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Jobwechsel mit 60? Tipps von Karrierecoach Ines Schöffmann

Jobwechsel mit 60? Warum nicht? Personalberaterin und Karrierecoach Ines Schöffmann verrät, wie ältere Bewerber ihre Stärken ausspielen - und was sie unbedingt vermeiden sollten.

Umdenken am Arbeitsmarkt: Unternehmen erkennen zunehmend die Vorteile älterer Bewerber.
Umdenken am Arbeitsmarkt: Unternehmen erkennen zunehmend die Vorteile älterer Bewerber.

Früher war es fast unmöglich, ältere Bewerber zu vermitteln. Mittlerweile bevorzugen viele Unternehmen erfahrene Kandidaten sogar. Diese Erfahrung hat Ines Schöffmann in ihren 20 Jahren als Personalberaterin gemacht. Häufig stünden sich Menschen 50+ im Bewerbungsprozess jedoch selbst im Weg. Wie sie ihre Chancen erkennen und typische Fehler vermeiden, erklärt die studierte Psychologin im Gespräch mit den SN.

Ist es je zu spät für einen beruflichen Neuanfang? Ines Schöffmann: Nein, überhaupt nicht. Wenn ich keine lange Einschulungszeit brauche und der Firma sofort einen Mehrwert bieten kann, dann geht das natürlich auch mit 50, 55, 60.

Worauf sollten über 50-Jährige bei der Jobwahl achten? Wovon ich abraten würde: einem kompletten Reset. Das zahlt sich für Unternehmen nicht aus und auch für den Bewerber selbst wird es schwierig sein, finanziell so weit zurückzusteigen. Mit einer Bildungsentscheidung kann man sich durchaus den Lebenslauf verhauen und sich auch den Weg zurück in den angestammten Bereich verbauen. Besser ist es, dort zu punkten, wo man 20, 30 Jahre Erfahrung hat. Das gilt übrigens auch für eine Selbstständigkeit: Die muss ich mit jeder Faser meines Körpers wollen. Wenn ich mein ganzes Berufsleben nicht selbstständig war, wird es mit dem Alter umso schwieriger. Viele unterschätzen, wie viel Energie und Zeit es braucht, ein Business aufzubauen.

Sie haben die Erfahrung gemacht, dass das Alter als Absagegrund völlig überschätzt wird. Vielmehr stünden sich ältere Bewerber oft selbst im Weg. Inwiefern? Viele greifen schlicht auf veraltetes Wissen zurück: Sie führen im Lebenslauf das Religionsbekenntnis an, den Beruf der Eltern, verwenden altmodische Formulierungen wie "hochachtungsvoll". Sie glauben, dass ein Lebenslauf auf einer A4-Seite Platz haben muss. Die Kürze geht aber auf Kosten dessen, was die Verkaufsargumente für ältere Mitarbeiter sind, nämlich die Erfahrung und ihre erzielten Erfolge.

Woran kann die Jobsuche außerdem scheitern? Das Schlimme ist, wenn Bewerber selbst glauben, es läge am Alter, dass sie Absagen kassierten. Sie beginnen dann automatisch tiefzustapeln, bewerben sich auf Stellen, für die sie überqualifiziert sind: etwa ein ehemaliger Leiter Finanzrechnungswesen als Buchhalter. Dann trudeln erst recht Absagen ein und die Leute werden noch verzweifelter. Diese Abwärtsspirale in Verbindung mit altmodischen Unterlagen ist es, woran es meist scheitert. Dabei übersehen die Bewerber, dass es Stellschrauben gibt, an denen sie sehr wohl drehen können.

Wie überzeugen Ältere also bei der Bewerbung? Meine Klienten schicke ich meist als Allererstes zum Fotografen. Ein modernes, agiles Foto in hellen Farben ist ein Investment, das sich auszahlt. Leider geht es bei einer Bewerbung - wie überall - nicht nur um das Produkt, sondern um die Verpackung. Wenn die stimmt, dann interessiert einen Personaler das Geburtsdatum nicht mehr. Den Lebenslauf ergänze ich oft um Details, die für den Bewerber so selbstverständlich sind, dass er sie gar nicht erst erwähnt, baue Strukturen um, um das zu betonen, was für die jeweilige Position relevant ist, den USP des Menschen - da hilft der Blick von außen. Außerdem ist es wichtig, allgemein verständlich ohne Branchen-Slang zu formulieren. Meist bekommt den Lebenslauf ja nicht die Fachabteilung zu Gesicht, sondern ein Generalist in der Personalabteilung.

"Am besten dort punkten, wo man 20, 30 Jahre Erfahrung hat."
Ines Schöffmann
Karrierecoach

Braucht es darüber hinaus weitere Unterlagen? Einen Wust an Schul- oder Arbeitszeugnissen braucht heute keiner. Auch die Relevanz von Bewerbungsschreiben hat krass abgenommen. Bei Führungspositionen ist es aber kein Fehler, eines mitzuschicken. So hebt man sich jedenfalls ab, zeigt, dass man den Aufwand nicht scheut. Eine solche Arbeitshaltung hätten Unternehmen gern. Bei Mangelberufen wie Softwareentwicklern reicht dagegen schon ein Link zum gut ausgefüllten LinkedIn-Profil, wo etwa die Programmiersprachen, die man im Repertoire hat, aufgelistet sind.

Was macht ältere Bewerber so wertvoll für Unternehmen? Ganz wesentlich ist die Planbarkeit: Früher blieb ein Junger 10, 15 Jahre. Bei Älteren musste man Angst haben, dass sie auf die Frühpension schielen. Heute ist der Weg dorthin nicht mehr so einfach. Bei einem Älteren kann man sich sicher sein, dass er nicht nach einem halben Jahr doch noch studieren will oder ein halbes Jahr zum Orangenpflücken nach Australien wie die Jungen, die in einen ganz anderen Arbeitsmarkt hineinsozialisiert wurden und viel fordernder, viel forscher auftreten. Dieser demografische Wandel hat die Unternehmen sicherlich dazu gezwungen, das Window of Opportunity aufzumachen. So sind viele draufgekommen, dass ältere Mitarbeiter gar nicht so schlecht sind. Unternehmen schätzen neben der Beständigkeit und Verlässlichkeit die Routine, die Umgangsformen, die Arbeitshaltung, die sie mitbringen. Vergangenes Jahr etwa habe ich eine 63-Jährige vermittelt, die schon fünf Jahre in Pension war und es daheim nicht mehr ausgehalten hat. Was kann einem Unternehmen Besseres passieren als eine, die nicht arbeiten muss, sondern will?