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Eine IT-Lehre als Game Changer

Bei "Counter-Strike" besiegt er virtuelle Gegner. Mit einer Lehre in der IT besiegt Niklas Wonnebauer seine Angst.

Niklas Wonnebauer ist im zweiten Lehrjahr in der IT-Abteilung der Zürcher Kantonalbank Österreich.
Niklas Wonnebauer ist im zweiten Lehrjahr in der IT-Abteilung der Zürcher Kantonalbank Österreich.

Sein Atem wird schnell, sein Herz klopft immer lauter, die Hände sind schweißnass. So geht es Niklas Wonnebauer noch vor wenigen Jahren, wenn er telefonisch eine Pizza bestellen oder einen Arzttermin ausmachen will. Telefonieren mit fremden Menschen empfindet der junge Salzburger damals als höchst unangenehm. In dieser Zeit verbringt er bis zu zehn Stunden täglich vor seinem Computer. In Eigenregie und mit YouTube-Videos eignet sich der Teenager viel Wissen über Soft- und Hardware an. "Computer haben mich schon immer brennend interessiert. Als ich zwölf war, habe ich meinen ersten PC zusammengebaut, mit 19 dann meinen ersten Server installiert", erinnert sich Wonnebauer. Am Dachboden seiner Eltern richtet er sich sein eigenes "Home Lab" ein, ein IT-Paradies, in dem er über die kommenden Jahre viel Zeit verbringen wird. Er lernt, wie man Webseiten programmiert, und beginnt auf diese Art, sein erstes eigenes Geld zu verdienen. Und das kommt ihm sehr gelegen, denn die Schule wird für ihn immer schwieriger. Schließlich schmeißt er sie hin.

"Counter-Strike": Bootcamp für Teamskills

Die meiste Zeit verbringt Niklas Wonnebauer jedoch spielend vor dem Computer. Das bekannte Online-Multiplayer-Game "Counter-Strike" führt ihn in eine digitale Parallelwelt, in der er gemeinsam mit Gamern aus der ganzen Welt versucht, virtuellen Gegnern das Handwerk zu legen. In 7000 Stunden Spielzeit erklimmt Wonnebauer sogar die Spitze des Leaderboards, einer Tabelle, die die Leistungen der Spielerinnen und Spieler aufzeigt. "Counter-Strike" zählt zu den sogenannten E-Sports, ist also ein Online-Game, in dem sich Spielende, ähnlich wie im Sport, untereinander messen und sogar Wettkämpfe austragen. Die Jagd nach Anerkennung und der ständige Wettbewerb treiben an, immer höhere Levels zu erreichen.

Viele seiner Fähigkeiten, die in der IT nützlich sind, hat sich Niklas Wonnebauer beim Zocken angeeignet.
Viele seiner Fähigkeiten, die in der IT nützlich sind, hat sich Niklas Wonnebauer beim Zocken angeeignet.

Dabei wird so einiges trainiert: das Zusammenspiel im Team, strategischer Weitblick und eine hohe Konzentration sind notwendig, um im richtigen Moment schnell zu reagieren. "Übers Computerspielen habe ich so vieles gelernt", freut sich Wonnebauer: "In der Schule hatte ich nie gute Noten in Englisch. Durchs Spielen bin ich darin sehr selbstsicher geworden." Auch auf sozialer Ebene halte das Online-Gaming einiges an Lernpotenzial bereit. Es sei ein Bootcamp in Sachen Teamwork: "Man muss ganz genau kommunizieren, die Rollen müssen klar verteilt sein und die Spielenden erreichen ihr Ziel nur dann, wenn sie sich gegenseitig vertrauen und einander unterstützen."

Die soziale Angst nimmt in der realen Welt zu

So erfolgreich Wonnebauer auch ist, wirklich sicher fühlt er sich in dieser Zeit nur hinter seinem Bildschirm: In der realen Welt spürt der Jugendliche eine zunehmende Scheu vor anderen Menschen. Am meisten sorgen ihn, dass er etwas falsch machen könnte und das, was die Menschen möglicherweise von ihm denken.

Einige Versuche mit Praktika in Firmen scheitern: "Ich habe mich nirgendwo so richtig nützlich gefühlt." Das ändert sich schlagartig, als sich der Jugendliche vor zwei Jahren für ein Praktikum in der IT-Abteilung der Zürcher Kantonalbank Österreich bewirbt.

Teil des Jobs: Support und Systemmonitoring

"Zunächst war ich schon ein bisschen skeptisch", gesteht die Personalverantwortliche Monika Graßmann, "ich dachte, wer so viel Zeit mit Zocken verbringt, ist wahrscheinlich eher introvertiert. Bei uns in der IT-Abteilung haben aber 90 Prozent der Aufgaben mit Kommunikation zu tun."

Doch Graßmann wird überrascht. Der junge Bewerber kann innerhalb eines Gesprächs überzeugen: "Ich erinnere mich heute noch an das Funkeln in seinen Augen, wenn er von IT-Themen spricht. Er hat mich ganz schnell für sich gewonnen."

"In meinem Job fühle ich mich nützlich und gut aufgehoben."
Niklas Wonnebauer
IT-Lehrling

Weil man Wonnebauer unbedingt halten will, wird für ihn sogar eine Lehrstelle geschaffen. Der heute 23-Jährige steckt mitten im zweiten von vier Lehrjahren zum IT-Applikationsentwickler. Er kümmert sich zum Beispiel ums Systemmonitoring und um den störungsfreien Betrieb des Kernbanksystems. Außerdem unterstützt Wonnebauer das zehnköpfige IT-Team vor allem im First-Level-Support.

Das heißt, er ist einer der Ersten, die am Telefon abheben, wenn in der Bank ein Computer streikt oder ein anderes IT-Problem auftritt. An die Schweißhände und das Herzklopfen bei den ersten Anrufen erinnert er sich heute noch. Doch das Gefühl des Unwohlseins verfliegt schnell: "Hier in der Bank habe ich das Glück, in einer Umgebung zu sein, in der ich mich nützlich und gut aufgehoben fühle. Ich glaube, darum fällt es mir leicht, aus meiner Komfortzone herauszukommen und auch mal etwas zu wagen, das meine eigenen Grenzen verschieben könnte." Dass er hier als Lehrling geradeheraus sagen darf, was er denkt, aktiv Ideen und Verbesserungen einbringen kann, schätzt Wonnebauer sehr.

Seine Kollegen im Team schätzen im Gegenzug seine offene, freundliche Art und auch sein Know-how. "Hier fragt mich keiner, woher ich etwas weiß. Wichtig ist, dass ich es weiß", lacht der junge Mann. Nun möchte er im Rahmen seiner Lehre doch noch die Matura nachholen.