Die Salzburgerin Dagmar Köttl ist die neue Präsidentin des internationalen Frauennetzwerks EWMD (European Women's Management Development). Was Frauen in Führungspositionen brauchen - und warum Gleichberechtigung weiter auf der Agenda stehen muss.
Brauchen wir 2024 überhaupt noch rein weibliche Business-Netzwerke? Dagmar Köttl: Oh ja! Weil wir als Gesellschaft in Sachen Gleichberechtigung, gerechte Bezahlung oder Aufteilung der Care-Arbeit unter den Geschlechtern schlichtweg noch lange nicht am Ziel sind. Deswegen stellt sich EWMD gemeinsam mit sieben anderen internationalen Frauennetzwerken hinter die sogenannte Brussels Declaration. Gemeinsam tragen wir Forderungen nach Brüssel, die anstoßen sollen, dass Unternehmen frauenfreundliche Umfelder entwickeln. EWMD steht dafür, politisch zu sein, ohne Politik zu machen. Außerdem stelle ich aktuell bei jungen Frauen mit Erschrecken fest, dass sie auf dem Weg der Gleichberechtigung stehen bleiben und sich auf dem ausruhen, was ihre Mütter und Großmütter für sie erreicht haben.
Was ist anders, wenn Frauen unter sich netzwerken? Männernetzwerke kenne ich nur vom Hörensagen - logischerweise. Die Lions oder Rotarier sind bekannt, EWMD ist hingegen nicht so sichtbar. Das hat selbstverständlich Gründe. Wir klopfen uns nicht auf die Brust, nachdem wir etwas erreicht haben. Wir heben auch keine prominenten Mitgliedsfrauen hervor. Für uns ist jede Frau im Netzwerk gleich wichtig. Diese Augenhöhe schätze ich, denn es wird nichts von einer Frau erwartet, nur weil sie einen gewissen Namen hat oder eine Topposition. Uns ist klar, dass jede von uns Unterstützung brauchen kann. Das macht die Stimmung in einem Frauennetzwerk so wohlwollend. Wir bei EWMD kommen aus sehr unterschiedlichen Bereichen, kennen keine Konkurrenz. Divers in den Berufsgruppen zu sein ist essenziell. Und was schnell klar wird: Egal aus welchem Bereich wir stammen, wir teilen dieselben Probleme, stoßen zu oft an die gleichen gläsernen Decken.
European Women's Management Development arbeitet in sechs Ländern. Die Vorteile einer internationalen Vereinigung? Es ist umwerfend, mit Frauen aus verschiedenen Nationen zusammenzukommen. Über Medien wissen wir von politischen Zuständen in anderen Ländern. Wenn aber die einzige EWMD-Frau der Türkei berichtet, wie es ist, das Netzwerk unter Präsident Erdoğan am Leben zu halten, trifft das ins Mark. Es ist beeindruckend, welch tolle Frauen es in anderen Ländern gibt. Deutschland, Italien, Schweiz, Litauen - es sind echte Koryphäen auf ihren Gebieten im Netzwerk.
Was braucht es, um den Erfolg von diesen Frauen in Führungspositionen sicherzustellen? Es ist leider Tatsache, dass Frauen an der Spitze viel kritischer beäugt werden, als wenn ein Mann in derselben Position wäre. Hilfreich wäre es, wenn entfiele, dass Frauen für Karriereschritte standardmäßig mehr leisten müssen. Doch sobald eine Frau vorn steht, tauchen in Köpfen - in allen Köpfen - Fragezeichen auf. Ist die Stimme gut? Ist ihr Styling professionell? Ist sie kompetent genug? Stattdessen sollten wir uns über jede Frau mit Verantwortung doppelt und dreifach freuen.
Wie können Sie als neue Präsidentin in den kommenden beiden Jahren dazu beitragen? Ich habe das Glück, zwei Jahre lang den Vorsitz zu übernehmen. Da werden wir stark auftreten. Einerseits feiern wir 30 Jahre EWMD Österreich, andererseits den 40. Geburtstag dieses Netzwerks generell. 2025 planen wir die International Conference in Zell am See, holen damit Topfrauen ins Land und beschäftigen uns mit dem, was Österreich ausmacht - dem Tourismus. Mein Ziel ist auch, im Inneren zu wirken und die Frauen hierzulande noch besser zu vernetzen. Dafür kann ich mir glücklicherweise die Zeit nehmen. Diese ehrenamtliche Präsidentschaft ist viel mehr als ein Hobby. Sie ist eine Überzeugungstat.
Derzeit sind 20 Salzburgerinnen EWMD-Mitgliedsfrauen. Das Netzwerk wächst. Was bringt eine ideale EWMD-Frau mit? Die Anlage und den Willen, für Frauen etwas zu bewegen. Idealerweise hat diese Frau eine feministische Grundeinstellung im Gepäck, dazu ein Bewusstsein gegenüber jenen Herausforderungen, mit denen Frauen immer noch zu tun haben. Wir schätzen Empathie und Offenheit - und die Bereitschaft, einen kleinen Teil der Freizeit in dieses Netzwerk zu investieren, denn wir gehen schon davon aus, dass unsere Frauen zu den monatlichen Treffen erscheinen. Diesen Einsatz wünschen wir uns.
Was unterscheidet EWMD von anderen Business-Netzwerken? Wir sind kein Service-Club, in dem der Vorstand arbeitet und die Mitglieder profitieren. Frauen in Fach- und Führungspositionen, die im Business Unterstützung wollen, werden Member. Ihnen bieten wir die Weitergabe von Wissen und Erfahrung sowie die Chance, sich aktiv zu beteiligen. In die Tiefe gehen wir ganz gezielt mit sogenannten Powerteams. Das ist fachliche und Persönlichkeitsentwicklung im geschützten Rahmen, die auch die EWMD-Frauen in Wien, Graz oder Linz anbieten. Erfahrene Frauen wissen immer, dass Kolleginnen bei der Problemlösung helfen. Dabei beschränken wir uns nicht auf Business-Themen; auch Privates darf Platz haben. Arbeit ist Teil unseres Lebens, alles andere jedoch auch. Wir sind ein Netzwerk, das Frauen ganzheitlich betrachtet. Allein diese Sichtweise ermöglicht so viel.