Schon als Jugendliche litt Magdalena S. an krampfartigen Schmerzen während ihrer Menstruation. "Im Laufe der Jahre sind sie schlimmer geworden", erzählt die Wiener Biologielehrerin. Es folgten Übelkeit und Verdauungsprobleme, auch außerhalb der Periode. Beinahe zehn Jahre klapperte die gebürtige Oberösterreicherin zahlreiche Ärztinnen und Ärzte ab, um die Ursachen dafür zu finden. Und wie viele andere Patientinnen auch, hörte sie am Beginn ihrer Krankengeschichte: "Das ist wohl psychosomatisch."
Oft hat sie an ihren Schmerzen und deren Stärke gezweifelt, sich gefragt, ob sie sich nicht lächerlich mache. Andere hätten noch heftigere Beschwerden, hieß es. Bis ein OP-Bericht das Leiden der heute 30-Jährigen endlich benannte: Sie hat Endometriose. "Ich bin dankbar, es zu wissen. Ich habe mir die Schmerzen nicht eingebildet", erzählt sie.
Wie Endometriose entsteht, ist noch nicht geklärt. Klar ist: Die damit einhergehenden Schmerzen verursachen sogenannte Endometrioseherde. Dabei handelt es sich um gebärmutterähnliches Gewebe, das sich etwa an den Eierstöcken, der Blase, im Bauch- und Beckenraum oder am Darm ansiedelt. Während eines Zyklus reagieren die Herde auf hormonelle Veränderungen und bluten mit. Bis zu einer Diagnose vergehen laut dem "Österreichischen Gesundheitsbericht" bis zu neun Jahre.
15% der gebärfähigen Frauen sind betroffen
Der Fall von Magdalena S. ist beispielhaft für unzählige andere Frauen. Sie gehört zu den 10 bis 15 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter in Österreich, die von Endometriose betroffen sind. Das sind bis zu 300.000 Personen. Weltweit leiden laut Schätzungen der WHO mindestens 190 Millionen Menschen an der chronisch-entzündlichen Krankheit, wobei die Dunkelziffer höher sein dürfte.
Eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt, dass Frauen die Diagnose immer häufiger erhalten. Im Vergleich zu 2012 gab es ein Plus von 65 Prozent. Glaubt man den deutschen Fachleuten, ist dies nicht unbedingt auf ein erhöhtes Endometrioserisiko zurückzuführen, sondern auf ein stärkeres Bewusstsein für die Erkrankung. Gilt das auch für Österreich?
Ja, sagt Michaela Kahr. Sie ist die Gründerin von Endometriose Österreich, einer Selbsthilfegruppe für Betroffene. "Sehr viele haben mittlerweile davon gehört", sagt sie. Gerade die Jungen informierten sich in sozialen Medien und viele Betroffene - auch Influencerinnen - würden dort ihre Erfahrungen teilen. Insgesamt werde offener über das Thema Menstruation und Frauengesundheit gesprochen: "Das ebnet den Weg zur Diagnose", erklärt sie. Von der ersten Regelblutung an wurde und wird Mädchen aber immer noch gerne erklärt, dass Schmerzen normal seien. "Es ist aber nicht normal", betont Kahr.
Endometriose wird zu oft nicht erkannt
Wie ausgeprägt die Schmerzen sind und wann diese auftreten, variiert von Frau zu Frau. András Jaksics, Primar einer Kinderwunschklinik in St. Pölten, erklärt: "Typisch sind starke Regelschmerzen sowie Beschwerden beim Geschlechtsverkehr, beim Wasserlassen oder beim Stuhlgang." Die Beschwerden könnten auch außerhalb des Zyklus auftreten und sehr vielseitig sein. "Endometriose wird oft im Zusammenhang mit einem Kinderwunsch diagnostiziert", erläutert er - denn Endometriosepatientinnen hätten pro Zyklus eine halb so hohe Chance, schwanger zu werden. "Je früher die Diagnose erfolgt, desto eher kann bei bestehendem Kinderwunsch über Fertilitätsprotektion gesprochen werden", betont Jaksics.
Ein Problem: "Viele Ärztinnen und Ärzte erkennen Endometriose nicht und verschreiben Schmerzmittel", sagt Barbara Pasiecznyk, stellvertretende Obfrau der Endometriose-Vereinigung (EVA). Die Diagnose sei für Patientinnen meist eine Erleichterung, da häufig psychosomatische Ursachen unterstellt würden. Genauso wie im Fall von Magdalena S.: Mit Anfang 20 vermutete sie, dass sie Endometriose hat. Ihr Arzt aber meinte, ihre Schmerzen müssten schlimmer sein. Danach suchte sie vergebens weitere Gynäkologen auf, sogar einen Infektionsspezialisten, da sie vermutete, eine Pilzinfektion könnte der Auslöser ihrer Schmerzen sein.
Erst im Frühling vergangenen Jahres entdeckte ihr Gynäkologe eine Zyste auf dem Eierstock, die sich später als Endometriosezyste herausstellen sollte. Auf eigene Faust vereinbarte sie darauf einen Termin in einer Endometrioseklinik in Ottakring, auf den sie fünf bis sechs Monate wartete. Es stellte sich heraus: Die Zyste war verwachsen mit der Beckenwand und hat die Position des Eierstocks verändert. Damit dieser wieder an die richtige Stelle rückt, entschied sie sich für eine Operation. Nach dieser war klar: Mehrere Endometrioseherde sitzen am Eierstock und an der Beckenwand. Einen Monat später erhielt sie die Bestätigung.
Eine Operation sei nicht immer notwendig, erklärt Michaela Kahr, die auch selbst Endometriosepatientin ist. In seltenen Fällen muss in Erwägung gezogen werden, die Gebärmutter, die Eileiter und eventuell Eierstöcke zu entfernen. Bei einer leichten Form kann eine Ernährungsumstellung oder Physiotherapie die Symptome lindern - wobei dies privat bezahlt werden müsste. "Du musst dir diese Krankheit leisten können", betont Kahr. Sie spricht sich auch für Selbsthilfe aus, bei der sich Betroffene zu Therapien austauschen könnten.
Magdalena S. geht es jedenfalls offen an: "Ich spreche an der Schule darüber und möchte das Thema enttabuisieren." Starke Regelschmerzen sind nicht normal und sollten angeschaut werden - das helfe der nächsten Generation.