Während wir uns zur Ruhe legen, fängt für den Körper die Nachtschicht an: Er sortiert Eindrücke des Tages, lädt die Energiedepots auf, kurbelt Wundheilungsprozesse an und stabilisiert das Immunsystem. Anlässlich des Welt-Schlaftags am Freitag machen Expertinnen und Experten auf die Bedeutung von Schlaf aufmerksam.
"Schlaf regeneriert uns auf allen Ebenen", sagt Brigitte Holzinger, Psychologin und Psychotherapeutin sowie Leiterin des Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung in Wien. Neben der körperlichen Regeneration werden Gedächtnis- und Konzentrationsleistung im Schlaf wiederhergestellt. "Auch unsere Gefühle werden im Schlaf ins Gleichgewicht gebracht, sodass wir Herausforderungen des nächsten Tages gut meistern können", sagt sie. Und was viele nicht wissen: Die Disziplin leidet, schläft man zu wenig. "Wenn jemand etwa zum Rauchen aufhören will, sollte man ausgeschlafen sein. So kann man Gelüsten besser widerstehen."
Wie viel Schlaf benötigt man?
Rund sieben bis acht Stunden schlafen Menschen in Österreich im Durchschnitt. Wie viel Schlaf man benötigt, um sich fit zu fühlen, ist jedoch individuell unterschiedlich. Unser Schlaf läuft dabei zyklisch ab: Etwa 90 bis 120 Minuten dauert eine Abfolge - Leichtschlaf, Tiefschlaf und die "REM-Phase" wechseln sich ab. In der sogenannten Rapid-Eye-Movement-Phase (REM) treten schnelle Augenbewegungen auf. Wenn man in dieser Phase erwacht, kann man sich häufiger an das erinnern, was man geträumt hat. Rund drei bis fünf Mal wiederholen sich diese Schlafzyklen bei einem jungen erwachsenen Menschen pro Nacht.
Wie notwendig Schlaf ist, merkt man oft erst, wenn er fehlt. Während der Coronapandemie haben Schlafprobleme weltweit zugenommen, zeigen mehrere Studien. Bei einer internationalen Erhebung, an der auch Schlafforscherin Brigitte Holzinger beteiligt war, wurden mehr als 22.000 Menschen in 13 Staaten auf vier Kontinenten zu ihrem Schlafverhalten befragt. Das Ergebnis: Ein- und Durchschlafstörungen haben sich während der Pandemie verdoppelt. Von Schlafproblemen berichtete dabei jede zweite Person. 17,4 Prozent gaben an, gar unter krankhaften Schlafstörungen zu leiden.
Ursachen für Schlafstörungen
Die Ursachen sind vielfältig: Ein Viertel der Studienteilnehmer berichtete, unter Angststörungen zu leiden, und ebenso fast ein Viertel gab an, an Depressionen erkrankt zu sein. "Während der Pandemie sorgten sich viele um finanzielle Angelegenheiten oder auch um ihren Arbeitsplatz", sagt Holzinger. Frauen und jüngere Menschen waren insgesamt am stärksten von Schlafproblemen betroffen.
Das Schlafverhalten von Kindern und Jugendlichen nahm unterdessen eine aktuelle Studie des Salzburger Schlafforschers Manuel Schabus genauer unter die Lupe: Der Untersuchung zufolge klagt bereits jedes dritte Volksschulkind über Schlafstörungen wie Albträume, Ein- oder Durchschlafprobleme. In der Unterstufe war der Wert ähnlich hoch, bei den Jugendlichen von 15 bis 18 Jahren war bereits fast jeder Zweite betroffen (45,8 Prozent). "Eigentlich hätte es im Vergleich zu vor der Pandemie eine Verbesserung geben sollen, weil die Kinder und Jugendlichen durch Lockdown und Homeschooling länger schlafen konnten", sagt Schabus. Aber dieser Effekt sei wegen der Belastungen durch die Pandemie nicht wirksam geworden.
Was tun bei Schlafproblemen?
Gerade bei heranwachsenden Menschen können Schlafstörungen gravierende Auswirkungen haben: "Das führt zu emotionalen Irritationen, die Kinder sind aufgedreht statt ausgeglichen", sagt Schabus. Dazu kommt: Kinder seien weniger aufmerksam, könnten sich weniger merken und das Immunsystem sei angegriffen und schwächer.
Doch was kann man generell gegen Schlafprobleme tun? Ist es etwa ratsam, auf Schlafmittel zurückzugreifen? "Jedes Schlafmittel ist eine Form der Beeinträchtigung", sagt Brigitte Holzinger. Das gelte auch für Hausmittel wie die Baldrianpflanze. "Wenn ich das jede Nacht nehme, muss ich irgendwann mehr nehmen, damit es noch wirkt." Kurzfristig könnten Medikamente bei Schlafproblemen Abhilfe verschaffen - aber die Einnahme sollte man stets mit Spezialisten besprechen. Am besten sei es, ohne pflanzliche oder chemische Hilfsmittel auszukommen.