Fast jeder Zehnte in Österreich leidet darunter: Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, die mit einem erhöhten Blutzuckerspiegel einhergeht. Häufig bleibt die Zuckererkrankung jedoch unerkannt oder wird erst spät diagnostiziert.
Bei Diabetes spielt das Insulin eine große Rolle. Dieses Hormon steuert die Höhe des Blutzuckers. Steigt nach dem Essen der Blutzuckerspiegel an, wird Insulin aus den Zellen der Bauchspeicheldrüse ausgeschüttet, wodurch der Blutzucker in die Körperzellen aufgenommen werden kann. Gibt es wenig Insulin oder wirkt es schlecht, bleibt der Zuckergehalt im Blut hoch.
Man unterscheidet vor allem zwei Typen von Diabetes: Rund 90 Prozent der Betroffenen erkranken an Diabetes Typ 2. Dabei setzt die Produktion von Insulin im Körper immer langsamer ein und der Körper reagiert weniger empfindlich auf Insulin. Die Ursachen sind stark genetisch bedingt, aber auch Übergewicht und Bewegungsmangel erhöhen das Risiko für die Erkrankung. Früher wurde diese Form als "Altersdiabetes" bezeichnet, die Patientinnen und Patienten werden jedoch immer jünger.
Diabetes Typ 1 ist eine seltener auftretende Form und gilt als Autoimmunerkrankung. Der Körper kann bei dieser Art von Diabetes meist gar kein Insulin produzieren.
Ein erhöhter Blutzuckerspiegel kann sich negativ auf Blutgefäße und Nerven auswirken. Die Folge- und Begleiterkrankungen sind immens: Mit Diabetes Typ 2 gehen etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen einher. "Die Erkrankung ist außerdem der häufigste Grund für nicht traumatische Beinamputationen und 200 Diabetiker erblinden in Österreich jährlich", sagte Susanne Kaser, Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG), im Rahmen einer Pressekonferenz.
Die Coronapandemie traf Diabetikerinnen und Diabetiker hart. Sie haben ein deutlich erhöhtes Risiko, einen schweren Verlauf zu erleiden, wenn sie an Covid-19 erkranken. Aber nicht nur das: "Menschen mit Diabetes tragen ständig einen unsichtbaren Rucksack mit sich herum", sagt Andreas Festa, Leiter der Diabetesambulanz im Landesklinikum Stockerau in Niederösterreich, der das Buch "Diabetes v2.0" (Verlagshaus der Ärzte, 2021) veröffentlicht hat. In diesem "Rucksack" befänden sich Ratschläge zum Lebensstil, Medikamente, Messgeräte und vieles mehr. Der Zugang zu vielen Inhalten sei durch die Krise erschwert worden, auch Kontrolltermine bei Ärzten etwa seien komplizierter gewesen.
Eine europaweite Umfrage unter 1800 Pflegekräften mit Diabetesschwerpunkt zeigte außerdem, dass sich das Versorgungsniveau von Menschen mit Diabetes "außerordentlich" oder "sehr stark" verschlechtert hat. Die Umfrage ergab auch, dass die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Betroffenen immens waren: Darunter wurden Angststörungen (82 Prozent), Stress (65 Prozent) oder Depression (49 Prozent) genannt.
Mit der richtigen Behandlung kann eine Diabeteserkrankung heute gut in den Griff bekommen werden. Wichtig sei es aber, die Behandlung frühzeitig zu beginnen - idealerweise präventiv, sagt Diabetesspezialist Festa. "Dazu setzen wir bei Lebensstilmaßnahmen an" - etwa der Änderung von Ernährungs- oder Bewegungsgewohnheiten. "Jeder Schritt ist wichtig."
Aber auch in der technischen Entwicklung und an der Medikamentenfront hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan: Die Arzneien wirken sich nicht nur günstig auf den Blutzucker, sondern auch auf Organe wie Herz und Nieren und Begleiterscheinungen wie Übergewicht aus.
In vielen Fällen führt die Behandlung jedoch über eine Insulintherapie. Das lebenswichtige Hormon muss injiziert werden. Dafür werden meist sogenannte Pens verwendet. "Spektakulär ist aber auch die technologische Entwicklung bei den Glukosensoren und Insulinpumpen, die in erster Linie bei Diabetes Typ 1 eingesetzt werden", sagt Festa. Das sei ähnlich wie bei selbstfahrenden Autos. "Die Sensoren sammeln Informationen aus der Umgebung, der Output ist dann eine angepasste Insulindosis", sagt er. Wichtig bei der Behandlung von Diabetes sei in jedem Fall aber eine personalisierte Therapie.
Um das zu gewährleisten, fordert ÖDG-Präsidentin Kaser einen mit der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA verknüpften Diabetespass. Dieser solle Patienten während der Behandlung begleiten, Befunde und Untersuchungen beinhalten und die Zusammenarbeit unterschiedlicher medizinischer Versorger erleichtern. Auch ein nationales Diabetesregister sollte eingeführt und die Vorsorge ausgebaut werden. Kaser: "Je früher die Menschen Bescheid wissen, desto besser können sie Folgeerkrankungen vorbeugen."