SN.AT / Leben

Die Kräuterhexe aus dem Lammertal

Mit dem Leierhof in Abtenau hat sich die Biochemikerin Renée Schroeder ihr eigenes Kräuterparadies geschaffen - eine neue Leidenschaft der pensionierten Forscherin.

Renée Schroeder in ihrem grünen Reich hoch über Abtenau – vor der traumhaften Kulisse des Dachsteins.
Renée Schroeder in ihrem grünen Reich hoch über Abtenau – vor der traumhaften Kulisse des Dachsteins.

Das schlichte Holzschild an der Postalmstraße vor der Mautstelle weist den Weg zum Leierhof. Er liegt hoch über Abtenau auf 1100 Metern Seehöhe und wird seit 2018 von Renée Schroeder bewirtschaftet.

Dass es die langjährige Professorin an der Universität Wien in den Tennengau verschlagen hat, war purer Zufall. Auf der Suche nach einer Hütte in den Bergen wurde die Familie aus Wien schließlich mit dem verfallenen Hof fündig, wo sich Fuchs und Hase ein Stelldichein geben. Einst als Viehbetrieb geführt, sollte hier künftig ein Kräuterhof entstehen - die Voraussetzungen dafür waren geradezu ideal: Die lange Zeit ungenutzte 33 Hektar große Landwirtschaft bot eine enorme Vielfalt an Insekten und duftenden Pflanzen, die das Herz der Neo-Kräuterhexe höherschlagen ließ. Das alte Gebäude wurde abgerissen und ein neues Wohnhaus samt einer in die Natur integrierten "Kräuterküche" gebaut. In einem Beet gedeihen Beinwell, Ringelblume, Wermut und Salbei.

Nach dem Motto "Wild gewachsen, handgepflückt und luftgetrocknet" werden die Kräuter zu wirksamen Salben, Seifen oder bekömmlichen Tees verarbeitet. Die Produkte gibt es im eigenen Onlineshop, im Hofladen und auf Märkten.

"Die Kräuter sammle ich an sonnigen Tagen um die Mittagszeit und wenn sie trocken sind, weil sie dann ihr bestes Aroma und ihre höchste Wirkungskraft entfalten", erklärt die Expertin.

Wobei sie die Schafgarbe besonders schätzt, die bekanntlich entzündungshemmend und blutdrucksenkend wirkt - wegen ihres fein zerteilten und geschwungenen Blattes wird sie auch "Augenbraue der Venus" genannt.

Getrocknete Kräuter in verschließbaren Gläsern für den Vorrat.
Getrocknete Kräuter in verschließbaren Gläsern für den Vorrat.

Ein wahrer Alleskönner ist die Brennnessel, die über blutreinigende und stärkende Kräfte verfügt und einen positiven Einfluss auf die Leber- und Gallenfunktion hat. Sie lindert rheumatische Beschwerden und regt den Stoffwechsel an. In mühevoller Handarbeit werden die Blätter für die Teeverarbeitung gerebelt und die Samen von den Blüten getrennt.

Beinwell ist ein typisches Kraut, um Knochenverletzungen zu heilen. Er enthält Gerb- und Schleimstoffe, Kieselsäure, Harze und in geringen Mengen das giftige Pyrrolizidinalkaloid, das die Leber schädigen kann. Man sollte daher sparsam damit umgehen, warnt die Kräuterexpertin. Wie sagte schon Paracelsus: "Die Dosis macht das Gift!"

Auf einem ihrer vielen Streifzüge durch Wald und Wiese hat der Wald-Storchschnabel kürzlich das Interesse der Wissenschafterin geweckt. Die Pflanze enthält den Stoff Furocumarin, der als Hoffnungsträger bei der Bekämpfung von Alzheimer gilt.

Dass sie sich als studierte Biochemikerin nun mit Kräutern beschäftige, sei kein Widerspruch - immerhin basiert ein großer Teil der Arzneimittel auf Heilpflanzen.

Um ihre Vita ein wenig aufzurollen: Geboren 1953 und aufgewachsen in Brasilien, zog die Familie 1967 nach Bruck an der Mur, wo Renée die Matura absolvierte. Nach dem Studium in Wien folgten Forschungsaufträge in München, Paris und New York. Sie selbst bezeichnet sich als Weltbürgerin und fühlt sich überall daheim.

Aber wenn von ihrem neuen Zuhause die Rede ist, kommt sie geradezu ins Schwärmen: von der herrlichen Ruhe dort oben und der idyllischen Kulisse mit Blick auf den Dachstein, die Bischofsmütze und das Tennengebirge - einmal abgesehen von den Schneemassen und den heftigen Winterstürmen, wenn es mitunter ordentlich kracht im Gebälk.

Jeden Samstagvormittag ist sie mit ihrer Naturapotheke am Tennengauer Wandermarkt präsent, der abwechselnd in Golling, Kuchl, St. Koloman, Scheffau und Rußbach Station macht. Zahlreiche Stände locken mit einer bunten Mischung aus regionalen Lebensmitteln und handwerklichen Produkten.

Renée Schroeder hat schon viele wissenschaftliche Publikationen und Bücher verfasst. Derzeit schreibt sie an einem Kräuterbuch mit evidenzbasierten Rezepten, das bedeutet, dass die Wirksamkeit und Sicherheit der Anwendungen durch wissenschaftliche Studien belegt sein müssen. Man darf also durchaus gespannt sein!