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Der Uhudler ist ein Zungenbrecher und Kultwein

Die Weinspezialität aus dem Südburgenland wurde über 100 Jahre hinweg bekämpft, verboten und gerettet. Der Rosé verkörpert heimische Lebensfreude.

Der Uhudler ist ein Direktträgerwein, Wurzel und Trauben sind genetisch ident.
Der Uhudler ist ein Direktträgerwein, Wurzel und Trauben sind genetisch ident.

Der Uhudler fürchtet weder die Reblaus noch Brüssel und ist der Krafttrank der Rebellen. Wie die Gallier gegen Rom leisteten die Weinbauern, die den Uhudler hegen und pflegen, fortwährenden Widerstand gegen die Obrigkeit. Denn Regierungen, Behörden und die EU haben den Haustrunk des Südburgenlands in seiner 100-jährigen Geschichte verboten, bekämpft, als "giftig" verleumdet und fassweise in den Kanal geschüttet. Heute ist der dunkle Roséwein Kult, der heimische Lebensfreude und Gangart verkörpert.

Allein der Name, ein genialer Zungenbrecher, der um 1950 entstand und sich um folgende Geschichten rankt: Demnach wurden die Weinbauern nach durchzechten Nächten in den Kellerstöckln von ihren Frauen begrüßt mit: "Du siehst ja aus wie ein Uhu" (wobei man in der Steiermark noch anfügt "wie nach dem Waldbrand"). Zudem gibt es ein Tongefäß namens "Udler", ein derber Plutzer mit zwei Löchern, aus dem getrunken wurde. Uhudler könnte somit lautmalerisch beschreiben, dass man beim Plutzertrinken einen Rausch bekommt. Auch die volksnahen Bezeichnungen "Heckenklescher" oder "Rabiatperle" für Direktträgerweine verweisen auf übermäßigen Weinkonsum.

Feste im Kellerstöckl

Das Uhudler-Zentrum liegt rund um Heiligenbrunn. Das Anbaugebiet wird auch Weinidylle genannt und ist infolge der langen Prohibition von 1200 Hektar in den 1930er-Jahren auf heute 120 bis 150 Hektar geschrumpft. Das 200 Jahre alte Kellerviertel mit strohgedeckten Häusern in Heiligenbrunn steht unter Denkmalschutz. Initiativen und Vereine organisieren Feste, Verkostungen und Führungen (www.kellerviertel-heiligenbrunn.at). In Moschendorf gibt es ein Weinmuseum (www.weinmuseum.at). Das Winzer-, Intendanten- und Schauspielerpaar Eva und Martin Weinek hat sogar ein Uhudler-Landestheater gegründet, das auf Schloss Tabor bespielt wird (www.uhudlertheater.at).

Der Uhudler sei ein Fantasiename für verschiedene Rot- und Weißweinreben (Concord, Delaware, Elvira, Ripatella), die im Burgenland seit 2003 gesetzlich zugelassen sind, erklärt Harald Kaiser, Winzer und Obmann des Vereins Freunde des Uhudlers. Andere Direktträgersorten laufen unter Obstweinen. Direktträger sind nicht veredelte Rebsorten, Trauben und Wurzeln sind genetisch gleich. Diese Weinpflanzen sind stark resistent gegen Reblaus und Mehltau, benötigen keine Spritzmittel. Die Uhudler-Weine sind laut der Organisation Arche Noah eine bedeutsame pflanzengenetische Ressource. Slow Food International hat den Uhudler in die "Arche des Geschmacks" aufgenommen. Die Weine sind rost- bis zwiebelfärbig, hell bis strohgelb, haben eine knackige Säure, duften und schmecken nach Beeren und Robinien. Aus den Trauben werden Essig, Marmelade, Likör und Frizzante gemacht. Der Perlwein sei ein Verkaufsschlager, sagt der Wirt und Schauspieler Martin Weinek. Und der Uhudler als Speisenbegleiter? "Der passt gut von Freitagnachmittag bis Sonntag", meint der "Kommissar Rex"-Darsteller.

