"So schöne Chardonnay-Trauben habe ich mein ganzes Leben noch nie geerntet. Man hätte am liebsten in jede einzelne reingebissen", erzählt Albert Gesellmann, Winzer in Deutschkreutz im Mittelburgenland. "Der Blaufränkisch, den wir in den letzten zwei Wochen gelesen haben, konnte das noch toppen. Es werden fantastische Rotweine. Eine echte Belohnung für die Mühen des Vegetationsjahres." 2024 geht als eines der frühesten in die Geschichte des Weinbaus in Österreich ein. Nur 2018 waren einige Betriebe noch eher dran. Damals wurden die ersten Prüfnummern für Jungwein bereits am 4. August vergeben. Heuer sei es der 12. August gewesen, erzählt Christian Zechmeister, Geschäftsführer der Wein Burgenland.
Aktuell ist das Gros für trockene Weine herinnen. Nur die Trauben für edelsüße Spezialitäten wie Beerenauslese hängen noch an den Stöcken. Botrytis, der Edelfäulepilz, der die Beeren einschrumpfen und somit ihre Inhaltsstoffe konzentrieren lässt, mache gute Fortschritte, hört man aus Winzerkreisen. Die Salzlacken im Seewinkel seien durch den Regen wieder gefüllt, Morgennebel zögen durch die Weingärten und die Tage seien warm. Also optimale Bedingungen für das süße Gold. In den Kellern brodelt und gärt es derweil ordentlich. Hochsaison für Winzer und ihre Mitarbeiter. Das Zeitfenster für den in der Jahreszeit beliebten Sturm ist fast schon am Ausklingen. Der erste weiße ging dieses Jahr beispielsweise bei Spar Österreich schon am 9. August über die Ladentheke, die rote Variante folgte knapp drei Wochen später.
Ungünstige Witterung
Im Gegensatz zum Vorjahr bescherte der heurige Winter den Weinbauern im ganzen Burgenland ausreichend Niederschläge. Die Böden waren also bestens versorgt, bevor das Wachstum begann. Ein warmer Frühlingsbeginn und fast schon sommerliches Wetter Anfang April bedingten in der Folge einen sehr zeitigen Rebaustrieb - rund drei Wochen früher als im langjährigen Durchschnitt. Dadurch fand auch die Rebblüte entsprechend eher statt. Begleitet war sie jedoch von einer erneut niederschlagsreichen Phase, die in manchen Teilen des Bundeslandes zu Verrieselungsschäden führte. Beim Verrieseln werden die Blüten - durch starken Regen oder auch Spätfrost - entweder nicht befruchtet oder schon fertige Knospen wieder abgestoßen. Die Folge: eine Verminderung des Ertrags. Positiv daran ist, dass die Trauben lockerer an den Kämmen hängen und daher später weniger anfällig für Pilzkrankheiten sind. Ab Mitte Juni begann die erste Hitzeperiode, auch der Juli und August waren von hohen Temperaturen geprägt. Die Niederschläge verteilten sich in den burgenländischen Weinbaugebieten in der Zeit unterschiedlich. Während es mancherorts keinen Tropfen regnete, gab es hie und da Unwetterereignisse. "In meiner Heimat Eisenstadt kam von Mitte Juni bis Anfang September kein Regen. Außerdem hatten wir einmal zehn Tage am Stück 34 Grad und mehr", erzählt Zechmeister.
Gut gegen Hitze
Nachdem die Temperaturrekorde der letzten 20 Jahre für den Weinbau zur Herausforderung wurden, musste reagiert werden. Sind die Weine aus 2003, der als erster Hitzejahrgang jüngerer Geschichte gilt, noch von üppiger, fast marmeladiger Frucht und niedriger Säure geprägt, steuern die Winzer jetzt mit gezielten Maßnahmen entgegen. Etwa mit entsprechender Laubarbeit. Sonnenseitig lässt man die Blätter wie einen Schutzschirm, gegenüber wird ausgelichtet, was für Durchlüftung sorgt. Nach oben wachsende Reben werden seltener "gewipfelt" und dafür um den Draht gewickelt und eingestrickt. Das optimiert Wachstum wie Reife. Zudem rückt die Ernte meist in die kühlen Stunden des Morgens, manchmal in die Nacht. Trauben, die mit höheren Temperaturen im Keller ankommen, werden gekühlt, um die frische Frucht im Wein zu erhalten.
Immer wichtiger wird der ideale Erntezeitpunkt. Ist die physiologische Reife erreicht, die Kerne verholzt und die Aromatik perfekt, sollte es schnell gehen. Im Burgenland wurden Weißweintrauben und rote Sorten wie Zweigelt oder Pinot noir noch vor dem großen Regen Mitte September gelesen. Die ohnehin heuer kleineren Blaufränker kamen mit den Wassermassen gut zurecht. "Zum Glück gab es bei uns keine Überschwemmungen wie in Niederösterreich. Die 140 Liter haben unsere Weingärten zum Glück ohne große Probleme weggesteckt. Wir sind sehr zufrieden mit dem Jahrgang. Die Menge ist allerdings um 20 Prozent geringer als im Durchschnitt. Das liegt an der Trockenheit im Sommer und der Verrieselung während der Blüte", berichtet Andreas Kollwentz vom Römerhof Kollwentz in Großhöflein.