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Generationenwechsel im Traditionsbetrieb - Käse ist in ihrer DNA verankert

Heumilch-Käse ist bei den Woerles jeden Tag Thema, ob auf dem Tisch zum Verkosten oder hinter dem Schreibtisch bei der Führung ihrer Privatkäserei. Gerhard Woerle und Gerrit Woerle im Gespräch:

Gerhard (links) und Gerrit Woerle.
Gerhard (links) und Gerrit Woerle.

Vor 50 Jahren hat Gerhard Woerle (77) selbst das Unternehmen seines Ururgroßvaters übernommen. Mit damals 50 Mitarbeitern. Mittlerweile sind für die Privatkäserei mit Sitz in Henndorf 380 Menschen tätig. Nun übernimmt das Unternehmen, das kürzlich sein 130-jähriges Bestehen feierte, sein Sohn Gerrit Woerle (35).

Ist der Rückzug aus dem Unternehmen für Sie schmerzhaft?
Gerhard Woerle: Nein, bis jetzt spüre ich noch nichts. Ich bin froh, dass wir die Übergabe gut vorbereitet haben und dass alles im grünen Bereich ist. Ich bin nach der langen Zeit auch nicht ungehalten, dass ich jetzt von der Bühne gehe. Ich bin ja weiterhin da, und man wird mich auch noch entsprechend brauchen.

Wie war Ihre Firmenübernahme vor 45 Jahren?
Gerhard Woerle: Ich arbeite seit 60 Jahren im Unternehmen. Die Firma war damals noch klein mit 50 Mitarbeitern und zwei Betriebsstätten, die zu meiner Zeit zusammengeführt wurden. Es hat immer gut funktioniert, die Entwicklung ist positiv. Das geht nur mit einem guten Mitarbeiterstab. Das ist da das Wesentliche.

Wie groß ist Ihre neue Herausforderung?
Gerrit Woerle: Man muss natürlich viel Energie aufwenden, wenn man so ein Unternehmen leiten will. Das Wichtigste ist der Spaß daran und die Freiwilligkeit. Es sind große Fußstapfen, in die ich trete, ich habe aber schon viele Stationen im Unternehmen durchgemacht. Wir haben ein gutes Team, sehr große Investitionen, die neue Käserei wird im April 2021 fertig, damit machen wir uns zukunftsfit. Es ist auch gut, wenn die ältere Generation noch greifbar ist, um sich einen Rat zu holen. Man muss auf dem Bestehenden aufbauen und das Unternehmen weiterentwickeln.

Bild: SN/nunofoto.com/woerle
Für Gerhard Woerle (77) kommt auch im Ruhestand keine Langeweile auf. Seine Naturverbundenheit und Reiselust wird er entsprechend ausleben und immer fürs Unternehmen da sein.

Heißt das, Woerle braucht etwas "frischen Wind"?
Gerrit Woerle: Ja, ich glaube aber nicht, dass alles, was alt ist, schlecht ist. Zur Zeit schauen wir uns neue Produktkonzepte an.

Wie ist Ihre Zusammenarbeit, funkt es zwischendurch auch mal?
Gerrit Woerle: Es wäre komisch, wenn wir immer selber Meinung wären. Gott sei Dank haben wir ein gutes Verhältnis. Natürlich haben zwei verschiedene Personen in zwei Generationen einen anderen Blickwinkel auf Dinge. So sollte es sein. Wir schaffen es immer gut, dass wir alles auf einer super Basis ausdiskutieren.

Gerhard Woerle: Das kann ich nur bestätigen. Wichtig ist, dass man sich auf Augenhöhe begegnet. Es gibt viel Jugend im Unternehmen, die Jungen haben bei uns immer eine Meinung haben dürfen. Das war immer schon so.

Sie waren ja viel im Ausland. Was haben Sie aus Chile mitgebracht?
Gerrit Woerle: Ich finde es wichtig, dass man einmal wegkommt, einmal die Scheuklappen aufmacht, andere Länder, andere Sitten kennen lernt. Und es ist wichtig, dem Fremden offen gegenüber zu sein. Man nimmt immer was mit, auch aus Gegenden, die nicht so entwickelt sind. Man schätzt dann umso mehr, wo man selbst leben darf, in welcher Natur wir uns befinden und wie gut es uns geht. In Chile habe ich gesehen, wie wichtig es ist, Wirtschaft und Ökologie zu verbinden und dass wir auf unsere Natur schauen müssen.

