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Der Reiz des Kaffees: Herr Werner ist ihm verfallen

Ein Moment für alle Sinne. So wird der Genuss von Kaffee oft beworben. Ein Röster aus Oberalm erklärt, wie aus den Kaffeekirschen das beste Aroma gewonnen wird.

Werner Brunner hat seine Kaffeerösterei im Frühjahr 2017 gegründet.
Werner Brunner hat seine Kaffeerösterei im Frühjahr 2017 gegründet.

In Oberalm im Keller seines Einfamilienhauses hat sich Werner Brunner sein Reich geschaffen: Eine eigene Kaffeerösterei. In Alukisten stapeln sich 70 Kilogramm schwere Jutesäcke, gefüllt mit Kaffeebohnen. In Regalen aufgereiht, warten die in Papiersäcken abgefüllten Kaffeebohnen auf die Auslieferung und in der Mitte des Raums steht die Röstmaschine, quasi das Herz des Raums. Aus den Kellerschächten weht der süßliche Duft der Kaffeebohnen bis in den Garten. Werner Brunner - oder Herr Werner, wie er seine Rösterei nennt - hat sich hier seinen Traum erfüllt.

Nach 23 Jahren im öffentlichen Dienst hat der 47-Jährige seinen Bürojob vor fünf Jahren für die Gründung seiner eigenen Rösterei aufgegeben. "Es hat Mut gebraucht, aus diesem sicheren System auszusteigen", sagt er. "Aber es gibt einem auch viel zurück, aus gewohnten Strukturen auszubrechen und neue Wege zu gehen." In weißem Hemd und mit Turnschuhen sitzt er in seinem Garten, vor ihm ein frisch gebrühter Kaffee. Er wirkt zufrieden, seine Rösterei läuft gut, im Herbst wird seine Frau in das Geschäft einsteigen. Derzeit ist er ausschließlich als fahrender Röster unterwegs: Im Garten ist seine Kaffeebar aufgebaut. Aus einer ausgedienten Skigondel hat er sich sein mobiles Café gezaubert. Bei Hochzeiten, den Festspielen und anderen Events kann er den Gästen so frisch gemahlenen Kaffee anbieten.

Faktoren für den Geschmack

Brunner bietet ausschließlich Specialty Coffee an. Der Begriff beschreibt hochwertigen Kaffee mit besonderen Geschmacksprofilen. Die Qualität des Rohkaffees wird in sogenannten Cuppings nach einem internationalen Punktesystem bewertet. Kaffees ab einem Cupping Score von über 80 gelten als Spezialitätenkaffees.

Der Geschmack des Kaffees wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Die Auswahl der Kaffeebohnen (eine Kaffeekirsche enthält zwei Bohnen), das Röstverfahren und die Art der Zubereitung entscheiden über das Aroma. Obwohl mehr als 100 verschiedene Kaffeearten bekannt sind, sind für Kaffeetrinker nur die beiden Sorten Arabica und Robusta relevant. Arabica-Bohnen schmecken im Gegensatz zu den Robusta-Bohnen fruchtiger und aromatischer und enthalten weniger Bitterstoffe.

Produkt und Philosophie müssen stimmen

In seinem Röstzimmer legt Brunner eine Lederschürze an, öffnet einen Jutesack und füllt fünf Kilogramm frische Kaffeebohnen aus dem äthiopischen Regenwald mit einer kleinen Metallschaufel in einen Behälter. Dann schüttet er die Bohnen in den gusseisernen Trommelröster. "Kaffeerösten ist für mich etwas meditatives", sagt er. Den Ofen hat er vor einer halben Stunde aufgeheizt. Es ist der kleinste Röstofen, den er bekommen konnte. "Der Einzige, den wir über die Stiege bekommen haben." Die Herr Werner Rösterei ist eine der kleinsten in Salzburg, einige Tonnen hat Brunner im vorigen Jahr geröstet. Im Salzburger Raum ist der Kaffeemarkt hart umkämpft, die Konkurrenz groß.

Daher sei es wichtig, dass das jeweilige Produkt zur persönlichen Philosophie passe. In der Herr Werner Rösterei war klar, dass der Kaffee Bioqualität haben und die Herkunft einwandfrei sein muss. "Vor der Pandemie wollte ich eigentlich nach Mexiko fliegen - Mexiko ist der letzte Breitengrad, wo man Kaffee anbauen kann - aber dann ist Corona gekommen. Also habe ich mich online mit den Kaffeebauern getroffen. Es war eine super Skype-Konferenz. Ich habe den Bauern gesehen und seine Frau, wir hatten ein schönes Gespräch. Mein Gefühl zu der Familie war so gut, dass ich gesagt habe: ,Schickt die Paletten weg, das passt.'"

Brunner hat seinen Fokus auf kleine Chargen bei höchster Qualität gelegt. Industriekaffee wird sehr kurz und sehr heiß in 180 Sekunden bei durchschnittlichen 600 Grad Celsius geröstet. Kleinröster achten auf eine langsame und schonende Röstung: In 15 bis 20 Minuten und bei einer Temperatur von höchsten 230 Grad erhalten die Kaffeebohnen ihre typische braune Farbe. Durch das schonendere Verfahren bleibt der ursprüngliche Charakter der reifen Kaffeekirschen erhalten, der Kaffee wird geschmacklich intensiver und ist verträglicher. Die schädliche Chlorogensäure wird bei einer längeren Röstzeit und ab einer Temperatur von 208 Grad Celsius abgebaut, was besonders Menschen zugute kommt, die säureempfindlich sind. Ähnlich wie bei Wein, Zigarren und anderen Genussprodukten gibt es auch beim Kaffee verschiedene Geschmacksnuancen. Je nach Herkunftsland variieren diese. "Mal gehen sie ins Fruchtige oder Zitronige, dann wieder eher ins Schokoladige." Kaffee aus Brasilien schmecke nach Erdnuss oder Milchschokolade, jener aus Äthiopien hingegen nach Zitrusfrüchten. "Die Kunst besteht darin, den Kaffee so zu rösten, wie der Bauer im Herkunftsland ihn haben möchte." Einfluss auf den Geschmack kann man durch die Einstellung der Röstkurve nehmen. Zwar gibt es spezielle Computerprogramme, die den Röstvorgang automatisiert steuern, Brunner setzt aber lieber auf seine Sinne. Alle paar Minuten öffnet er den Röster und entnimmt einige Kaffeebohnen. Geruch und Farbe geben Hinweise, ob die Temperatur nachkorrigiert werden muss. Brunner genießt die Ruhe und die Konzentration, die ihn bei der Arbeit begleiten. Im Vergleich zu seinem früheren Job, wo er den ganzen Tag vor drei Computerbildschirmen gesessen sei, beanspruche diese Tätigkeit seine ganze Sensorik.

"Das ist das Schöne, wenn du bei der Arbeit was in der Hand hast", sagt er, als er die fertig gerösteten und ausgekühlten Bohnen in Papiersäcke füllt. Jeweils 1000 Gramm kommen in ein Päckchen, ehe er sie versiegelt und in die Holzregale einsortiert. Heute Nachmittag wird er sie noch ausliefern.