Unwetter am 23. August 1911

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Ein schweres Unwetter zog am 23. August 1911 über das Salzburger Becken und den Flachgau hinweg und verursachte große Schäden. Nachstehend der Bericht des Salzburger Volksblattes vom 24. August 1911.

Stadt Salzburg

Am 23. August 1911 zwischen 5 und 6 Uhr abends brach ein Gewittersturm los, wie er in solcher Heftigkeit schon seit Jahren nicht mehr getobt hatte. Das Gewitter selbst zog in östlicher Richtung an der Stadt vorbei, während der Sturm mit rasender Gewalt über die Stadt hinweg ­fegte und ungeheuere Staubmassen vor sich hertrieb. Brachte das Gewitter auch die sehnlich gewünschte Abkühlung durch einen kurzen heftigen Regen, so richtete er doch einen bedeutend größeren Schaden als Nutzen an. Bäume von einem Meter Durchmesser und darüber entwurzelte der Sturm oder brach sie wie Zündhölzchen ab. Zwei alte Ahorn­bäume im Kurgarten an der Schwarzstraße entwurzelte er, ein dritter wurde förmlich gespalten, ebenso erlagen seiner Wucht im Zwergelgarten eine uralte Fichte und mehrere Baumriesen in der Hellbrunner Allee.

Im Franz Josefs-Park wurden 25 Bäume teils umgeworfen teils durch Herabreißen von Ästen und Gipfeln arg beschädigt. Eine große alte Linde in der Riedenburgerstraße ward entwurzelt und auf die Straße geworfen, wobei der Gartenzaun des Herrn Wohlfahrtsfätter umgerissen wurde. Der Schaden an den Kulturen auf dem Mönchs- und Rainberg ist gleichfalls ein erheblicher. Es sind nur wenige Häuser und Gärten unbeschädigt geblieben.

Wenn Scherben wirklich Glück bedeuten, so können sich die Salzburger freuen, denn so viele Scherben von zersplitterten Fensterscheiben, wie gestern, hat es sei langen Jahren nicht mehr gegeben.

Aber auch einige, Unglücksfälle hätte es absetzen können. Eine auf der Hirschenwiese aufgestellte sechs Quadratmeter große Reklametafel warf der Wind um und über den Zaun, wobei die Kaufmannsgattin Frau Karoline Sperk den sicheren Tod gefunden hätte, wenn die Tafel nicht vorerst aus einen Gaskandelaber gefallen wäre, so daß die Frau sich durch einen Sprung aus der gefährlichen Lage retten konnte. Infolge der ungeheueren Staubentwicklung mußten die Motorführer der Stadtbahn ganz langsam fahren. Als ein Motorwagen durch den Fünfhausviadukt fuhr, bemerkte der Führer knapp vor seinem Wagen einen umgstürzten Kinderwagen, das Kind nebenbei auf dem Boden liegend. Der Sturm hatte einer Frau den Wagen entrissen und auf dem Geleise umgeworfen. Da der Motorführer langsam fuhr, gelang es ihm, den Wagen sofort zum Stehen zu bringen, wodurch der Säugling dem Ueberfahrenwerden entging. Von den in der Nähe stehenden Reklametafeln riß der Sturm eine Menge Bretter los und schleuderte sie auf die Straße und die fahrenden Wagen. Es ist wahrhaftig ein Wunder zu nennen, daß kein größeres Unheil entstand.

Von den Hoteldächern riß der Orkan die Flaggen und Fahnen weg und wirbelte sie weit fort. Auf dem Gebäude der k. k. Landesregierung und verschiedenen anderen Gebäuden wurden die Dächer stark beschädigt. Arg zu Schaden kam auch das Modistengeschäft Engländer in der Griesgasse. Der Sturm riß ein Auslagefenster auf, entführte eine Menge Hüte hoch in die Luft und trug sie über die Salzach und den Kapuzinerberg fort. Vielen Passanten raubte der Sturm die Kopfbedeckung auf Nimmerwiedersehen. Auf dem Kapitelplatz wurde ein Kindermädchen samt dem Kinderwagen von dem Sturm erfaßt und umgeworfen. Weder das Mädchen noch das im Wagen befindliche Kind erlitten Verletzungen.

Nach etwa halbstündigem Wüten trat wieder Ruhe ein. Auch der Regen hörte bald auf, um um Mitternacht nochmals kurz einzusetzen.

Itzling

Itzling. Gegen 5 Uhr abends wütete hier ein heftiger Sturm, von wolkenbruchartigem Regen begleitet. Durch die enormen Staubwolken, welche er aufwirbelte, war vieles verdunkelt; man hörte nur Krachen und Klirren. Als der Regen die Staubmassen überwältigte, konnte man den Schaden bemerken, den das Wüten des Orkanes angerichtet hatte. Außer den vielen Fenstern, die ihm zum Opfer fielen, wurden im Baron Schwarz-Park zwei mächtige Bäume entwurzelt, dem Gasthofbesitzer Drescher riß der Sturm das am Stall befindliche, 40 Meter lange Blechdach total herunter, trug es über die Straße und schleuderte es an ein Haus, dem sämtliche Fenster zertrümmert wurden. Von den Neubauten wurden die Pfosten wie Papier weggetragen, man sah aus den Straßen nur zerbrochene Fensterscheiben, Dachziegel, Baumäste u. dgl.

