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Mitgekocht: Pure Osttiroler Heimatliebe auf dem Teller

Schlipfkrapfen nach Omas Art. Gefüllte Teigtaschen gibt's auf der ganzen Welt, Schlipfkrapfen aber nur in Osttirol - oder bei Osttirolern in aller Welt.

Und nachher vielleicht doch einen Obstler?
Und nachher vielleicht doch einen Obstler?
Meisterin der Schlipfkrapfen: Hildegard Werth.
Meisterin der Schlipfkrapfen: Hildegard Werth.

Hildegard Werth hat sich die Tracht angezogen, so sehr freut sie sich, ihr Lieblingsessen seit der Kindheit präsentieren zu dürfen. "Bei uns hat's Schlipfkrapfen zum Geburtstag gegeben und gelegentlich an Freitagen, weil kein Fleisch dabei ist", erinnert sich die 77-Jährige. "Wenn unsere Mutter für Mittag Schlipfkrapfen angekündigt hat, sind wir von der Schule regelrecht heimgerannt. Es war immer eine Sensation. Und es hat niemanden gegeben, der diese einfache Kost verschmäht hat." Beim ersten Essen, auf das sie ihren späteren Mann eingeladen hat, gab es ebenfalls Schlipfkrapfen. "Ich hab ihn damit buchstäblich eingekocht."

Alles, was es braucht, sind Mehl, Kartoffeln, Zwiebeln, Schnittlauch, gegebenenfalls Bärlauch oder Knoblauch, ein Ei, Muskat, Salz, Käse, Butter - und Zeit. Vom Kartoffelsieden bis zum servierfertigen Gericht darf man mindestens eine Stunde rechnen. Zwischendurch ist auch Fingerfertigkeit gefragt.

Hildegard Werth, die mittlerweile selbst Oma ist, plant für acht Personen, die sie zum Abendessen eingeladen hat. Dafür kocht sie ein Kilo Kartoffeln. Parallel schneidet sie zwei mittelgroße Zwiebelknollen klein. In einer Schüssel mischt sie - halbe-halbe - in Summe ein Dreiviertelkilo Roggen- und Weizenmehl. Dabei muss man aber sagen: Diese Mischung ist reine Glaubensfrage. Wer für den Nudelteig nur Weizen- oder Roggenmehl nimmt, ist genauso gut dran.

Mit einem Schuss Wasser und ein paar Tropfen Öl wird das Mehl teigig. Ordentlich durchgeknetet, sollte das Ganze eine halbe Stunde zugedeckt rasten. Wichtig: Der Teig muss zäh bleiben und darf nicht austrocknen. Nach der halben Stunde wird der Krapfenteig zwei Millimeter dünn ausgewalkt.

Für die Fülle werden die heißen Kartoffeln geschält und in eine Schüssel gerieben. Bei den Zwiebeln stellt sich die nächste Glaubensfrage: roh oder geröstet beimischen? Unsere Vorkocherin röstet die Zwiebeln zwecks Bekömmlichkeit glasig. Dem Gemisch geben die richtige Würze: frischer Schnittlauch nicht zu knapp, etwas geriebene Muskatnuss, je nach Jahreszeit Bärlauch oder Knoblauch, eine Prise Salz und ein rohes Ei. Alles gut verrührt ergibt die Fülle.

Jetzt wird's handwerklich. Wir müssen die Krapfen formen. Die Fülle wird mit einem Esslöffel zu kleinen Knödeln gepresst und im Abstand von ein paar Zentimetern in einer Reihe auf dem vorbereiteten Nudelteig verteilt. Der dünne Teig wird so überlappt, dass er die Fülleknödel gut zudeckt. Dann mit einem Trinkglas oder einer runden Keksform ausstechen und die Ränder gut zudrücken. Auf
(Ost-)Tirolerisch heißt das "pitschen". Ästheten ziselieren die Ränder mit einer Gabel. "Zu uns hat man gesagt, wer das ordentlich macht, kann heiraten auch", erzählt Hildegard Werth. Gegen Ende der Krapfenpitscherei wird's noch einmal spannend: Reicht der Teig für die Kartoffelfülle und umgekehrt die Fülle für den Teig? Frau Werth darf sich freuen, es geht sich perfekt aus. Der letzte Arbeitsgang: Die Krapfen drei Minuten (bzw. bis sie an der Oberfläche schwimmen) in Salzwasser kochen, daneben ein Packerl Teebutter erhitzen. Krapfen auf die Teller legen, braune Butter drüberträufeln, geriebenen Parmesan oder Graukäse sowie Schnittlauch drüber, und fertig. Ein Festmahl, das früher einmal ein Ganz-arme-Leute-Essen war.

Was man dazu trinkt, ist die letzte Glaubensfrage. Für die einen muss es eine Schale Milch sein, andere nehmen Bier oder Wein. Nicht ganz verkehrt ist ein Obstler hinterher. Denn anders als es der Name "Schlipf" suggeriert, schlüpfen (schliafn) die deftigen Krapfen nicht so leicht durch den Magen.

Nord- und Südtiroler, Kärntner, Friulaner, Kolumbianer und Chinesen füllen Teigtaschen mit Spinat, Topfen oder Faschiertem. Das Einzigartige an den Schlipfkrapfen ist die Kartoffelfülle. Für Osttiroler geht Heimatliebe so durch den Magen, wo immer auf der Welt sie sich aufhalten.