Die Dezember-Challenges begannen während der Coronazeit: Da Susann Lehmann 2020 wie viele andere Läuferinnen nicht an Wettkämpfen teilnehmen konnte, erfand sie einfach ihre eigene Challenge und zieht diese seither jeden Dezember durch. 2020 begann damit, dass sie täglich den Kilometerstand lief, den die jeweiligen Kalendertage angezeigt haben. 2021 stand eine Höhenmeter-Challenge, 2022 eine Halbmarathon-Challenge auf dem Programm. "Am anstrengendsten war 2023, da bin ich 28 Marathons in 31 Tagen gelaufen", erzählt Lehmann. Mit der Vorbereitung, Laufen, Duschen und Essen musste sie täglich 6 bis 7 Stunden an Zeit veranschlagen, um alles erfolgreich meistern zu können. Wie sie das geschafft hat? "Ich kenne meinen Körper und regeneriere schnell, es hat eigentlich gut geklappt." Damals sammelte sie Geld für die Bergwacht in Kochel am See. 2024 kombinierte sie im Rahmen der Challenge verschiedene Sportarten wie Laufen, Krafttraining und vieles mehr. Auch für das Kinderhospiz oder den Tierschutz sammelte Susi, wie sie von Familie und Freunden genannt wird, bereits Geld.
28 Marathons in 31 Tagen
Susann Lehmann ist Ultraläuferin und bestreitet Marathons. Ihr Ziel ist das Ausloten persönlicher Grenzen - und dafür ist sie immer wieder auf der Suche nach neuen Herausforderungen.


Mit dem Laufen begonnen hat Lehmann in Aue im sächsischen Erzgebirge. Bereits in jungen Jahren war sie mit den Eltern sportlich viel unterwegs, zum Beispiel beim Skifahren oder Radfahren. Mit sieben Jahren trat sie einem Leichtathletikverein bei. "Das habe ich auch gemacht, bis ich 14 oder 15 war. Ich war in der Jugend recht erfolgreich, aber da sich meine Interessen verschoben haben und mir der Leistungsdruck mit Schule und Training zu hoch war, habe ich damit aufgehört."
Laufen als Ausgleich zum Bürojob
Ungefähr zehn Jahre machte Susi gar keinen Sport. "Ich habe Design studiert und dann in einer Werbeagentur in Braunschweig zu arbeiten begonnen. Da bin ich zehn bis zwölf Stunden pro Tag gesessen und habe festgestellt, dass ich mich mehr bewegen muss. Und da das Laufen am leichtesten war, bin ich 2012 das erste Mal gejoggt", verrät Lehmann. An ihren ersten Lauf kann sie sich noch bestens erinnern: "Der Lauf fand in einem Park statt, ich bin mit dem Fahrrad hingefahren, da ich für mich sein und mich nicht schon durch das Hinlaufen verausgaben wollte. Die Strecke war 2,5 Kilometer lang und ich hatte noch keine Laufkleidung, bin mit alten Schuhen und einer dicken Jogginghose gelaufen. Mein Kopf war rot, ich hatte Seitenstechen und meine Lunge hat gebrannt", erzählt Susi mit einem Schmunzeln. Nach dem Lauf habe es sie ganz schön gewurmt, dass es so schlecht lief. "Ich hatte als Kind ja viel Sport gemacht und bin davon ausgegangen, dass mir der Einstieg leichter fällt. Ich habe mir aber gedacht, dass ich das nochmals probiere, und bin dann drangeblieben. Ich habe mich auch in das Thema Laufen eingelesen und da stand, dass man zwei bis drei Mal pro Woche laufen gehen soll. Ich war in den ersten zwei Jahren sechs bis sieben Mal im Fitnessstudio und habe da auf eine Mischung aus Zirkeltraining und Laufbandeinheiten gesetzt", sagt Lehmann.
Von fünf Kilometern steigerte sie sich nach und nach auf 10 bis 15 Kilometer. Mit der Zeit lief sie auch mehr im Freien. Ab 2014 - in diesem Jahr bestritt Susi ihren ersten Halbmarathon - war das Fitnessstudio dann eher nur mehr begleitend. 2015 bestritt Lehmann ihren ersten Marathon und ab da nahm die Laufkarriere so richtig Fahrt auf. Ende 2016 zog Susi nach München und später nach Kochel am See - seitdem arbeitet sie als selbstständige Grafik- und Mediendesignerin.

