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Die Trauer braucht einen fixen Raum

Kerzen, Weihrauch, Papierrollen: Wenn rund um Allerheiligen die Trauerräume in den Pfarren der Erzdiözese öffnen, waren Ehrenamtliche fleißig.

Das Expertenteam für die Trauerräume.
Das Expertenteam für die Trauerräume.

Ob in der Stadt oder auf dem Land, wenn es herbstelt, ändern sich die Menschen. "Sie wenden sich nach innen", beschreibt Dominik Elmer seine Beobachtungen. Dazu kommen Gedenktage wie Allerheiligen und Allerseelen. Was bis vor Kurzem noch der traditionelle Gang zum Grab war, ist heute immer seltener zu finden. "Traditionen und Begräbniskultur brechen mancherorts weg. Nach der Pandemie wird weiter im kleinen Kreis bestattet und getrauert", berichtet er. Wenn er darauf schaut, wie viele Menschen heute ihr Leben leben, fällt ihm auf, dass sie keine stabilen Orte der Trauer mehr haben. Wer in Wien arbeitet und die Großeltern im Salzburger Land begraben weiß, kann Alternativen brauchen.

Es muss nicht die Kirche sein

Eine solche stellen die Trauerräume dar, die Pfarren mit ihren Teams rund um den 1. November gestalten. Dabei gibt es nach einigen Jahren, in denen dieses Angebot bereits läuft, echte "Evergreens". Weihrauch ist immer mit dabei, er regt die Sinne an, wenn man ihm beim Verglühen zusieht. Ein Gedenkbuch kann aufliegen, Bilder können Impulse setzen, herbstliche Blumenkreationen für eine schöne Atmosphäre sorgen. Ohne Kerzen geht im Trauerraum jedenfalls nichts. "Ins Kerzenlicht zu schauen gibt ein Gefühl von Ruhe und Frieden", sagt Monika Schwaighofer, die in Rußbach dem Pfarrgemeinderat als Obfrau vorsteht. Also bekommt ihr Team ein ganzes Paket orthodoxer Kerzen (das sind dünne, gelbe aus Bienenwachs), weil die Rußbacherinnen und Rußbacher die einfach mögen. "Im November ist unsere kleine Gemeinde mit ihren 800 Einwohnern recht ruhig, wir haben kaum Gäste. Und trotzdem brauchen wir so um die 250 Kerzen, die im Trauerraum angezündet werden", erklärt sie.

"Nach der Pandemie wird weiter im kleinen Kreis bestattet und getrauert."
Dominik Elmer
Leiter Infopoint Kirchen

Das Team in Anthering hat die Erfahrung gemacht, dass sich seine Trauerraum-Besucher von der Gestaltung sehr angesprochen fühlen; selbst wenn einige der Kirche fernstehen. "Sie können eine Kerze anzünden oder ein Papierzetterl in die Klagemauer stecken", sagt Monika Schneckenleithner. Klagemauer? Auch sie ist aus dem Trauerraum-Repertoire nicht mehr wegzudenken: Trauernde können ihre Gedanken auf Papier schreiben, falten und in die Ritzen einer aus Ziegelsteinen aufgebauten, kleinen Wand stecken. Diese anonymen Worte werden später verbrannt. "In unserer Gemeinde gibt es gleich mehrere Trauerräume an verschiedenen Orten. Nicht alle Leute gehen gern in die Kirche hinein. Also gestalten wir die Aufbahrungshalle oder den Friedhof, auf dem wir einen ganzjährigen Trostplatz eingerichtet haben", erzählt Bernhard Schneckenleithner. Seine Frau und er achten darauf, dass die Neugier geweckt wird und die Trauerangebote keinen allzu strengen Ordnungen folgen.

Fixer Platz tut gut

Über einen Raum für Trauer freut sich auch Orinta Rötting, Mitarbeiterin im "Infopoint Himmel" in der Salzburger Franziskanergasse. Diese Einrichtung beschreibt Leiter Dominik Elmer mit einem Augenzwinkern als das "Mutterschiff der Trauerräume", in dem die zentrale Organisation stattfindet. Rötting erinnert an den großen Individualisierungsdrang in der Gesellschaft und blickt dabei auch auf sich selbst.

"Ich ziehe von einem Ort, von einem Land zum anderen und habe keine festen Orte mehr, an denen ich trauern kann. So geht es auch vielen Menschen in Salzburg, auch wenn sie als Touristen kommen. Sich wo festhalten zu können ist wichtig." Dominik Elmer nickt und sagt, dass Trauerräume auch immer eine stille Einladung zum Aktivwerden aussprächen. Unter den verschiedenen liebevoll gestalteten Stationen befinde sich mit Sicherheit eine, die gerade zur Lebenssituation von Trauernden passt. Denn nicht nur ein Todesfall kann Trauer auslösen - auch ein Kind, das gerade daheim ausgezogen ist, kann traurig machen oder ein Job, den man gerade verloren hat.

Dominik Elmer mag Kerzen, wenn es um das Gedenken geht.
Dominik Elmer mag Kerzen, wenn es um das Gedenken geht.

Rötting mag es, wenn in der Kirche Dinge stattfinden dürfen, die nicht ganz gewöhnlich sind und überraschen. Sie schätzt es, dass hinter einem Trauerraum immer mehrere Menschen stehen, die ihre Kreativität in das Projekt stecken. "Das sind meistens die Frauen", sagt Monika Schneckenleithner und lacht zu ihrem Mann hinüber, der eine Ausnahme darstellen dürfte. Dieser sagt zur Ehrenrettung seines Geschlechts, dass die Männer in der Pfarre sehr wohl anpackten - beim Auf- und Abbau beispielsweise. Monika Schneckenleithner nickt zustimmend und sagt: "In einer Zeit, in der die Ideen für Rituale weniger werden, möchten wir den Leuten ein Gefühl dafür geben, was sie in ihrer Trauer machen können. Denn die dauert oft länger, als man denkt."