Eine Frau sitzt im Bus, ihre Blase drückt sehr, sie hat Sorge, es nicht mehr halten zu können. Es ist ein massiver Stress, der auf ihr lastet, so groß ist die Angst, sich zu blamieren. Eine andere Frau möchte nicht mehr laufen gehen, obwohl ihr das sonst immer Spaß gemacht hat - denn sie kann nicht verhindern, dass sich die Blase währenddessen entleert. Beide Frauen leiden unter einem Problem, über das sie und andere Betroffene aus Scham nicht gerne sprechen: Blasenschwäche und Erwachseneninkontinenz. Dabei sind sehr viele Frauen betroffen: Mehr als ein Drittel aller Frauen über 50 leiden unter dem Problem. Ursachen gebe es unterschiedliche, erklärt die Salzburger Urologin Andrea Gnad. "Häufig ist es die hormonelle Umstellung in den Wechseljahren, die die Blasenschwäche auslöst. Die Östrogene nehmen ab, das Bindegewebe wird schwächer, das für den Halt des Beckenbodens verantwortlich ist. Der Beckenboden wiederum ist unter anderem dafür zuständig, die Blase und auch den Urin darin zu halten - und schafft das dann nicht mehr im selben Maße wie zuvor."
"Übergewicht ist der größte Risikofaktor für Inkontinenz im Alter." Andrea Gnad, Urologin
Doch es ist nicht nur das Alter allein, das eine Rolle spielt. Entscheidend ist auch der allgemeine Gesundheitszustand einer Frau, insbesondere ihr Gewicht. "Übergewicht ist der größte Risikofaktor für Erwachseneninkontinenz", erklärt Gnad, "was natürlich mit dem sinkenden Östrogenspiegel zusammenhängt - der Stoffwechsel ist träger und die Frau nimmt leichter zu." Ausreichend Bewegung, eine ausgewogene und angemessene Ernährung - die bekannten Mittel für ein gesundes Leben sind auch hier der Wegweiser, um gar nicht erst unter einer Blasenschwäche bis hin zur Inkontinenz zu leiden. Allerdings trifft es, wenn auch im deutlich geringeren Maße, auch schlanke und fitte Frauen. "Geburten spielen eine weitere große Rolle. Eine Frau, die viele Kinder zur Welt gebracht hat, hat ein höheres Risiko, mit dem Absinken des Beckenbodens Probleme zu bekommen", sagt Gnad. Auch genetische Faktoren können eine Rolle spielen.
Auch junge Frauen haben Probleme
Keineswegs seien es nur Frauen über 50, die von einer Blasenschwäche betroffen sind, führt die Urologin weiter aus. Auch bereits sehr junge Frauen bekommen das Problem, häufig zur Toilette zu müssen - mitunter eine belastende Situation. Zwar handle es sich dabei noch um keine Inkontinenz, dennoch sei auch hier der Weg zur Urologin oder zum Urologen sinnvoll, empfiehlt Gnad: "So lässt sich abklären, was hinter dem Problem steckt. In vielen Fällen sind es bestimmte Angewohnheiten, die zu dem Verhalten führen, und die sich mit einem gezielten Training der Blasenmuskulatur ändern lassen." Es sei ein sehr unangenehmes Gefühl, wenn die Blase drücke und der Blasenmuskel krampfe. "Diese Situationen lassen sich medikamentös entschärfen und nach und nach die Gewohnheiten ändern - sodass die Frau seltener auf die Toilette gehen muss und die Blase mit der Zeit lernt, länger zu halten."
Die 2 Arten von Inkontinenz
Die Urologin unterscheidet zwischen zwei Arten von Erwachseneninkontinenz. Während es sich beim häufigen Auf-die-Toilette-Gehen, weil sonst die unkontrollierte Blasenentleerung droht, um eine Dranginkontinenz handelt, äußert sich die Belastungsinkontinenz anders: Bei ihr wird Harn bei Belastungen wie Husten, Niesen und Stiegensteigen verloren. Gerade im Falle der Belastungsinkontinenz sei das Training des Beckenbodens entscheidend, sagt Gnad. "Ich schicke Patientinnen mit diesem Problem in die Physiotherapie, wo das Beckenbodentraining mit ihnen durchgeführt wird." Es gebe aber auch im Internet viele gute Übungen - die sie unbedingt auch als Prävention für alle Frauen ab 45 empfiehlt, "gerne auch in noch jüngerem Alter".
Vorbeugung
Überhaupt könne man einer Blaseninkontinenz im Alter mit zahlreichen Maßnahmen relativ gut vorbeugen. Neben gesunder Ernährung und Bewegung sei ratsam, weniger Alkohol und kohlensäurehaltige Getränke zu sich zu nehmen "Zudem ist wichtig, über die Ernährung darauf zu achten, dass der Stuhlgang regelmäßig ist. Denn Verstopfungen belasten den Beckenboden zusätzlich", sagt Gnad.
Bei bereits gegebener Blasenschwäche bis hin zur Inkontinenz gibt es unterschiedliche medikamentöse Behandlungen. So können beispielsweise Östrogene über Salben oder Zäpfchen die Durchblutung der Scheidenschleimhaut verbessern. "Dadurch wird die Schleimhaut dicker und feuchter und bietet mehr Widerstand, was sich positiv auf die direkt parallel verlaufende Harnröhre auswirkt."
Bei einer Belastungsinkontinenz gebe es auch die Möglichkeit eines Pessars oder auch Inkontinenztampons, das die Harnröhre abdrücke und so beispielsweise beim Sport verhindere, dass unkontrolliert Harn austrete. "Das sind aber kurzfristige Lösungen und nicht für länger gedacht", erklärt Gnad. Auch Einlagen und entsprechende Unterhosen gebe es, "mit einem ärztlichen Rezept sind diese auch günstiger zu bekommen". Eine Operation ist schließlich die letzte Möglichkeit, wenn der Beckenboden bereits zu weit abgesunken ist: Dabei werden entweder Bänder unter die Harnröhre eingezogen, um diese zu stützen, oder die ganze Blase wird gehoben.
Frühzeitig Hilfe holen
Gnad empfiehlt allen Frauen mit der Problematik, sich nicht aus dem Alltag zurückzuziehen, sondern zu Ärztin oder Arzt zu gehen und sich helfen zu lassen. Dabei sei es hilfreich, dass es immer mehr weibliche Urologinnen gebe. "Frauen gehen bei diesem Thema meiner Erfahrung nach lieber zu Frauen."