Wals: Nachhaltige Blockhaus-Landvilla erzählt viele Geschichten
Ein altes Blockhaus, ergänzt um eine historische Landvilla, das ist kurz gesagt das Haus der Familie Seidl. Doch das verbaute Material spricht Bände.
BILD: SN/SEIDL
Ein altes Blockhaus erzählt von seiner Vergangenheit. Historische Materialien prägen das Haus der Familie Seidl.
BILD: SN/NEUHUBER
Nicht nur das Gebäude aus Holz und Stein ist einzigartig. Auch die Einrichtung ist individuell und steckt voller Überraschungen..
Die Hausnummer Rödt 6 gibt es in Wals nicht, und doch hängt ein kleines Schild mit besagter Adresse über der Terrassentür des Blockhauses. Es ist der Hinweis, wo das Haus mit seinen alten, vom Wetter gezeichneten Holzbalken einst stand: in Munderfing. Es war baufällig, hatte ein marodes Dach. Gerd und Cornelia Seidl gefiel es trotzdem. Sie zahlten 6000 Euro dafür.
Blockhaus belebt Baugrundstück nachhaltig
"Ich bin schon immer von alten Sachen fasziniert gewesen und habe auch meine Frau dafür begeistern können", erzählt Gerd Seidl. Die Idee, ein altes Blockhaus anstelle eines modernen Neubaus auf das Baugrundstück im Walser Ortsteil Gois zu stellen, kam letztlich von Cornelia Seidl. Den Anstoß lieferte eine Doku über den ehemaligen bayerischen Skifahrer Markus Wasmeier, der einst mit seinem Vater ein altes Blockhaus ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut hatte.
"Unser Haus ist ein Dreiviertelhof aus dem Jahr 1692", erklärt Gerd Seidl.
BILD: SN/NEUHUBER
Familie Seidl: Cornelia und Gerd mit Leonhard (links) und Johannes.
Ursprünglich waren alle Seiten des Hauses mit Holzschindeln verkleidet. Heute gilt das nur mehr für die Wetterseite. Damit das Bauernhaus nach Gois versetzt werden konnte, musste es in seine Einzelteile zerlegt werden, wobei jedes Teil eine Nummer erhielt. Nachdem alles in der Trockenkammer war, um Pilzen und Schädlingen den Garaus zu machen, wurden schadhafte Stellen repariert und ergänzt. Dann ging es an den Wiederaufbau. "In zwei Wochen ist das Haus gestanden. Es war wie Lego für Erwachsene", erinnert sich Seidl, ein gelernter Tischler und Architekt.
Die Terrasse vor dem Holzhaus besteht aus verschieden großen Steinplatten in diversen Rosatönen. "So ungefähr kann ich noch sagen, wo sie herkommen", meint Seidl. Sie stammen teils aus Abbruchhäusern wie dem Röhrenwirt in Wals oder von der abgerissenen Autobahn bei Anif. Bei den Autobahnstücken handelt es sich um teuren Adneter Scheck, den Hitler damals hat verbauen lassen.
"Ich kaufe mir selten neue Sachen. Alte Dinge haben sich bewährt."
Gerd Seidl
Bauherr
Mit dem Blockhaus war es bei den Seidls nicht getan. Sie ergänzten es um ein Fantasiegebäude - den Stil beschreibt Gerd Seidl als historische Landvilla. Sie hat auch einen Keller, der mit seiner hohen Decke überrascht. Der Grund dafür ist ein Gewölbe, das einen Raum ziert. "Dafür und für Fensterstürze und Zierelemente in der Fassade haben wir über 30.000 NF-Ziegel aus Abbruchhäusern gesammelt", erzählt Seidl.
Schlackensteine prägen Landvillen-Charakter
Die Landvilla besteht aus 38er-Ziegeln, die mit einem Mauerwerk aus Schlackensteinen verkleidet wurden. "Ganze Berge" von diesen Schlackensteinen hat Seidl aus dem bayerischen Grenzgebiet, aus Freilassing und Teisendorf. Am Teisenberg wurde in der Vergangenheit Eisenerz abgebaut, 1537 entstand im Achthal ein Eisenerzbergwerk. Schlacke fiel als Abfall- beziehungsweise Nebenprodukt bei der Eisenerzgewinnung an. Vor allem am Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Schlackensteine als günstiges Baumaterial verwendet. Am Steinhaus der Seidls gibt es einiges zu entdecken. Hier ragen zwei Löwenköpfe vom Brunnen vor dem ehemaligen Walser Gemeindeamt aus der Fassade, dort stehen Säulen aus dem Kreuzgang des Klosters Mülln. Über den Fenstern befinden sich Dekoelemente aus buntem Scherbenputz. Die Scherben hat die Mesnerbäuerin von Siezenheim in der Saalachau gefunden, sie gehen bis ins Mittelalter zurück. In der Au wurden früher die Senkgruben aus der Stadt Salzburg ausgeleert, um die Felder fruchtbar zu machen. In den Senkgruben wurden allerdings nicht nur die menschlichen Hinterlassenschaften entsorgt, sondern auch viele andere Sachen, darunter Glas und Keramik.
