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Gesundheitsminister Rudolf Anschober tritt zurück: "Ich will mich nicht kaputt machen"

Minutenlang klickten am Dienstagvormittag einmal nur die Kameras, als Rudolf Anschober im Gesundheitsministerium in Wien anhob, seinen Rücktritt zu verkünden.

Leicht fiel Rudolf Anschober dieser Schritt nicht.
Leicht fiel Rudolf Anschober dieser Schritt nicht.
Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.
Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.
Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.
Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.
Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.
Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.
Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.
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Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.
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Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.
Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.
Rudolf Anschober gab am Dienstag seinen Rücktritt bekannt.

Er zeigte sich sehr bewegt, rang sichtlich um Fassung, zog aber vorher einmal Bilanz über die letzten Monate im Coronajahr.

Vor 15 Monaten habe er die Funktion mit einer großen Freude übernommen, "gefühlt waren es 15 Jahre". Die schwerste Pandemie seit 100 Jahren, die schwerste Gesundheitskrise habe unser aller Leben verändert, auch seines, sagte der Gesundheitsminister. "Das Gesundheitsministerium wurde über Nacht zum Steuerungszentrum in der Krise." Es sei für Außenstehende unvorstellbar, was das für alle Mitarbeiter, nicht nur für ihn, an Belastung, aber auch Überlastung bedeutet habe.

"Ja, weder die Europäische Union, noch irgendein Mitgliedsland, waren auf die Pandemie vorbereitet." Deswegen habe er das Ministerium zuerst krisenfit machen müssen, auch hier sei Teamarbeit an der Spitze gestanden. "In Summe glaube ich, dass wir eine gute Arbeit gemacht haben, niemand ist fehlerlos, es ist ein tägliches Lernen, es ist Neuland, das wir beschritten haben und jeden Tag wieder beschreiten."

Dennoch sei vieles richtig gemacht worden, betonte Anschober. Bei den Impfungen habe es Fortschritte gegeben, auch bei der Akzeptanz durch die Bevölkerung, mehr als gemeinhin wahrgenommen werde. Es habe Morddrohungen gegeben, seit November sei er unter Polizeischutz gestanden, auch nahestehende Personen seien bedroht worden, betonte Anschober. Er bedankt sich bei der Cobra, dennoch hätten ihn die Einschränkungen belastet. "Eine Quelle meiner Energie war nicht mehr da, nämlich das unbefangene Gespräch auf der Straße, in den ÖBB, in der Westbahn, wo auch immer." Er habe sich oft allein gefühlt.

Rudolf Anschober betonte in seiner persönlichen Erklärung: "Wir sind in der Coronapandemie noch nicht über den Berg." Es sei nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn vor vier Wochen die Gastgärten geöffnet hätten. Er sei froh, dass der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig am Montag den Lockdown verlängert habe. Anschober warnt vor zu raschen Öffnungsschritten auch in der Zukunft.

Dann erklärte er seinen Rücktritt mit folgenden Worten. "Vor einem Monat habe ich einen Kreislaufkollaps gehabt, auch kein Geheimnis daraus gemacht", sagte Anschober. Denn für Erkrankungen brauche sich niemand zu schämen, es gehe darum, Tabus wegzukriegen. Er sprach von einer "Überlastungssituation", "ich bin überarbeitet und ausgepowert". "In der schwersten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten braucht die Republik einen Gesundheitsminister, der zu 100 Prozent fit ist", begründete Anschober seinen Abgang. Und, ganz klar formuliert: "Ich will mich auch nicht kaputt machen." Bis Montag soll Vizekanzler Werner Kogler die Geschäfte führen, dann soll sein Nachfolger Wolfgang Mückstein angelobt werden.

"Ich werde mich in den nächsten Wochen ganz auf meine Gesundheit konzentrieren, um wieder voll fit zu werden." Die Entscheidung zum Rücktritt sei in den letzten Tagen Schritt für Schritt entstanden, aber er werde sicher irgendwann seine Kompetenz wieder weitergeben. "Ja, irgendwann, möchte ich meinen Traum umsetzen und meinen ersten politischen Roman schreiben, nach fünf Sachbüchern."

Er bedankte sich zum Schluss, "erstens bei meiner wirklich großartigen Partnerin, mit der ich in den letzten Monaten so richtig zusammengewachsen bin, bei einer hervorragenden Kabinettschefin und einem tollen Team". Er zeigte sich sehr bewegt, bedankte sich auch bei der grünen Regierungsfraktion. "Tausende Menschen haben meine Arbeit begleitet, mit Blumen, Mails, Briefen, Mehlspeisen, das hat viel Kraft gegeben, lange Zeit hindurch."

Dann ging der Gesundheitsminister, vorher bekam er noch Applaus von den wenigen Anwesenden im Saal.

Van der Bellen und Kurz danken Anschober für seinen Einsatz

Bundespräsident Alexander Van der Bellen dankte Anschober via Twitter "im Namen der Republik und auch ganz persönlich" für seinen Einsatz. Er wünschte dem Minister rasche Erholung und alles Gute für die Zukunft.

Bundeskanzler Sebastian Kurz anerkannte die Leistungen Anschobers: "Er hat sich in den vergangenen 16 Monaten für unser Land aufgeopfert sowie als Gesundheitsminister seine gesamte Energie in die Bekämpfung der Corona-Pandemie gesteckt." Er habe seine zentrale Funktion im Corona-Management "mit sehr großer Verantwortung" ausgeübt. Anschobers Rücktritt zeige, "dass die Pandemie nicht nur für jeden Einzelnen in der Bevölkerung eine Belastung ist, sondern auch für einen politisch Verantwortlichen, der Tag und Nacht im Einsatz ist und Entscheidungen treffen muss", dankte Kurz dem scheidenden Minister "im Namen der Bundesregierung, aber auch ganz persönlich" - und wünschte schnelle gesundheitliche Erholung.

Dies tat auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie zollte Anschober "großen Respekt" für seine "schwierige Entscheidung" - und dankte ihm für seinen Einsatz in den "sehr herausfordernden 14 Monaten". Außerdem wünschte sie ihm - per Twitter - "von Herzen gute Besserung und persönlich alles Gute für Deine Zukunft".

FPÖ-Parteichef Norbert Hofer wünschte Anschober zwar "für seine Zukunft privat und gesundheitlich alles Gute" - nützte die Gelegenheit aber, um noch einmal scharfe Kritik anzubringen. Anschober sei "nicht die richtige Besetzung" für das Gesundheitsministerium gewesen und sein Rücktritt "die logische Konsequenz" aus "erheblichen Fehlentscheidungen", "vielen Pannen" (z.B. vom VfGH aufgehobene Corona-Verordnungen) und Überforderung bei der Impfstoffbeschaffung. Und Hofer hielte, wie er in einer Aussendung anmerkte, den Rücktritt der gesamten Regierung für angebracht.

"Großen Respekt vor der Entscheidung von Rudolf Anschober", bekundete NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und wünschte "ihm persönlich alles Gute". Seine Entscheidung sei "eine Mahnung für Achtsamkeit gegenüber einem selbst aber auch einander gegenüber" - und auch eine "gute Entscheidung für Österreich". Denn es brauche "Handlungsfähigkeit und Entscheidungsstärke und einen dringenden Neustart im Pandemie-Management". Als "große Leserin" freute sich Meinl-Reisinger, wie sie in einer Pressekonferenz sagte, auch auf den angekündigten Roman.

Die persönliche Erklärung zum Nachhören