auch darauf habe man reagiert und biete während der Lehre bereits Coachings für den Umgang mit "anspruchsvollen Kunden", wie man sie lieber bezeichnet.
Erschweren würde die Personalsituation auch weiter das Thema Kinderbetreuung. Bei 1300 Mitarbeitenden, zumeist Frauen, seien pro Jahr an die 100 in Karenz. Die zurückzugewinnen sei - gerade in ländlichen Regionen - angesichts mangelnder Betreuungsmöglichkeiten extrem herausfordernd.