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Der stille Mann und die Fischsuppe

Am Wallersee ist es ganz leicht möglich, einen langen Augenblick glücklich zu sein. Am besten, Sie suchen dort einen Koch, der einen Fischer kennt - und bestellen Fischsuppe.

Christian Kapeller kümmert sich um die Zutaten von Emanuel Weyringers Fischsuppe.
Christian Kapeller kümmert sich um die Zutaten von Emanuel Weyringers Fischsuppe.

Da sitzt er auf seinem Boot und schaut auf das Wasser. Christian Kapeller, 89 Jahre jung. Kapeller fährt immer noch hinaus auf den Wallersee. So oft er kann. Und es gibt ganz bestimmt weltweit kaum jemanden, der so viele Sonnenaufgänge gesehen hat wie er. An diesem See wirkt auch Emanuel Weyringer. Der Koch erhielt vor Jahren an der Amalfiküste in Süditalien im Ristorante Don Alfonso 1890 mit drei Sternen vom "Guide Michelin" die höchsten kulinarischen Weihen. Dort interpretierte er noch süditalienische Fischsuppen. In Neapel heißt diese übrigens Acqua Pazza. Wörtlich übersetzt heißt das "verrücktes Wasser". Von diesen "verrückten Wassern" kam Weyringer nicht mehr los. Erst recht nicht in Hongkong, wo er als Küchenchef des Grand Hyatt den Geheimnissen der asiatischen Fischsuppen auf den Grund ging.

"Der wichtigste Tipp ist, dass der Fisch nie kochen darf. Kochen darf nur die Suppe, in der der Fisch dann nur noch eingelegt werden muss. Der gart dann auf dem Weg von der Küche bis zum Tisch. Dort ist er dann perfekt", sagt Weyringer. Die kurze Garzeit ist dem Umstand zu verdanken, dass Fisch im Gegensatz zu Fleisch über ganz wenig Kollagen verfügt. Theoretisch können Sie ein Fischfilet auch mit zwei Stamperln kaltem Schnaps übergießen. Das reicht auch zum Garen.

"Kapeller und ich leben beide am See. Was ich hier auf den Tisch bringe, soll den Geschmack des Sees abbilden." Deshalb schmeckt seine Fischsuppe auch nie gleich. "Ich verwende dafür die Fische, die ich von Kapeller kriege", sagt Weyringer. Nur der Zander kommt ihm nicht in die Suppe. Warum? "Der hat zu viel Eiweiß." Meistens seien es Seeforellen und Saiblinge, die er verarbeite. Und zwar vom Kopf bis zur Flosse. Denn für den Fond bedeckt er die Karkassen der Fische, also Kopf und Gräten, mit kaltem Wasser und einem halben Liter Grünen Veltliner. Genau genommen sollten die Karkassen fünf Zentimeter unterhalb des Wasser- und Weinstands sein. Was noch reinkommt: Salz, Zucker, ein bisserl Sojasauce, Ingwer, Zitronengras, eine Zwiebel mit der Schale, Karotten und Lauch.

Christian Kapeller kümmert sich um die Zutaten von Emanuel Weyringers Fischsuppe.
Christian Kapeller kümmert sich um die Zutaten von Emanuel Weyringers Fischsuppe.

Das wird so lange gekocht, bis der Schaum kommt. Dann sofort runterschalten (etwa von 10 auf 3) und zweieinhalb Stunden köcheln lassen. Durch ein Sieb passieren und etwas Pernod und ein paar Tropfen Sesamöl hinzufügen. Dann kommt noch fein geschnittener Ingwer dazu und ein paar haarklein geschnittene Zitronenzesten. In diese heiße Suppe müssen Sie nur noch Fischfilets und Enoki-Pilze einlegen - und fertig ist der kulinarische Himmelssturm. Frischer geht es nicht. Es sei denn, Sie machen es wie Maurice Edmond Sailland, der unter dem Pseudonym Curnonsky Ende des 19. Jahrhunderts zur Edelfeder reifte. Er berichtete von einem Ausflug mit Henri de Toulouse-Lautrec, der einen Kormoran zum Fischfang abgerichtet hatte. Dieser legte ihnen in der Normandie einen Fisch vor die Füße. Der wurde gegrillt. Auch nicht schlecht.