Wo in Chile waren Sie?
Gerrit Woerle: In der Atacama-wüste, im Norden Chiles. Ich habe dort fünf Monate ohne Strom, ohne fließendes Wasser gelebt und für ein kleines Tal eine nachhaltige Tourismusstrategie entwickelt.

Wie oft essen Sie Käse und welche ist Ihre Lieblingssorte?
Gerrit Woerle: Wir essen täglich Käse, weil das schon in unserer DNA verankert ist. Mir schmeckt der Mondseer und der Bergkäse.
Gerhard Woerle:Detto. Ich hab' aber auch mal gerne einen Ausländer, wie einen Gorgonzola. Der Emmentaler ist unsere Einser-Sorte, die jeden Tag um 9 Uhr von allen im Betrieb verkostet wird.

Hat Corona bereits zugeschlagen?
Gerrit Woerle: Wir sind bis jetzt sehr gut durch die Krise gekommen. Bei uns ist Hygiene von Haus aus ein sehr wichtiges Thema. Wir hatten Einzelfälle, die wir früh genug erwischt haben.

Ihr Käse wird aus Heumilch gemacht. War das schon immer so?
Gerrit Woerle: Ja. Der Flachgau und das Mondsee-Gebiet sind Heumilchgegenden. Wir waren die ersten, die den Begriff in Österreich definiert haben. Wir sind auch stolz, was uns gemeinsam mit der Arge Heumilch gelungen ist. Heumilch ist ein spezieller Rohstoff. Nur noch drei Prozent europaweit wird so ursprünglich produziert. All unsere Rezepturen beruhen darauf.
Gerhard Woerle: Wir haben das Glück, dass sich unser Urgroßvater in den Vorgarten Salzburgs gesetzt hat. Wir haben eine super Umgebung und einen tollen Absender. Damit sind wir auch draußen in 75 Ländern weltweit. Wenn du sagst, du kommst aus Salzburg, dann ist das auch ein kleiner Türöffner.

Bild: SN/nunofoto.com/woerle
Gerrit Woerle, 35, tritt in große Fußstapfen, wie er sagt. Er strotzt vor Ideen und Tatendrang und ist sich seiner Verantwortung, Mitarbeitern und Bauern gegenüber, bewusst.

Sie kennen alle Bauern und Bäuerinnen persönlich?
Gerhard Woerle: Ja. Es sind 500.

Ihr Betrieb strotzt ja nur so vor Auszeichnungen. Welche ist für Sie die wichtigste?
Gerrit Woerle: Das ist schwierig. Wir haben kürzlich den 14. "Käsekaiser" gewonnen. Das bestätigt uns sehr. Mein Vater hat 2012 den Käsekaiser für sein Lebenswerk erhalten, das ist sehr besonders.

Wie schaut Ihr Ruhestand aus?

Gerhard Woerle: Das ist eine gute Frage. Ich bin sehr gerne in der Natur, wandere, fahre mit dem Rad, genieße den Wallersee bis in den Oktober. Wenn das Wetter passt, gehe ich jeden Morgen um 6.30 Uhr schwimmen, sofern es nicht richtig waschelt. Wenn ich wieder Reisen darf, dann werde ich mir die Welt noch anschauen.

Welches Ziel muss noch sein?
Gerhard Woerle: Ich war noch nie in Australien und Neuseeland. Dort hätte ich schon lange mal einen Kunden besuchen sollen. Einmal möchte ich zurück in die Mongolei, wo ich vor zehn Jahren war, und mit der Transsibirischen nach Wladiwostok. Wichtig ist aber, dass der Kopf funktioniert und man gesund ist.

Welche Zukunftsvisionen haben Sie und möchten Sie Ihren Betrieb auch einmal an ein Kind weitergeben?
Gerrit Woerle: Ja. Das ist das Ziel. Wir im Familienbetrieb denken in Generationen. Wir haben einen anderen Planungshorizont. Bei uns spielt kurzfristige Gewinnmaximierung keine Rolle, umso mehr eine positive Entwicklung auf Sicht. Visionen sind, Ökologie und Ökonomie besser zu verbinden, konkurrenzfähig zu sein und mit einer ehrlichen Nachhaltigkeit zu arbeiten.

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