2017 feierte sie ihre Rennpremiere im Ultralaufen, lief aber parallel auch immer wieder Marathons. Warum sie mit dem Ultralaufen begonnen hat? "Es ist eine ganz andere Szene als beim Straßenmarathon, wo es um Zeiten geht. Beim Ultralaufen fragt dich selten jemand, wie lange du gebraucht hast. Und neben dem Ausdaueraspekt spielen ganz andere Fähigkeiten eine Rolle wie mentale Stärke, der Umgang mit unvorhersehbaren Problemen, Schlaf, Ernährung und vieles mehr", erklärt Susi.
Schmerz und Jubel in der Schweiz
2019 erreichte Lehmann eines ihrer großen Ziele, nämlich die Absolvierung der World Marathon Majors, also der größten Marathons der Welt. Dazu zählen Tokio, Boston, London, Berlin, Chicago, New York (seit Ende 2024 ist auch Sydney mit dabei).
Ihr Fokus lag aber mittlerweile eher beim Ultralaufen. 2019 absolvierte die Deutsche ihren ersten 100-Kilometer-Lauf und weitere Ultratrails, ehe dann die Coronapandemie für eine Wettkampfpause sorgte. 2021 lief sie den Transalpine Run mit 263,9 Kilometern und 15.320 Höhenmetern. 2022 sollte nach Ultrarennen auf Madeira und Gran Canaria gemeinsam mit Magdalena Kalus der Eiger Ultra Trail über 250 Kilometer folgen, jedoch musste das Duo nach etwa 180 Kilometern aussteigen. "Wir waren super vorbereitet, ich stand so fit wie noch nie am Start. Leider war es die ganze Woche extrem heiß und hat auch in der Nacht nicht abgekühlt, ich dachte nicht, dass das ein Problem werden könnte. Irgendwann hatte ich keine Energie mehr und konnte auch nichts mehr essen. Als ich dann nachts im Gehen eingeschlafen bin, mussten wir schweren Herzens aufgeben", erzählt Susi.
Sehr schnell sei aber der Entschluss gereift, es im nächsten Jahr noch einmal zu versuchen. Gesagt, getan! 2023 standen die beiden erneut beim Eiger Ultra Trail am Start und erreichten diesmal den starken dritten Platz. Von ihren Erfahrungen aus den beiden Jahren beim Eiger Ultra Trail handelt auch das Filmprojekt "Lucky Peach", das Lehmann und Kalus gemeinsam mit zwei Bekannten, die professionelles Video- und Fotomaterial gesammelt haben, initiiert haben. Dieser wurde unter anderem auch bei diversen Filmfestivals gezeigt.

Laufprojekt im Sommer 2025
Wirklich wichtig für Lehmann, die einen zehn Jahre alten Mischlingshund namens Flocki hat, der sie manchmal bei Trainingseinheiten auf ihren Hausberg begleitet, sind auch die Themen Ernährung, Trinken und Regeneration. "Man verbrennt beim Ultralaufen ja unfassbar viele Kalorien, da kann man nicht nur Gels oder Isodrinks zu sich nehmen. Ultraläuferinnen und -läufer sollten vor allem auch ihren Magen-Darm-Trakt trainieren, damit die Nahrungsaufnahme während des Rennens gut verarbeitet wird. An jeder Labestation gibt es feste Nahrung, und es ist wirklich entscheidend, da ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen", empfiehlt Lehmann, die kein Fleisch und keinen Fisch isst. Lehmann setzt bei der Regeneration auf Proteinpulver und Regenerationsshakes.
"Was sind meine Grenzen? Diese Frage zu beantworten, das ist meine Motivation!"
Eindrücke von ihrem Trainingsalltag und von den Wettkämpfen teilt Susi Lehmann auf Instagram - früher bloggte sie auch erfolgreich. Außerdem erscheint ein wöchentlicher Podcast zu einem Laufthema von ihr. "Da stecke ich wirklich viel Zeit rein", verrät die Sportlerin. In einer Trainingswoche kommt sie auf 6 bis 15 Stunden, je nach Schwerpunkt und Belastung. Ihre drei Schwerpunkte sind Berglaufen (Technik, Verpflegung, Ausrüstung), Laufen im Flachen (darunter Marathons) und Krafttraining, um dem Abbau von Muskelmasse und Knochendichte vorzubeugen.
Im Sommer hat sie mit ihrer Freundin Magdalena Kalus ein großes Laufprojekt geplant. Worum es genau geht, will sie noch nicht verraten: "Es hat aber mit Bergen zu tun!"