Wer bis dato nicht allzu häufig in der Welt der hochspezialisierten Allrad-Lkw unterwegs war, darf etwaige Vorurteile gleich wieder vergessen: Tatra, mit Sitz und Produktion im tschechischen Koprivnice (ehemals Nesselsdorf), baut und wirtschaftet mitten in der EU. Assoziationen zu Russland, die der Markenname manchmal weckt, führen in die Irre. Ganz im Gegenteil. Vielmehr hat das Unternehmen, dessen Geschichte bis ins Jahr 1897 zurückreicht und das damit zu den ältesten Herstellern weltweit zählt, sogar (alt-)österreichische Wurzeln. Die Hauptrolle spielt dabei ein gewisser Hans Ledwinka (1878-1967), der in den 1920er-Jahren den Typ 11 konstruierte. Damals war Tatra noch im Pkw-Bau tätig. Bei dem preiswerten Leichtwagen verbaute der damalige Chefkonstrukteur und technische Direktor das von ihm entwickelte rahmenlose Zentralrohr-Fahrgestell mit schwingenden Halbachsen - ein Geniestreich, von dem die Marke Tatra heute noch profitiert. Bei den damals üblichen schlechten Straßenverhältnissen ermöglichte die Konstruktion einen bis dahin unbekannten Fahrkomfort, der in der Folge auch zu Erfolgen im Motorsport führte. Nach dem Krieg erkannte man auch bei den Steyr-Werken, wo man Ledwinkas Idee zuvor noch abgelehnt hatte, dessen Genialität: Sein Sohn Erich entwickelte in der Folge die legendären Steyr-Puch-Modelle Haflinger und Pinzgauer, die ebenfalls auf dem Zentralrohr-Fahrgestell standen.
Tatra erneuert Phoenix-Baureihe erfolgreich
Bei Tatra setzte man jahrzehntelang auf extrem robuste und geländetaugliche Lkw, und das äußerst erfolgreich, soweit es die planwirtschaftlichen Bedingungen hinter dem Eisernen Vorhang zuließen. Auf die Ostöffnung folgte eine turbulente und wirtschaftlich schwierige Phase, der Turnaround gelang schließlich 2011 mit der Vorstellung der Phoenix-Baureihe, die jüngst, 2024, runderneuert wurde. Damals wie heute bietet der Phoenix jene legendären Offroad-Eigenschaften, welche die Marke zur ersten Wahl für Einsätze auf Baustellen im Berg- und Tunnelbau, im Hochgebirge, bei Expeditionen oder anderen extremen Bedingungen machen. Zu schätzen weiß man die enorme Traktionsfähigkeit und Wendigkeit des Phoenix auch beim Militär und im Bereich der Einsatzfahrzeuge. Watttiefen bis zu 1200 Millimeter bei gleichzeitig enormen Nutzlasten machen den optional mit 4x4-, 6x6- oder gar 8x8-Antrieb lieferbaren Phoenix zum Überlebenskünstler unter den Allrad-Nutzfahrzeugen.
Tatra zeigt Stärken im Gelände
"Einfach ausgedrückt beginnt der Tatra dort seine Stärken auszuspielen, wo andere Lkw entweder sofort stecken bleiben oder aufgrund ihrer Größe erst gar nicht hinkommen", schildert Anton Gebert, Sprecher des Nutzfahrzeughändlers Tschann mit Sitz in Salzburg-Schallmoos. Dort hat man frühzeitig die Stärken der tschechischen Allradspezialisten erkannt und schätzt Tatra als optimale Ergänzung zum Volumenhersteller DAF. Von den Holländern bezieht Tatra unter anderem die Motoren sowie die nun auf den modernsten Stand gebrachte Fahrerkabine, die laut Anton Gebert "S-Klasse-artigen Komfort bietet". Dass auch das vollautomatische Wandlergetriebe von ZF in Friedrichshafen geliefert wird, fördert bei Tschann die Synergien bei Wartung und Service zwischen den beiden Hausmarken.
Tatra gewinnt international an Bedeutung
Mit wenigen Hundert Tatras pro Jahr ist Tschann der in Sachen Stückzahlen kleinste Fahrzeugimporteur Österreichs. Nachteil sei das keiner, so der Tschann-Sprecher, schließlich sei Tatra mit nur 1500 jährlich produzierten und hochindividuell ausgestatteten Lastwagen ohnehin mehr Manufaktur als Massenhersteller. Im vergleichsweise winzigen Segment der Extrem-Allrad-Trucks hat man sich spätestens mit den unzähligen Rennerfolgen bei der Dakar-Rallye weltweit einen Namen gemacht. Importeur Tschann erwirtschaftete mit insgesamt 400 Mitarbeitern an acht Standorten in Salzburg und Bayern zuletzt einen Umsatz von 200 Millionen Euro.