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Big Player BYD: Werksbesuch in China

Klotzen statt kleckern. So lautet die Devise des größten chinesischen Autoherstellers.

Der chinesische Automobilhersteller BYD hat sich zum Weltmarktführer in der E-Mobilität entwickelt.
Der chinesische Automobilhersteller BYD hat sich zum Weltmarktführer in der E-Mobilität entwickelt.

China ist aktuell in aller Munde. Das gilt auch und vor allem für die Automobilbranche. Allein im Oktober feierten nicht weniger als vier neue Marken aus Fernost ihren Markteintritt in Österreich. Während Zweifel am langfristigen Geschäftsmodell bei dem einen oder anderen neuen Mitbewerber durchaus berechtigt erscheinen, ist der mit Abstand größte chinesische Hersteller gekommen, um zu bleiben. Tatsächlich hat sich das Unternehmen BYD mit Sitz in Shenzhen binnen dreier Jahrzehnte vom kleinen Akku-Start-up mit damals 20 Mitarbeitenden und einem Startkapital von 300.000 US-Dollar zum Weltmarktführer bei Fahrzeugen mit elektrifiziertem Antrieb hochgearbeitet. Mit knapp drei Millionen verkauften Modellen hat man in den ersten drei Quartalen 2025 schon mehr als doppelt so viele E-Autos und Hybride verkauft wie der nächstgrößte Konkurrent Tesla. Mittlerweile zählt der Technologiekonzern über 900.000 Beschäftigte, davon mehr als 120.000 Ingenieurinnen und Ingenieure im Bereich Forschung und Entwicklung.

Blick hinter die Kulissen von BYD

Besonders erfolgreich verkaufte BYD seine Autos in Österreich: Im August dieses Jahres stieg man hierzulande erstmals zur Nummer eins bei den E-Auto-Neuzulassungen auf, zeitgleich stellte man mit dem Seal U DM-i auch den meistverkauften Plug-in-Hybriden des Landes. Höchste Zeit also, einen Blick hinter die Kulissen des derzeit am schnellsten wachsenden Automobilherstellers zu werfen.

Auf Einladung der Chinesen reisen wir deshalb nach Zhengzhou. Hier, in der Hauptstadt der Provinz Henan, 700 Kilometer südwestlich von Peking, baut BYD aktuell seine jüngste Megafabrik. In insgesamt acht Ausbauphasen soll der neue Industriekomplex in unmittelbarer Nähe des internationalen Flughafens zu einem der größten Automobilwerke der Welt und zur mit Abstand größten E-Auto-Fabrik heranwachsen.

BYD-Megafabrik in der Provinz Henan.
BYD-Megafabrik in der Provinz Henan.

Schon jetzt laufen hier jede Minute ein neues Auto und alle drei Sekunden eine neue Antriebsbatterie vom Band. Hat das Werk erst seine Endausbaustufe erreicht, soll die Produktionskapazität eine Million Autos pro Jahr erreichen. Damit könnte BYD ein Viertel seiner jährlich verkauften Fahrzeugflotte mit alternativen Antrieben abdecken. Mit einer Fläche von unglaublichen 130 Quadratkilometern wird das Werk dann so groß wie Turin oder San Francisco sein - und Zehntausenden Beschäftigten als Arbeitsplatz und Lebensraum dienen. Nicht ungewöhnlich für chinesische Unternehmen, entsteht im Umfeld der neuen Fabrik zeitgleich ein eigenes Ökosystem mit gigantischen Wohntürmen, Freizeiteinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten, Kindergärten und Schulen.

Ein wichtiger Bestandteil dieses bis zum Horizont reichenden Areals ist das fabrikeigene Zhengzhou-Testgelände. Auf knapp 20 Hektar Grundfläche wurden hier in nur 20 Monaten Bauzeit neben einem 1,7 Kilometer langen Rundkurs auch verschiedene Test- und Erprobungsflächen aus dem Boden gestampft. Während die einschlägigen Offroad- und Fahrdynamikflächen den Anlagen anderer Hersteller ähneln, sorgt BYD an anderer Stelle erneut für ungläubiges Staunen. So stellt das künstliche Wasserbecken zur Erprobung der Schwimmfähigkeiten des neuesten Luxus-SUV mit einer Länge von 70 Metern jedes olympische Schwimmbecken in den Schatten. Den Vogel schießt aber die knapp 30 Meter hohe und 28 Grad steile künstliche Sanddüne ab: Mitsamt der bis zu 40 Meter hohen Überdachung dient die von Weitem sichtbare Megakonstruktion der Demonstration der Kletterfähigkeiten einschlägiger Allradfahrzeuge des Herstellers. Das hochmoderne, vierstöckige Hauptgebäude des Testzentrums würde dem Paddock Club der allermeisten Formel-1-Rennstrecken zur Ehre gereichen. Anlässlich des Besuchs von 300 Medienvertretern aus aller Herren Länder nutzt BYD die Location vor allem dafür, um einen Ausblick auf die Modellpalette der kommenden Jahre zu gewähren. Und die hat es in sich.

BYD mit Mehrmarken-Strategie in China

Denn anders als auf dem europäischen Markt, wo der Hersteller bis dato mit einer stetig wachsenden Fahrzeugflotte der Kernmarke vertreten ist, fährt man auf dem Heimatmarkt China längst eine Mehrmarken-Strategie. Neben BYD gehören in der Volksrepublik auch Tochtermarken wie YangWang und Fangchengbao schon jetzt mehr oder weniger zum Straßenbild. Während letztere vor allem eine junge, digitalaffine Zielgruppe ansprechen soll, gelten für die Luxus-Brand YangWang scheinbar keine Limits. Neben dem 5,4 Meter langen und drei Tonnen schweren Offroader U8, dessen vier Elektromotoren 1196 PS leisten, umfasst das Portfolio so nebenbei auch noch das aktuell schnellste Serienauto der Welt: Erst im September stellte der 3000 PS starke Yangwang U9 Xtreme mit 496,22 km/h einen neuen Tempo-Weltrekord auf.

Wenngleich die Straßenversion mit vergleichsweise fast schon zivilen 1300 PS auskommen muss, stehen Boliden wie der U9, der bis zu 30 Minuten schwimmfähige U8, das Hybrid-Pick-up BYD Shark oder der Luxus-Van Denza D9 repräsentativ für die Power, mit welcher der chinesische Marktführer in den kommenden Jahren vermehrt auf den Weltmarkt - und dabei vor allem nach Europa - drängen wird.

Dass dies geschehen wird, steht längst fest. Bereits 2026 wird BYD die ersten der nun in Zhengzhou gezeigten Modelle nach Europa bringen, viele davon unter dem Label der Premium-Marke Denza. Zudem arbeitet man bereits fieberhaft am Aufbau einer markeneigenen Ladeinfrastruktur, die 6000 Ladesäulen mit einer Ladekapazität von 1000 kW umfassen soll.

 BYD-Europa-Chefin Stella Li.
BYD-Europa-Chefin Stella Li.

Die auffallende Gelassenheit, mit der BYD-Europa-Chefin Stella Li beim abschließenden Round Table im sportlichen Rennanzug auf die Fragen der Presse antwortet, speist sich vermutlich aus der Gewissheit, dass ihr Konzern neben beeindruckender technologischer Kompetenz auch schon bald die größten Produktionskapazitäten besitzen wird. Vom De-facto-Monopol auf alle relevanten Rohstoffe und der Kontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette ganz zu schweigen. So gesehen kann die Bescheidenheit, mit der bis dato die Expansion nach Europa betrieben wurde, nur als Warnzeichen für die etablierten Hersteller gewertet werden.