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Der Mythos um das Runner's High

Hormonrausch im Gehirn. Die Medizin ist dem bekannten Läuferphänomen auf der Spur.

Das euphorische Hoch, das manche Läuferinnen und Läufer empfinden, wird auch wissenschaftlich untersucht.
Das euphorische Hoch, das manche Läuferinnen und Läufer empfinden, wird auch wissenschaftlich untersucht.

Ein Hochgefühl, das den Körper vereinnahmt. Euphorie, Glücksgefühle, der Eindruck, dass man noch ewig weiterlaufen könnte. Sich gleichzeitig voller Energie und doch tiefenentspannt fühlen. So und so ähnlich lauten die Beschreibungen, mit denen Läuferinnen und Läufer von den von ihnen empfundenen positiven Emotionen beim Sport berichten. Nach und nach hat sich so der Begriff "Runner's High" eingebürgert. Aus medizinischer Perspektive heraus müsse man allerdings zwischen dem Volksmund und einer wissenschaftlichen Definition dieses Hochgefühls unterscheiden, sagt Stephan Listabarth. Der Arzt, selbst ehemaliger Leistungssportler und Marathoni, arbeitet an der klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien und bietet dort mit einem spezialisierten Team sportpsychiatrische Beratungen für Leistungssportlerinnen und Leistungssportler an.

Welches Hormon ist dafür zuständig?

"Im Volksmund ist der Begriff Runner's High häufig eine Beschreibung für die Euphorie, die jemand beim Laufen empfindet, für das Gefühl, ewig lang weiterlaufen zu können", erklärt er. Im Unterschied dazu stehe der wissenschaftliche Ausdruck, der nicht nur die positiven Emotionen, sondern spezifischere Kriterien meint. "In der medizinischen Forschung zählt man zum Runner's High häufig eine reduzierte Ängstlichkeit, ein vermindertes Anstrengungs- und Schmerzempfinden, eine gewisse Sedierung, also ein Gefühl von Müdigkeit, und - ebenso wie bei der Bedeutung im Volksmund - Euphoriegefühle."

"Körpereigene Cannabinoide bewirken den Effekt."
Stephan Listabarth
Psychiater

Es habe bereits einige Forschungsprojekte gegeben, sowohl mit Menschen als auch mit Tieren, um dem Hochgefühl weiter auf die Spur zu kommen. Eine der großen Fragen lautet dabei: Welches Hormon ist für das Gefühl verantwortlich, von dem Läufer so schwärmen? Dabei sei man lange Zeit auf dem Holzweg gewesen, berichtet Listabarth. "Es gab die Hypothese, dass Endorphine für dieses Empfinden ausschlaggebend sind. Mittels Experimenten konnte das jedoch klar widerlegt werden."

Nicht jeder erlebt ein "Runner's High"

Stattdessen seien es sogenannte Cannabinoide, die den besonderen Zustand auslösten - dieselben berauschenden Stoffe wie jene aus der Cannabispflanze, allerdings in diesem Fall vom Körper selbst produziert. Anders als die Substanzen in der Pflanze machen die körpereigenen Cannabinoide jedoch nicht abhängig, kann der Arzt beruhigen. "Ein Zusammenhang etwa mit einer Sportsucht hat sich bislang nicht gezeigt." Auch weitere Glückshormone wie Dopamin und Serotonin werden beim Laufen ausgeschüttet und lösen positive Gefühle aus.

Das euphorische Hoch, das manche Läuferinnen und Läufer empfinden, wird auch wissenschaftlich untersucht.
Das euphorische Hoch, das manche Läuferinnen und Läufer empfinden, wird auch wissenschaftlich untersucht.

Keineswegs erlebe jeder Läufer ein Runner's High und es sei auch nicht zwingend erforderlich, für einen solchen regelmäßig zu laufen. "Studien weisen sogar darauf hin, dass Menschen, die regelmäßig trainieren, geringere Cannabinoidspiegel aufweisen als solche, die das nur sporadisch tun." Im Zentrum der Vorteile des Laufens für die Psyche stehe das dezidierte Hochgefühl ohnehin nicht. "Viel wichtiger ist, dass sich regelmäßige Bewegung und das Laufen, ob nun mit oder ohne Runner's High, sehr positiv auf den Körper wie auch die Psyche auswirken."