Seekirchen

Seekirchen. Um 5 Uhr nachmittags ging über den Markt Seekirchen ein Gewitter von furchtbarer Gewalt nieder. Das Unwetter setzte nach der drückenden Schwüle des Tages mit einem so heftigen Sturme ein, daß Häuser abgdeckt und große Bäume wie Zündhölzchen geknickt wurden. Auch viele Fensterscheiben fielen dem Orkan zum Opfer. Beim Hause Nr. 84 des Johann Winklhofer rollte der Sturm das Blechdach ab. Auch Telegraphen- und Telephondrähte wurden abgerissen. Später setzte ein starker Regen ein, der zeitweilig mit Hagel in der Größe von Nüssen vermengt war. Am ärgsten wirtschaftete der Sturm am Hause Nr. 59 des Josef Doll, wo das Blechdach samt Blitzableiter und Kamin zur Erde geschleudert wurde. In der Brauerei Zauner, sowie bei den Häusern der Herren Handlechner, Mühlberg u. a. wurden die Dächer stark beschädigt. Der Gesamtschaden ist sehr groß.

Henndorf

Henndorf. Zwischen 5 und 6 Uhr abends entlud sich über der Gegend des Wallersees ein furchtbares Unwetter. Der mit rasender Gewalt einsetzende Sturm hat hunderte von Bäume zum Opfer gefordert. Auf der Reichsstraße nach Neumarkt zählte man heute über achtzig entwurzelte Obstbäume.

In Neumarkt selbst wütete der Sturm mit elementarer Gewalt. Von zahlreichen Häusern wurden die Dächer abgedeckt und auf den Marktplatz geschleudert, der nach dem Gewitter fast nicht zu passieren war. Ein Haus mußte geräumt werden, da das Wasser in das erste Stockwerk eindrang.

Auch in Henndorf und dessen Umgebung ist der angerichtete Schaden ein bedeutender. Zahlreiche Dächer wurden abgetragen, Scheunen und Andere Holzbauten eingedrückt oder vollständig zerstört.

Wallersee

Der Wallersee, dessen Wasserstand schon seit Menschengedenken nicht so tief war, wie in diesem Sommer, wurde von dem Sturme derart aufgepeitscht, daß er seine Wellen bis weit in die Wiesen und Felder warf. Die Kurersche Badehütte, ein ziemlich massiver Holzbau neben den Badekabinen des Fischers Ennsbrunner, ist vom Erdboden verschwunden. Die Trümmer wurden in einem Umkreis von fünfzig Metern in die Wiesen geschleudert. Sommerfrischler, die mit ihren Kindern im Walde von dem Unwetter überrascht wurden, gerieten durch den Hagel und die stürzenden Bäume in Gefahr, verletzt zu werden. Das Hauptinteresse der Sommergäste wendete sich naturgemäß dem Wallersee zu; es entstand nicht geringe Aufregung, als plötzlich die Meldung einlangte, daß mitten im See ein leeres Bot umhertreibe. Die Befürchlungsn, daß sich ein Unglücksfall ereignet habe, war umso berechtigter, als kurz vor Beginn des Sturmes der in Salzburg um 4 Uhr 30 Min. abgehende Personenzug in der Haltestelle Wallersee eingefahren war und in Henndorf ansäßige Sommergäste zur Ueberfahrt über den See gebracht hatte. Einige beherzte Sommergäste fuhren trotz des stürmischen Wellenganges in einem Boot auf den See hinaus. Sie erreichten bald das früher gesichtete Schiff und konnten feststellen, daß die Ruder in dem Boote lagen; dies führte zu der Annahme, daß das Fahrzeug auf der Zeller Seite von den Wellen entführt worden war, eine Annahme, die später auch ihre Bestätigung fand. Die Tochter des Fischers Ennsbrunner wurde übrigens tatsächlich von dem Sturme auf dem See überrascht. Das Boot wurde trotz aller Anstrengungen der geübten Fahrerin zum Spielzeug der Wellen und dem Mädchen blieb schließlich nichts anderes übrig, als sich platt auf dem Boden ihres Fahrzeuges zu legen und den Sturm ausrasen zu lassen. Zum Glück dauerte er nicht allzulange, so daß auch der See bald wie ­der ruhiger wurde. Erst nach dem Unwetter konnte der angerichtete Schaden ermessen werden. Ueberall sieht man die Spuren des Sturmes und die Wiesen sind mit abgerissenem Obst förmlich übersät.

Neumarkt

Neumarkt. 24. August. Landespräsident Graf Schaffgotsch ist in Begleitung des Bezirks-Hauptmannes Dr. Rambousek hier eingetroffen, um die durch den gestrigen Sturm verursachten Schäden in Augenschein zu nehmen und an Ort und Stelle die erforderlichen ersten Maßnahmen einzuleiten. Auch Abgeordneter Anton Hueber hat sich eingefunden und der Besichtigung angeschlossen.

Quelle

  • ANNO, Salzburger Volksblatt, Ausgabe vom 24. August 1911, Seite 8