SN.AT / Panorama / Österreich

Der Schatz aus dem Mondsee

Martin Lackner und sein perfekter Karpfen: Er lässt ihn vor der Terrassentür fangen - und kocht ihn mit Gefühl.

Martin und Manu Lackner mit ihrem Lehrling Dominik.
Martin und Manu Lackner mit ihrem Lehrling Dominik.

Man sollte ihn anbinden", denkt sich der Gast, der es geschafft hat, Martin Lackner in seiner Küche besuchen zu dürfen. Eben haben wir noch Zwiebel karamellisiert. Dann kam ein Anruf. Er zog die Pfanne vom Herd und sagte: "Bin am Weg." Dann war er weg.

Jetzt stehe ich allein mit seinem Lehrling Dominik in der Küche des Restaurant Lackner. Der macht seine Sache gut und bereitet weiter die Zutaten vor. In Lackners Seehotel am Mondsee lässt es sich ohnehin recht angenehm warten. Das Grundstück reicht bis zum See, wo man auf dem hoteleigenen Steg die Beine baumeln lassen kann. Ein paar Minuten später ist der freilaufende Koch wieder da. "Ich sage dir ganz sicher nicht, von wem ich den habe", sagt er und präsentiert ein Steirerkren-Glas, in dem sich eindeutig knallroter Paprika befindet. "Ungarn. Mehr sage ich aber wirklich nicht" - sagt er dann doch noch. Den habe er grad bei einem Bekannten geholt. Dann hält er mir eine Art Lebkuchen unter die Nase. Der vermeintliche Lebkuchen entpuppt sich als fabelhaft gut stinkender Ziegenkäse aus Kroatien. Sehr trocken. Uralt.

Dann geht es ans Werk. Wenn man Lackner beim Hantieren mit seinen Pfannen zusieht, könnte man glatt meinen, dass der Mann vier Hände hat. Heute gibt es Karpfen auf pannonische Art. Soll heißen: Mit Paprikakraut, geschmortem Paprika, gebratenem Lauch und Topinambur. "Kommt ab Dezember auf die Karte", sagt er und flitzt hinaus zu seinen Hochbeeten.

Ein Abstecher in die Welt der Karpfen: Herkunft, Zubereitung und überraschende Geschichten

Nutzen wir die Zeit, um einen kleinen Exkurs über Karpfen zu machen. Ursprünglich war der Karpfen in Asien beheimatet. Es waren dann im nördlichen Alpenraum stationierte römische Legionäre, die diesen Süßwasserfisch als Ersatz für Meeresfische mitbrachten. Karpfen haben wie Meeresfische ein festes und fettes Fleisch. Sie sind auch sehr genügsam und bevorzugen stilles und kaltes Wasser. "Meine Karpfen hat der Fischenhauser Michi gefischt. Fast vor unserer Terrassentür. Der hat hier sein Fischwasser", sagt Lackner, während er mit einer handvoll frisch gezupfter Kräuter die Küche betritt. "Weiter hinten, beim Guglhupf, da hat der Daxner Hubert sein Fischwasser." Guglhupf? Lackner bemerkt meinen ratlosen Gesichtsausdruck und erklärt. "Da hinten. Da ist der Guglhupfberg." Ich vermute schön langsam, dass die Sendung "Versteckte Kamera" hinter Lackners Erzählungen steckt, erlange aber nach einer kurzen Google-Suche die Erkenntnis: Es gibt ihn wirklich - den Guglhupfberg. Für unser Gericht bereitet Lackner zuerst den Fischfond zu. Er röstet Karpfenkarkassen in einer Pfanne an und löscht sie dann mit Rotwein ab. Diese Sauce wird einreduziert, noch einmal mit Gemüsefond aufgegossen, einreduziert und zum Schluss mit Butter montiert. "Klassische uralte französische Küche", sagt er und lächelt selig. Jetzt kommt er zum Gemüseteil. Er erhitzt die karamellisierten klein geschnittenen Zwiebel wieder. Jetzt kommt das Kraut in den Topf dazu. Mit einem Handstreich ist die weiße Kraut-Zwiebel-Mischung tiefrot geworden. Das war der ungarische Paprika. Mit Gemüsefond aufgießen und köcheln lassen. Dann kommt noch etwas Fischfond dazu. "Jetzt schmeckt das Kraut schon wie ein Fischkraut", sagt Lackner ganz verschmitzt. Dieses Kraut darf dann noch ein bisserl weiterköcheln. Es riecht tatsächlich so gut nach Fisch, dass man diese Beilage schon als Hauptgericht durchgehen lassen kann. Aber nicht bei Lackner. Jetzt holt er aus dem Backrohr seine geschmorten und enthäuteten Paprika heraus. In einer zweiten Pfanne hat er schon wieder klein geschnittene Zwiebel karamellisiert. Da kommen jetzt die geschmorten Paprika dazu. Gut durchmischen. Fertig.

Der perfekte Karpfen aus dem Mondsee.
Der perfekte Karpfen aus dem Mondsee.

Etwas Fischfond hat Lackner noch übrig gelassen, den er jetzt in einer dritten Pfanne mit süßem Strohwein (Cabernet Sauvignon) verfeinert. Jetzt kommt das große Finale. Lackner schneidet quadratische Stücke vom Bauchlappen des Karpfens zurecht und brät sie in hitzebeständigem Öl an. Also Sonnenblumen- oder Rapsöl. Achten Sie beim Kauf des Fischs darauf, dass Sie einen Graskarpfen kaufen. Man kennt ihn auch als Weißen Amur. Von Spiegelkarpfen rät Lackner eher ab. "Die sind nicht so fein im Geschmack." Kurz bevor der Fisch fertig gebraten ist, gibt er noch Bohnenkraut und Thymian in die Pfanne. Der Fisch wird jetzt auf den Tellern angerichtet, begleitet vom Paprikakraut, den geschmorten Paprika, gebratenen Topinamburscheiben und gebratenen Lauchscheiben. Als Tüpfelchen auf dem i gibt es noch "Ripperl vom Karpfenbauch". Dieser Teil muss nur in der Pfanne kurz angebraten und gesalzen werden. Man zuzelt den Fisch dann ganz unkompliziert von der knochenharten Gräte. Fantastisch.

"Mitgekocht" heißt der Gastro-Podcast der Salzburger Nachrichten, wo wir routinierten Köchen und unbekannten Genies über die Schulter schauen.