Voller Energie stecken, das Gefühl haben, Bäume ausreißen zu können, sich den Herausforderungen des Lebens gewachsen fühlen. Das ist Stress, wie er sich von seiner positivsten Seite zeigt. Denn das Vorurteil, Stress sei grundsätzlich etwas Negatives, wird dem komplexen Konglomerat an Gefühlen nicht gerecht. Tatsächlich gibt es zwei Arten von Stress: Eustress und Distress, gleichbedeutend mit gutem und schlechtem Stress. "Während Eustress bewirkt, dass wir Mut und Kraft für die anstehenden Aufgaben erlangen und unsere Leistungsfähigkeit steigt, tritt der Distress bei Überforderung auf und führt zu psychischen und körperlichen Problemen", beschreibt Angelica Zellweger, Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin.
Merkmale von gutem Stress
Sowohl für den Eu- als auch für den Distress ist der Sympathikus verantwortlich: ein Teil des vegetativen Nervensystems im Rückenmark. "Unser Körper reagiert auf Herausforderungen, indem er den Sympathikus aktiviert", erklärt Zellweger. "Dieser wiederum lässt Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausschütten: ein Hormonbündel, das Energie verschafft, um Aufgaben zu meistern." Um den Körper mit dieser Energie zu versorgen, erhöhen sich der Blutdruck, der Spiegel von Cholesterin und Zucker im Blut sowie die Herzschlagrate. Aufmerksamkeit und Konzentration sind geschärft. "Wir sind jetzt im viel zitierten Flucht- oder Kampfmodus. Die Gefühle beim Eustress sind positive - Neugier, Freude, Lust, Schaffensdrang."
Merkmale von schlechtem Stress
Distress wiederum äußert sich mit negativen Empfindungen wie Angst und Überforderung. "Häufig steht die Furcht im Vordergrund, anderen oder sich selbst nicht zu genügen, etwas nicht zu schaffen", erklärt Zellweger. In diesem Fall ist der Sympathikus überaktiviert; etwas, das auch bei einem Zuviel an Eustress passieren kann. "Wenn ein Mensch vor lauter Wollen und Tun nicht mehr zur Ruhe kommt, kann das zu denselben Problemen wie Distress führen." Grundsätzlich erkenne man negativen Stress daran, dass die Freude an Dingen verloren geht sowie Gefühle von Hilflosigkeit und Ausgelaugtheit die Oberhand ergreifen. In weiterer Folge kann Distress zu psychosomatischen Problemen führen, darunter Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Durchfall, Stressessen oder das Meiden von Mahlzeiten, Darmbeschwerden und Schlafstörungen.
Gegenspieler Parasympathikus wichtig
Denn um gesund zu bleiben, benötigt der Körper den Gegenspieler des Sympathikus: den Parasympathikus. Diesen aktiviert der Körper, wenn die Herausforderungen erledigt sind und Ruhe einkehrt. "Der Parasympathikus sorgt für Regeneration, Wachstum, die Verdauung und ein starkes Immunsystem. Der Blutdruck sinkt, das Herz schlägt langsamer, der Körper erholt sich." Dazu gehört auch, dass sich die Magenschleimhaut wieder aufbauen kann. Diese dient als Schutzschicht vor der eigenen Magensäure - verkümmert sie, kann das unter anderem eine Gastritis nach sich ziehen. Auch die Barrierefunktion und Flora im Darm benötigen das Zutun des Parasympathikus. Wird dieser jedoch überaktiv, führt das zu Problemen wie Antriebslosigkeit und Depressionen. Auch gibt es die sogenannte Angststarre, wenn eine Situation unbewältigbar erscheint. Hier ist der Parasympathikus am Werk - führt jedoch nicht zur Regeneration, sondern zu einer Art Schockstarre.