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Nachlass digital regeln: Was am Ende online bleibt - und was nicht

In einer digitalisierten Welt stellt sich die Frage, was mit Onlinepräsenzen und persönlichen Daten nach dem Tod passiert.

„Eurolawyer“ Clemens Thiele beschäftigt sich seit rund 20 Jahren mit dem digitalen Nachlass.
„Eurolawyer“ Clemens Thiele beschäftigt sich seit rund 20 Jahren mit dem digitalen Nachlass.

Der digitale Nachlass gewinnt an Bedeutung - und wirft Fragen auf. Der Salzburger Jurist Clemens Thiele beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren damit, was etwa mit Domains passiert, wenn Inhaberinnen und Inhaber sterben und keine Regelung hinterlassen. Doch was lässt sich überhaupt digital vererben? "Kurz gesagt: Kaum etwas, denn alle digitalen Güter und Waren sowie alles, was höchstpersönlich ist, kann man nicht vererben."

Thiele nennt als Beispiel Social-Media-Accounts, etwa Facebook, Instagram oder LinkedIn. Ob diese etwas Höchstpersönliches sind, war unter Juristen lange strittig. Die Expertenmeinung ging stark in die Richtung, dass soziale Netzwerke ihre Angebote mitnichten maßschneidern, sondern sie für Millionen Menschen anbieten, die nicht allzu viel individualisieren können. "In Österreich hat dieses Thema Gerichte noch nicht beschäftigt, in Deutschland allerdings schon", berichtet der Professor und erinnert an den Fall einer jungen Frau, deren Eltern nach ihrem Tod von Facebook den Zugang zum Profil gefordert und ihn schließlich eingeklagt haben. Die Tochter hat die Plattform nämlich als eine Art Tagebuch benutzt. Also entstand gewissermaßen ein Präzedenzfall, der bis zum höchsten Zivilgericht ging. Dieses entschied, dass das Kommunikationsgeheimnis einer Herausgabe der Zugangsdaten nicht gegenübersteht. Also blieb es den Erben und somit den Eltern überlassen, was sie mit dem Account machen.

Digitales Erbe und die Vorsorge für 2023: Was tun mit Online-Accounts nach dem Tod?

Die meisten digitalen Plattformen halten in ihren Geschäftsbedingungen fest, dass Accounts nicht übertragbar oder vererbbar sind, wiewohl sie die Möglichkeit anbieten, eine Person zu benennen, die sich im Todesfall um den Account kümmert. Bei Facebook ist es möglich, so eine digitale Erbin oder einen digitalen Erben einzusetzen. Diese Person kann veranlassen, dass das Profil des oder der Verstorbenen final gelöscht wird. Doch wie sorgt man 2023 gut vor? Clemens Thiele mag den Spruch "Gegen das Netz hilft das Netz", er zitiert ihn mit einem Schmunzeln. Dann erklärt er, dass es Onlinedienste gibt, die sich darum kümmern, virtuelle Vermögenswerte zu verwalten. Ein Beispiel, das vielen Menschen bekannt sein dürfte, ist ein "Password-Helper", der eine Vielzahl von Passwörtern abspeichert und nur gegen die Eingabe eines mächtigen, generellen Passwortes preisgibt. Und: "Manche Anbieter pflegen Accounts nach Todesfällen eine Zeit lang. Vorausgesetzt, man hat sie vorab beauftragt und bezahlt", sagt der Professor.

Auch an Domains, Bitcoins oder NFTs denken

Wer eine Domain besitzt, sollte jedenfalls Vorkehrungen treffen, ob es sich nun um eine Webseite über Lieblingshobbys wie Modelleisenbahnen oder einen professionellen Webauftritt des eigenen Unternehmens handelt. Hier rät Clemens Thiele, Domains für einige Jahre im Vorhinein zu bezahlen und parallel gleich festzulegen, an wen sie im Todesfall gehen. "Das lässt sich gut testamentarisch bestimmen. Doch bis das Testament den Erben kundgemacht hat, kann es ein bisschen dauern. Ein frühzeitiges Reagieren ist also angesagt", gibt er zu bedenken.

Um teils erstaunlich hohe Summen geht es, wenn digitale Währungen wie Bitcoin ins Spiel kommen. Thiele weiß, dass im Todesfall Zugangsdaten für die Wallet (das "Geldbörserl") essenziell sind. "Diese ist in der Regel durch ein starkes Passwort geschützt, für das ein Prozedere hinterlegt ist. Doch wenn im Testament keine Erbin oder kein Erbe festgelegt und der Schlüssel zur Wallet nicht auffindbar ist, werden diese Bitcoin wohl im digitalen Raum verbleiben - auch wenn es sich um beeindruckende Werte drehen kann."

Sicherheitsvorkehrungen lassen sich nur selten aushebeln; immerhin muss Cybercrime vorgebeugt werden. Dasselbe gilt für NFTs (Non-Fungible Tokens, also digitale Echtheitszertifikate). Sie waren eine Revolution in der Kunstszene. Auch wenn sie nach ihrem Hype wieder an Wert verloren haben, sind sie für einige Menschen eine interessante Form, echtes Geld anzulegen. Wer also ein Pixel eines Gemäldes vererben möchte, sollte sich zur rechten Zeit ausreichend informieren, wie NFTs ihre Besitzer wechseln können.

Daten & Fakten

Ein digitaler Fußabdruck kann heutzutage erstaunlich weit reichen. Er erstreckt sich über soziale Medien, E-Mail-Konten, Cloud-Speicher und Onlinekonten. Der digitale Nachlass umfasst unter anderem digitale Vermögenswerte, Fotos oder Dokumente. Dieser Nachlass kann dabei wirklich von unschätzbarem Wert sein - nicht nur in materieller, sondern auch in emotionaler Hinsicht.

Also ist Vorsorge angesagt. Ein digitales Testament kann Folgendes enthalten: den Namen eines Nachlassverwalters, der sich um die Onlinepräsenz kümmert. Außerdem eine Liste der Onlinekonten samt Zugangsdaten. Dass diese Liste frisch gewartet sein sollte, versteht sich von selbst; abgelaufene und bereits erneuerte Passwörter helfen niemandem. Nur wer den vollständigen Schlüssel besitzt, kann sich in die jeweiligen Accounts einloggen und dann auch mit ihnen arbeiten.

Klare Anweisungen helfen Hinterbliebenen, denn so wissen diese, was mit Onlinekonten geschehen soll. Dies kann die Löschung, Archivierung oder Weitergabe von Inhalten an bestimmte Personen umfassen. Wer vorsorgt, kann auch festlegen, ob bestimmte Konten nach dem Tod aktiv bleiben sollen. Das ist nützlich, um beispielsweise wichtige Informationen zugänglich zu machen.

Privatsphäre-Einstellungen erlauben Userinnen und Usern festzulegen, ob bestimmte Informationen oder Dateien nach ihrem Tod öffentlich zugänglich sein sollen oder ob sie privat bleiben sollen. Dies kann besonders dann wichtig sein, wenn die Privatsphäre und der Ruf von Verstorbenen geschützt werden sollen.