Geboren in der Reblauskrise

Der Uhudler entstand um 1900, als die Reblaus Europas Weingärten vernichtete. Der Schädling wurde durch Wildreben aus den USA eingeschleppt. Der Befreiungsschlag kam, als man erkannte, dass sich die Läuse an den amerikanischen Reben nicht so massenhaft vermehrten wie an den europäischen Wurzelunterlagen. Seitdem werden die empfindlichen europäischen Edelweine auf die robusten amerikanischen Unterlagen aufgepfropft. Die Bauern und Kleinwinzer im ärmlichen Südburgenland Österreich-Ungarns verzichteten jedoch auf das aufwendige Veredeln und zogen die Amerikanerreben direkt hoch, die Geburt der Direktträgerweine.

"Das war damals ein einfacher Wein. Der wächst schnell, man brauchte keine Herbizide. Das war ein billiger Tafelwein, ein Haustrunk", sagt Uhudler-Winzer Kaiser. Gekeltert wurde im Holzfass, mitunter gingen die Stängel mit. Im Frühjahr war der Wein fruchtig-spritzig, im Sommer wurde er "kahmig", wenn Luft ins Fass kam, eine weißliche Haut und ein Essiggeschmack sich bildeten. Heute wird der Uhudler nach modernsten Standards in Stahltanks ausgebaut, es gibt strenge Qualitätskontrollen. Nach dem Ersten Weltkrieg war der Bauernwein jedoch ein günstiger, populärer Trost - und wurde zur Konkurrenz für die Edelweinbauern.

"Der Uhudler ist der Genuss der Region. Das muss bleiben."
Harald Kaiser
Winzer

Es kam zu Preisverfall und Überproduktionen, die "sauren Direktträgerweine" wurden bekämpft, schildert das Landwirtschaftsministerium in einem historischen Abriss über das traditionelle Lebensmittel. Es wurde behauptet, der Uhudler enthalte Fuselöle sowie viel Methanol und mache krank.

Großen Einfluss hatte Fritz Zweigelt, der Direktor der Weinbauschule Klosterneuburg, Botaniker und Namenspatron der gleichnamigen Sorte - sowie ein frühes NSDAP-Mitglied. In einem Fachbuch schrieb er, die Direktträgerweine verursachten "Zornexzesse bei Männern, Hysterie bei Frauen, Halluzinationen, geistige und körperliche Degenerationserscheinungen bei Kindern", kurz Siechtum. Während "die Bauern mit veredelten Weingärten kinderreiche Familien" hätten, "gesund und arbeitsam" seien. Von 1929 an bis 1985 begann eine sich kontinuierlich verschärfende gesetzliche Prohibition. Sie betraf das Keltern, das Auspflanzen, das Ausschenken, den Verschnitt und Verkauf. 1946 mussten 75 Prozent der Weingärten gerodet werden. 1961 wurde nur noch der private Konsum als Haustrunk erlaubt - den das Parlament 1971 auf 400 Liter pro Kopf und Jahr beschränkte, immerhin vier Viertel pro Tag. 1985 wurde der Uhudler im Zuge des Weinskandals komplett verboten, obwohl er niemals mit Zucker und Frostschutzmitteln gepanscht wurde. "Bis zu Beginn der 90er-Jahre wurden Tausende Liter Uhudler, vor allem im Südburgenland, von Kellereiinspektoren ausgeleert und kanalisiert", informiert das Landwirtschaftsministerium.

Die Kellergasse in Heiligenbrunn ist mehr als 200 Jahre alt und steht unter Denkmalschutz.
Die Kellergasse in Heiligenbrunn ist mehr als 200 Jahre alt und steht unter Denkmalschutz.

Ab 1989 traten die Freunde des Uhudlers auf den Plan, rehabilitierten und retteten die Weinspezialität. "Wir wollten, dass diese Rarität bestehen bleibt. Das ist der Genuss der Region. Der Uhudler macht nicht krank, der hat weniger Methylalkohol als ein Blaufränkischer", erklärt Obmann Kaiser.