Ob der Erfinder der Fusilli wusste, dass - wohl aufgrund der besonderen physikalischen Eigenschaften der perfekt gedrehten Teigware - diese, wenn sie von einem etwas über einem Jahr alten Kleinkind mit dem richtigen Effet geworfen wird, souverän eine Zimmerflucht durchfliegen kann? Wir, ein karenzbedingt ge- wenn nicht zum Teil sogar überforderter Vater und seine 14 Monate alte Tochter, haben das für Sie getestet. Damit Sie es nicht tun müssen.
Die Nudel fliegt also. Einer ballistischen Flugbahn entlang Richtung Wohnzimmer, prallt von der Kante der Couch ab, rollt über den Teppich und kommt schließlich vor dem Blumentopf zum Liegen.
Das Ganze taugt, korrekt dokumentiert, als Feldversuch zu Pasta-Flugeigenschaften im Dienste der Wissenschaft. Und dient dem Versuch, den Nachwuchs zu ernähren.
Zuvor war die Spiralnudel zart in Butter mit etwas liebevoll geraspelter Zucchini und hauchdünn geschnittenem gelbem Paprika geschwenkt worden, bevor sie der harrenden Tochter serviert wurde. Und, schmeckt's? Ein Wurf sagt mehr als tausend Worte.
Dabei war das zugrundeliegende Konzept würdig und recht. Töchterchens nudelige Lieblingsspeise sollte einmal anders serviert werden. Mehr Geschmack, mehr Vitamine. Doch der Boden der Realität ist manchmal hart, vor allem wenn es der Küchenboden ist. Die nächste Nudel erreicht übrigens nicht mehr den Orbit, sondern wird von der unerwachsenen Gourmetkritikerin gewissenhaft von jeglicher aus ihrer Sicht unnötigen Garnitur befreit. Ein dekonstruktiver Prozess, bei dem die Feinmotorik geschliffen wird. Denkt der Papa und isst selbst das heruntergekratzte Gemüse.
Kochen mit Kindern. Das kann doch nicht so schwierig sein, dachte man als Homo kinderlosensis. Verworfen wurden die Horrorgschichtln kinderreicher Freunde: "Meine mögen nichts Grünes, meine essen nur Spaghetti, meine essen nur bei Oma." Man muss Kindern, so der fest gefasste Vorsatz damals, nur die Lust am Kochen und am Essen vermitteln, dann essen sie auch alles. Deshalb freute man sich auf die gemeinsame Zeit in der Küche, auf das gemeinsame Entdecken, Kosten, Rühren und Naschen von Selbstgekochtem. Die unmittelbar folgende kulinarische Realitätskollision war eine schmerzhafte.
Immerhin sollen Kinder ihr Essen erfahren, empfiehlt die heutige Pädagogik. Vorbei sind die Zeiten, in denen den im Hochstuhl festgezurrten Kindern Kalorien löffelweise verabreicht wurden. Kinder sollen deshalb, unwissenschaftlich formuliert, quatschen und matschen dürfen. Sich selbst früh am selbstständigen Essen probieren und beim Kochen "helfen". Töchterchen liebt es etwa, Gurken zu "schneiden". Mit großer Hingabe wird die Textur des grünen Gemüses und das Handwerk mit dem Babybesteck erforscht und geübt. Sollte das Aufspießen mit der Gabel gelingen, fliegt eben mal was durch den Raum, begleitet von Jauchzern heller Freude. Bei fliegenden "Nudels" ist dann aber doch Schluss. Sergeant Dad sorgt dafür, dass die Disziplinlosigkeit in der Küche nicht überhandnimmt. Er versucht es zumindest. Aber wer ein bisschen Chaos aushält, der wird dafür belohnt, dass Kinder die Küche als Spielplatz im positiven Sinne sehen und kann dabei selbst Geschmäcker wiederentdecken. Wer einmal schon die Augen eines Kleinkindes gesehen hat, wenn es zum ersten Mal neugierig in ein Stück Apfel, Erdbeere, Butterbrot oder Karotte beißt, der bekommt wieder Lust auf das Einfache und Gute.
Ach ja, hier das Rezept: Kochen Sie Fusilli, schneiden Sie Paprika und Zucchini, die sie mit den Nudeln in der Pfanne kurz blanchieren. So erzielen Sie die aerodynamisch besten Effekte.