Die Salzburgerin Karin Buchart zählt zu den arriviertesten Kräuterexpertinnen im Land. Diesen Donnerstag erscheint ihr neuestes Buch. Ein Gespräch über den Siegeszug der Kräuter und warum sie ihren Geschmack verlieren, wenn man sie sehr verwöhnt.
Frau Buchart, was unterscheidet Ihr neuestes Buch von früheren Werken? Seit vielen Jahren widmen sich Kräuterbücher der Pflanzenmonografie, also erklären ihre Inhaltsstoffe und welche heilende Kraft sie entfalten können. Im neuen Buch gehe ich einen Schritt weiter und konzentriere mich auf die Frage, wie unser Körper die Wirkstoffe am besten verwerten kann und welche Pflanzen sich für welche Zubereitung eignen. Es ist ein Unterschied, ob ich Kräuter als Tee, Tinktur oder Salbe verwende. Zu wissen, dass Salbei Gerbstoffe enthält, reicht nicht mehr. Es geht um die Frage, wie sie uns am meisten nutzen und wie wir sie in diese geeignete Form verwandeln können. Ob ich den Salbei in Öl brate oder als Tee zubereite, macht einen Unterschied.
Nämlich? Wenn man Salbei in Öl brät, bekommt das Blatt einen sehr feinen und aromatischen Geschmack. Lasse ich Salbei als Tee lang ziehen, kommt die Gerbstoffwirkung hingegen voll zum Tragen. Nicht nur der Geschmack, auch die Wirkung verändert sich dadurch. Was besser ist, hängt davon ab, was man bewirken will. Und diese Prozesse werden im Buch auch mit Grafiken und in allen Details dargestellt. Auch Stehzeiten spielen im Verwertungsprozess eine wichtige Rolle oder etwa die Temperatur.
Das klingt wie Handwerk. Es ist wie beim Kochen. Da muss man zuerst wissen, welche Zutaten man für ein Gericht braucht. Dann geht es darum, wie man diese am besten kombiniert und proportioniert, um Raffinesse, Geschmäcker oder die Kulinarik zu schärfen.
Sie beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit Kräutern. Wie sehr hat sich die Einstellung der Gesellschaft dazu verändert? Ich erinnere mich noch gut an die frühen 1990er-Jahre. Da waren Kräuter noch ein absolutes Randthema. Im besten Fall kannten die Menschen drei oder vier Pflanzen. Bald aber erlangten einheimische Kräuter mehr Aufmerksamkeit. Heute sind sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Selbst mancher Manager zieht auf seinem Balkon Kräuter. Das ist eine lässige Entwicklung, weil man mit Kräutern für das Leben viel lernen kann.
Was konkret? Mit Kräutern ist man angehalten, an ihnen zu riechen und zu schmecken. Schon das schärft das eigene Körpergefühl und die Sinne. So achtet man mehr darauf, was im eigenen Körper wirkt und was er letztlich braucht. Damit wird man sensibler - sich selbst, aber auch gegenüber seinem Umfeld. Für immer mehr Menschen stellt sich auch die Frage, wie man die Wirkung der Kräuter ergänzend zur Schulmedizin nutzen kann. So wächst eine neue Selbstbestimmtheit, die tatsächlich auch gesundheitsfördernd wirkt.
Sie meinen, Kräuter können auch mithelfen, ein selbstbestimmteres Leben zu führen?
Es herrscht eine neue Sehnsucht nach Natur, die uns über die Epochen zusehends verloren gegangen ist. Damit einher geht tatsächlich die Sehnsucht, sich mit sich selbst, dem eigenen Leben und der eigenen Gesundheit mehr zu befassen. Die Menschen wollen all das nicht mehr aus der Hand geben und Dritten überlassen. Ein Bewusstsein, das in der Coronapandemie stark zu spüren war. Das Gefühl von Ausgeliefertsein macht ohnmächtig.
Geht es bei Kräutern ausschließlich um Gesundheit? Nein, das ist fast ein philosophisches Thema geworden. Naturbelassene Kräuter schaffen sehr lebendige Lebensmittel. Das macht den Menschen feinfühliger. Düfte oder Geschmäcker werden geschärft und erinnern vielleicht an positive Erlebnisse aus der Vergangenheit, die man so immer wieder in die Gegenwart holen kann. Man lernt auch viel fürs eigene Leben, indem man beobachtet, was Pflanzen irritiert und wie sie untereinander kommunizieren.
Es zeigt sich, dass sie geschmacklos werden, wenn man sie zu viel verwöhnt. Thymian, der wild auf der Alm in rauem Klima gedeiht, enthält wesentlich mehr ätherische Öle, als wenn man ihn im Garten düngt. Da wird er ziemlich gehaltlos.
Tut es auch dem Menschen nicht gut, dass ihn der Wohlstand immer verwöhnter macht? Zu wenig Herausforderung kann tatsächlich ein Grund sein, dass es einem schlecht geht. Oder auch die Tendenz, möglichst viele Probleme an andere auszulagern - an den Staat oder Expertinnen und Experten. Irgendwann hat man dann alles ausgelagert und das Gefühl, dass andere über einen bestimmen. Von Pflanzen lernt man auch, dass es für alles eine Zeit gibt. Dass es einen Rhythmus gibt und die vorhandenen Ressourcen begrenzt sind. Das Wissen, dass es nicht unendlich viel von allem gibt und man mehr Achtsamkeit auf das Bestehende legen sollte, kann im Leben auch sehr heilsam sein.
Zur Person: Die Salzburgerin Karin Buchart ist Ernährungswissenschafterin, Autorin und Mitbegründerin des Europäischen Instituts für Angewandte Pflanzenheilkunde in Unken im Pinzgau. Sie war Lehrbeauftragte an der Universität Salzburg und hat den Lehrgang Pflanzenheilkunde entwickelt, der in Schloss Goldegg und Steinakirchen am Forst angeboten wird.
"Das Kräuterhandwerk"erscheint am 21. November im Servus-Verlag. ISBN: 139783710403866