SN.AT / Leben

Naturbestattung: Heilige Ruhe unter dem Baum

Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, ihre Asche in einer Urne in der geliebten Natur bestatten zu lassen. So entstehen idyllische Flächen für die letzte Ruhe.

Karin Seewald (Geschäftsführerin paxnatura) auf der Kastanienwiese.
Karin Seewald (Geschäftsführerin paxnatura) auf der Kastanienwiese.

Die Sonne hat noch Kraft, als Karin Seewald zwischen Kastanienbäumen durch das Gras geht. Eine Biene summt und der Wind streift durch die Blätter, die der Herbst noch nicht von den Ästen gezupft hat. In der Ferne steht ein Mann ruhig in der Landschaft. Nichts regt sich. Würde nicht ein Schild am Rande des weitläufigen Grünstreifens darauf hinweisen, dass hier ein Ort für die letzte Ruhe ist, würde man das Fleckchen hinter einem bewirtschafteten Feld als herrliche Wiese am Fuße des Untersbergs wahrnehmen. Doch Seewald zeigt auf eine kleine goldene Plakette, die an einem Baum angebracht ist. "501" steht auf ihr. Sie markiert, wer hier im Boden ruht.

Suche nach Natürlichem

Die Kastanienwiese bei Fürstenbrunn ist das erste Projekt von paxnatura. Seit 2010 werden hier Menschen nach ihrer Kremierung in der üppigen Natur am Fuße des Untersbergs bestattet. Seewald ist Geschäftsführerin, Eigentümer ist Maximilian Mayr Melnhof. Bis heute gibt es insgesamt sieben Flächen in Österreich, auf denen Naturbestattungen stattfinden. Zwei weitere sind in Planung, sie werden in der Steiermark eröffnen. "Menschen suchen stark nach Alternativen zur Bestattung am Friedhof", sagt Seewald und berichtet vom wachsenden Mitbewerb, der sich in den vergangenen Jahren etabliert hat. Nachdem die katholische Kirche dieser Art von Beerdigung anfangs abwartend gegenüberstand, bietet etwa die Erzdiözese Wien mittlerweile selbst die Möglichkeit zur Naturbestattung an. Doch warum sehnen sich Frauen, Männer, Familien und sogar ganze Freundeskreise danach, nach ihrem Tod in der Wiese oder unter einem Baum eingegraben zu werden? "In so vielen Bereichen des Lebens suchen Menschen das Natürliche und die Verbundenheit mit der Umwelt. Sie wollen das Authentische und legen Wert auf echte Nachhaltigkeit", erzählt Karin Seewald.

Naturbestattung am Fuße des Untersbergs.
Naturbestattung am Fuße des Untersbergs.

Statt einzelner Grabmäler gibt es zwei rechteckige Blöcke Untersberger Marmors, auf denen die Namen all jener Verstorbenen eingelassen sind, die auf der Kastanienwiese ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Plakette um Plakette steht in langen Reihen nebeneinander. Auch das Geburts- und das Sterbedatum der Person sind vermerkt. Nicht wenige von ihnen haben einen starken Bezug zur Region, haben die nahe gelegenen Gipfel erklommen oder sind durch die Wälder gestreift.

"Naturbestattung ist ein echtes Stück Nachhaltigkeit."
Karin Seewald
Geschäftsführerin paxnatura

Wer die Natur zu Lebzeiten geliebt hat, muss sie nach dem Tod nicht verlassen. Dafür, dass die Asche Verstorbener in einer guten Zeit ins Erdreich übergeht, sorgen die Urnen aus gepresstem Holz. Und nicht nur unter der Erde ist diese Art der Bestattung eine Wohltat für die Umwelt - darüber kreucht und fleucht das Leben auf vier, sechs und acht Beinen. Ein Leckstein, der an einem der Kastanienbäume angebracht ist, erfreut Rehe. Nistkästen für Vögel bieten ihnen in den Baumkronen ein sicheres Zuhause.

Schon Junge sorgen vor

Als "individuell und liebevoll" beschreibt Karin Seewald die Zeremonien, wenn ein Mensch von seinen Lieben verabschiedet wird. Diakone und Priester sind immer wieder mit dabei. Die Urnenplätze sind beliebt, immerhin lassen sie sich zu Lebzeiten festlegen. Wer sich dafür entscheidet, einen Platz bei paxnatura zu kaufen, ist ab 890 Euro auf 25 Jahre ab der Beisetzung dabei. Je nach Lage der Urne variiert der Preis.

"Ein Vorteil ist, dass die Grabpflege für Hinterbliebene entfällt. Bei uns macht die beste aller Gärtnerinnen die Arbeit - die Natur selbst." Und weil das Gras auf der Fläche unter den Bäumen nur selten gemäht wird, ist es ein wahres Paradies für Tiere und ein Ort, der der Biodiversität nützlich ist. "Im Sommer summt und brummt es zwischen den Blumen nur so", sagt Karin Seewald. Ein Gutteil jener Menschen, die einen Grabplatz bei paxnatura erwerben wollen, kommt selbst im Gutshof Glanegg vorbei, in der Regel sind sie um die 60 Jahre alt. Doch auch immer mehr junge Menschen sind Kunden, da sie sich bereits Gedanken über die Zeit nach dem Tod machen.

Die Plakette markiert, wer hier bestattet ist.
Die Plakette markiert, wer hier bestattet ist.

Wenn man über die ganze Länge der Kastanienwiese spaziert ist, stehen am Ende ein paar Sträucher in der Wiese. Noch sind sie nicht allzu üppig, sie wachsen gerade erst an und markieren den amicus-Tierfriedhof. Seewald erklärt, dass dieser seit der Pandemie regelrecht boomt. Menschen wollen ihre geliebten Haustiere, meist handelt es sich um Hunde, auch nach dem Leben in ihrer Nähe wissen. Also kann auch ihre Asche auf dem Areal bestattet werden, wenn auch in einem separaten Bereich. "Auch sie sind wichtig, wenn es um echte Naturverbundenheit geht", erklärt Seewald.