Egal ob eine Bewerberin von familiären Hobbys erzählt oder fragt, ob es möglich wäre, die Arbeitszeit so zu legen, dass sie mitunter ihre Kinder abholen kann: Wenn eine Mutter im Jobinterview ihre Kinder erwähnt, wirkt sich das für sie oftmals negativ aus. Das geht sogar so weit, dass sie in den meisten Fällen den Job nicht bekommt. Im Gegensatz dazu fällt es auf Väter nicht negativ zurück, wenn sie ihre Kinder erwähnen. Das zeigt eine aktuelle Studie der FH Burgenland.
An der als Onlineexperiment konzipierten Studie nahmen 67 Recruiterinnen und Recruiter in Österreich teil. Sie wurden aufgefordert, Jobanwärterinnen und -anwärter anhand eines verschriftlichten Interviews zu beurteilen und die geeignetste Person auszuwählen. Darüber, dass es sich um eine Studie zum Thema Diversität handelte, wurden sie nicht informiert.
Vorab wurde in zwei Gruppen unterteilt: In der Experimentalgruppe erwähnten sowohl der männliche Bewerber als auch die weibliche Bewerberin, dass sie Kinder haben. In der Kontrollgruppe ließen beide Geschlechter ihre familiäre Situation außen vor. Das Ergebnis: In jener Gruppe, in der Kinder erwähnt wurden, entschieden sich 81 Prozent für den Bewerber und nur 19 Prozent für die Bewerberin. In jener Gruppe, in der nicht erwähnt wurde, ob man Kinder hat oder nicht, bekam der männliche Bewerber in 74 Prozent der Fälle den Job - seine kinderlose Konkurrentin in 26 Prozent der Fälle.
Anhand der Notizen der Recruiterinnen und Recruiter zeigt sich, dass Kinder beim männlichen Bewerber nur am Rande wahrgenommen wurden und unter "Privates" vermerkt wurden. Bei der Bewerberin äußerten die Personaler jedoch die Befürchtung, dass diese aufgrund ihrer Kinder öfter ausfallen könnte. Das Fazit von Sarah Riedenbauer, die die Studie im Zuge ihrer Abschlussarbeit an der FH Burgenland durchgeführt hat, wo sie den Masterstudiengang Human Resource Management und Arbeitsrecht absolvierte, lautet: "Trotz ähnlicher Berufserfahrung der Kandidatinnen und Kandidaten wurde der Genderbias sehr deutlich." Gezeigt habe sich, dass vor allem Bewerberinnen mit familiären Verpflichtungen "nach wie vor mit Stereotypen und Vorurteilen konfrontiert" seien. Das sei beispielsweise in dem Vorurteil zum Ausdruck gekommen, Eltern seien weniger belastbar oder engagiert. "Dieser Umstand führt möglicherweise dazu, dass vorrangig Mütter aufgrund von Betreuungsverpflichtungen nicht dieselben Chancen im Berufsleben erhalten wie Männer oder Frauen ohne Kinder."
Was bedeutet das für Eltern? Sollten sie Kinder im Jobinterview lieber unerwähnt lassen? "Das ist eine individuelle Entscheidung, hier kann keine verallgemeinernde Aussage getroffen werden", sagt Riedenbauer. Denn etwa durch Karenzzeiten würden sich oftmals Lücken ergeben, die früher oder später vom Arbeitgeber thematisiert werden könnten. Darüber Auskunft geben, ob man Kinder hat oder nicht, muss man aber nicht - auch wenn man vom (potenziellen) Arbeitgeber direkt danach gefragt wird. Denn die Diskriminierung aufgrund von Geschlecht ist verboten. Das Gleichbehandlungsgesetz wurde Ende 2023 dahingehend geändert, dass seither auch Diskriminierungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Mutterschaft oder Elternschaft untersagt sind.
Verletzt der (potenzielle) Arbeitgeber das Gleichbehandlungsgebot und kommt das Arbeitsverhältnis dadurch nicht zustande, hat die Bewerberin oder der Bewerber Anspruch auf Schadenersatz. Riedenbauer begrüßt diese Gesetzesnovelle, und sagt: "In dem Bereich tut sich gerade viel, das Bewusstsein für Gleichbehandlung wird größer."
Dennoch verdeutliche das Studienergebnis die Notwendigkeit, dass dieses in Bezug auf unbewusste Vorurteile im Zusammenhang mit Elternschaft im Recruitingprozess weiter gestärkt werden müsse. Nur so könne "transparente und objektive Beurteilung der Fähigkeiten und Erfahrungen der Bewerberinnen und Bewerber im Zentrum stehen".
Dazu, dass hier gerade viel in Bewegung sei, tragen laut Riedenbauer, auch die "New Work"-Bewegung und der Fachkräftemangel bei: "In Zeiten wie diesen kann man es sich nicht mehr leisten, auf qualifizierte Arbeitskräfte zu verzichten, und Arbeitgeber müssen auch in Bezug auf Flexibilität und Attraktivität des Arbeitsplatzes mit der Zeit gehen."
Das Thema Diversität treibt Riedenbauer, mittlerweile Project-Managerin für einen Diversity-Thinktank in Wien, weiterhin um: Derzeit plant sie einen großen Diversity-Kongress in Wien, der in diesem und im kommenden Jahr stattfinden wird.