Einatmen - ausatmen - einen Fuß vor den anderen setzen und den Geist rasten lassen. Dass Wandern eine entschleunigende und befreiende Wirkung entfalten kann, ist nicht ungewöhnlich, sondern eigentlich logisch. Unser ganzer Muskelapparat ist dafür ausgelegt zu gehen oder zu laufen. Wenn unser stressiger Alltag Bewegung nicht zulässt, beginnt uns etwas zu fehlen, wir fühlen uns nicht mehr wohl. Nur einzelne Tage, vielleicht auch eine Woche, um dieses Defizit auszugleichen, genügen vielen Menschen heute nicht mehr. Der Wunsch, weite Strecken unterwegs zu sein, lange zu wandern und zu gehen, wird bei vielen immer größer. Diesen Eindruck bestätigt das Weitwanderportal weitwandern.com. Insbesondere seit der Coronapandemie könne man von einem Boom sprechen, der sogar die Fernreisen abgelöst habe, heißt es. Die Kombination aus sportlicher Herausforderung, Entschleunigung und dem intensiven Erleben der Natur trifft vor allem bei einer jüngeren Zielgruppe genau den Nerv. Eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren auch in der zunehmenden Anzahl an neuen Weitwanderwegen widerspiegelt. Die Gründe, die Menschen dazu bringen, auf längere Wanderschaft zu gehen, sind breit gefächert. Einige Menschen haben Sehnsucht nach einem intensiven Naturerlebnis oder einer Auszeit, wieder andere wollen sich Landschaften erschließen, die nicht für alle zugänglich sind. Auch mentale Aspekte spielen eine Rolle. Die kontinuierliche Bewegung beim Gehen bringt nicht nur Fitness und Ausdauereffekte, sondern wirkt sich letztlich auch positiv auf die psychische Gesundheit aus. Weitwandern ist trotz allem keine neue Erfindung. Die Europäischen Fernwanderwege (der E1, E2 oder E5) wurden schon Ende der 60er-Jahre initiiert, um Europa durch ein Wanderwegenetz stärker zu verbinden. In den darauffolgenden Jahrzehnten entstanden zwölf große Europäische Fernwanderwege, die ein Netz von 60.000 Kilometern umfassen, leider sind sie in einigen europäischen Gegenden schlecht, manchmal sogar gar nicht markiert. Mitteleuropa bildet hier eine rühmliche Ausnahme. Die Fernwanderwege, darunter vor allem die Alpenüberquerungen, sind sehr gut ausgeschildert und deshalb auch sehr gut frequentiert.
Auf den Schwingen des Adlers durch Tirol
Inmitten der Tiroler Bergwelt bietet der Adlerweg eine herausfordernde Weitwanderroute, eine phänomenale Kulisse und unvergessliche Naturerlebnisse.


Die zehn großen österreichischen Weitwanderwege haben gemeinsam, dass sie eine Länge von mindestens 300 Kilometern aufweisen und durch drei oder mehr Bundesländer verlaufen. Sie wurden in den 1970er- und 80er-Jahren als überregionales Wegenetz angelegt und erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. Vier dieser Weitwanderwege durchmessen Österreich in Ost-West-Richtung, fünf verlaufen von Norden nach Süden. Mit einer Länge von 330 Kilometern zählt auch der Adlerweg in Tirol zu den großen Weitwanderwegen. Namensgeber der Strecke ist - wie könnte es anders sein - das majestätische Wappentier Tirols, das sinnbildlich für Kraft, Weitblick und Freiheit steht. Auch die Streckenführung - von St. Johann in Tirol im Osten bis nach St. Anton am Arlberg im Westen - erinnert an die Silhouette eines Adlers mit ausgebreiteten Schwingen. Anders als viele andere europäische Weitwanderwege, die sich von Nord nach Süd über Berg und Tal schlängeln, folgt der Adlerweg meist einer konstanten Höhenlinie von Ost nach West (Nordtirol) bzw. West nach Ost (Osttirol). Diese Route eröffnet atemberaubende "Adlerblicke": spektakuläre Aussichten auf tiefe Täler, schroffe Felswände und ferne Gipfelpanoramen. Wer auf dem alpinen Bergweg wandert, braucht Mut, Kraft sowie Ausdauer, wird dafür aber mit einzigartigen Ein- und Ausblicken belohnt. Mit einer Gesamtlänge von 330 Kilometern in Nordtirol (24 Etappen) und 96 Kilometern in Osttirol (9 Etappen) führt der Adlerweg durch einige der beeindruckendsten Gebirgszüge Tirols: Kaisergebirge, Brandenberger Alpen, Karwendelgebirge, Tuxer Alpen, Wettersteingebirge, Lechtaler Alpen und Hohe Tauern.