BILD: SN/SEIDL
Nicht nur das Gebäude aus Holz und Stein ist einzigartig. Auch die Einrichtung ist individuell und steckt voller Überraschungen.
Stilmix zwischen Zufall und Tradition
Bei der Inneneinrichtung setzt sich der Material- und Stilmix fort. "Nichts ist von der Stange", sagt Gerd Seidl. Überall stehen alte Möbel. "Ich kaufe mir selten Sachen neu. Alte Dinge haben sich bewährt. Unser ältestes Möbel ist von circa 1650, ein typischer Bauernkasten", erklärt der Hausherr.
BILD: SN/NEUHUBER
Das Wohnzimmer der Familie im Holzhaus ziert ein Kachelofen aus der Zeit um 1700.
Im Wohnzimmer steht ein Kachelofen, der aus der Zeit um 1700 stammt. Das Ehebett besteht aus zwei Betten, die Seidl verlängert und miteinander verbunden hat. Das Licht geht in jedem Raum mittels alter Schalter an und aus. Die Lampenschirme haben die Seidls restauriert und neu zusammengebaut.
BILD: SN/SEIDL
Nicht nur das Gebäude aus Holz und Stein ist einzigartig. Auch die Einrichtung ist individuell und steckt voller Überraschungen.
Weil im Erdgeschoß die Steinplatten für den Boden nicht reichten, schnitt Seidl versteinerte Schnecken in Scheiben und verzierte damit ein Bodenelement in Form eines runden Rautenmusters. Ideen wie diese entstehen aus der Not heraus oder durch Zufall.
Nach sechsjähriger Bauzeit ist das Ehepaar Seidl im Oktober 2018 in sein Traumhaus gezogen. Mittlerweile lebt es dort mit seinen beiden kleinen Söhnen. Während im Haus bis auf die hölzerne Treppenverkleidung, die das Ehepaar aus einem Jugendstilhaus geholt hat, alles fertig ist, stehen im Garten noch ein paar Projekte an: die Gartenmauer, der Wiederaufbau eines Troadkastens aus Niederalm sowie der Bau einer Kombination aus Griller, Holzbackofen und Selch. Außerdem wollen die Seidls noch eine kleine Kapelle errichten, die sie mit den Schieferschindeln der alten Kuppel des Salzburger Doms eindecken werden.
Ein Leben auf der Baustelle
Das Umfeld des Hauses vermittelt allerdings nicht den Eindruck, dass das gesamte Bauvorhaben weit fortgeschritten ist. Rundherum lagert Baumaterial wie Steinplatten, Steinwürfel, Ziegel und Holzbretter. "Eigentlich bräuchte ich ein Lager, aber das wäre mit Kosten verbunden und dann würde aus dem Hobby Pflicht werden", erklärt Gerd Seidl. Schon während seines Studiums hat er altes Baumaterial gesammelt. Diese Leidenschaft hält sich bis heute. Seidl will aber den Bestand reduzieren. Als Angestellter bei der Erzdiözese versucht er immer wieder, seine Materialien für die Restaurierung alter Gebäude zu verwenden. "Aber dann findet man immer wieder coole Teile", schmunzelt der Goiser.
Für seine Frau ist der Zustand nicht immer leicht zu ertragen. "In einer Dauerbaustelle zu leben ist schon eine Herausforderung", gibt Cornelia Seidl offen zu. Für die beiden Söhne hingegen ist der Garten samt Baumhütte ein großer Abenteuerspielplatz.
Der Haustraum der Seidls stieß nicht bei jedem auf Gegenliebe. "Ganz am Anfang war das Unverständnis riesengroß", erzählt Gerd Seidl. Das habe sich dann aber gelegt. Inzwischen gibt es auch spontanes Lob, wie etwa "cooles Haus", herübergerufen von Pilgern oder Radfahrern, die auf dem Jakobsweg hinter dem Haus der Seidls unterwegs sind.