Vision und Idee
Die Idee des Adlerwegs entstand aus der Vision, Tirol als Ganzes wandernd erlebbar zu machen. Seit seiner Einführung im Jahr 2005 entwickelte er sich rasch zu einem der herausragenden Weitwanderwege Europas. Bis 2007 wurde das Wegenetz durch die Anbindung der südlichen Täler mit Regionalrouten ("Adlerwegfedern") auf insgesamt 127 Etappen erweitert. Eine Neustrukturierung im Jahr 2015 führte zur heutigen, reduzierten Streckenführung und ging mit einer thematischen Schärfung einher, die das Erlebniskonzept sowie die Zielgruppendefinition präzisierte und so eine klare Positionierung des Adlerwegs ermöglichte. Besondere Highlights des Adlerwegs sind - neben den "Adlerblicken" - die Alpingeschichten, die jede Etappe mit faszinierenden Einblicken in die Geschichte, Mythen und Besonderheiten der jeweiligen Gebirgszüge bereichern. Diese Erzählungen können online sowie entlang der Route auf den Hütten in Buchform gelesen werden - eine literarische Begleitung, die den Weg noch erlebnisreicher macht.

"Der Adlerweg ist unser Herzstück beim Weitwandern und 20 Jahre nach seiner Entstehung mehr denn je ein Symbol für Tirols alpine Identität", verdeutlicht Tirol-Werbung-Geschäftsführerin Karin Seiler. "Er führt quer durch unser Land und macht die Bergwelt für Einheimische wie Gäste in ihrer ganzen Vielfalt erlebbar: Die 33 Etappen bieten lohnende Panoramen, führen durch verschiedenste Naturräume sowie Vegetationsformen und lassen eine vielfältige Tierwelt entdecken. Und die Hütten und Almen entlang der Strecke sind willkommene Gelegenheiten zum Einkehren und Krafttanken."
König der Tiroler Berge
Mit etwas Glück können Wandernde die Steinadler entlang des Adlerwegs sogar in freier Wildbahn beobachten - ein Anblick, der vor über 100 Jahren kaum möglich gewesen wäre, da der Bestand in Österreich stark dezimiert war. Dank vieler Bemühungen sind die Greifvögel aller Wahrscheinlichkeit nach sogar in jedem Tiroler Tal heute wieder heimisch. Besonders im Karwendelgebirge zählt man eine der höchsten Adlerdichten im gesamten Alpenraum. Mit ihrer beeindruckenden Flügelspannweite von bis zu 2,4 Metern und einer Jagdgeschwindigkeit von bis zu 300 Kilometern pro Stunde gleiten sie hoch über den Berggipfeln und machen dem symbolgebenden Namen Adlerweg alle Ehre. Zum 20-jährigen Jubiläum des Adlerwegs setzen die Regionen entlang der Route einen thematischen Schwerpunkt und laden mit speziellen Angeboten zum Erwandern und Entdecken ein. Wandernde können sich auf exklusive Jubiläumsaktionen freuen: Ab Sommer 2025 bietet die Tiroler Zugspitz Arena mit dem neu errichteten "Adlerweg-Fotopoint" eine besondere Gelegenheit, Erinnerungen festzuhalten. Die Hütten entlang des Wegs verwöhnen Gäste mit speziellen Adlerweg-Gerichten. Ein weiteres Highlight ist die "Adlerweg-Challenge" in St. Anton am Arlberg - wer sie meistert, wird mit einem Jubiläums-Goodie-Bag belohnt. Auch die umweltfreundliche Erreichbarkeit des Adlerwegs wird betont: Dank des gut ausgebauten Netzes an öffentlichen Verkehrsmitteln sind viele Etappen des Weitwanderwegs gut erschlossen und ermöglichen eine bequeme Anreise mit Bus und Bahn.
Adlerweg - Info
426 km Länge
33 Tagesetappen (1 leicht, 20 mittelschwierig, 12 schwierig)
30.000 hm bergauf, 28.000 hm bergab
7 Gebirgszüge durch Nord- und Osttirol
75 Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten entlang der Strecke
Höchster Punkt: 2848 Meter Seehöhe (Gradötzscharte auf Etappe 7)
